Es ist das Ende einer scheinbar unendlichen Geschichte: Die maroden Fachwerkhäuser von Doris Focke in der Ritterstraße/Norderstädtischer Markt haben nicht nur Architekten und Behörden viele Jahre lang auf Trapp gehalten, sondern zeitweise auch die Gerichte beschäftigt. Jetzt hat die Bauaufsicht der Stadt mit einer Abrissverfügung einen Schlusspunkt gesetzt: Die beiden Gebäude werden zurzeit dem Erdboden gleichgemacht. Zwar ist der Denkmalschutz für die historischen Bauten nicht aufgehoben, in diesem Fall ist die Gefahrenabwehr aber wichtiger als der Erhalt der ohnehin desolaten Bausubstanz, wie Verdens Bürgermeister Lutz Brockmann berichtet. "Der Zustand der beiden Häuser hat sich in den vergangenen Jahren nochmals deutlich verschlechtert. Daher war die Gefahr, die für Passanten und benachbarte Häuser davon ausging, so groß, dass die Stadt reagieren musste."
Die Abrissverfügung sei im Juni der Eigentümerin zugeleitet worden. Nachdem sie die gesetzte Frist für den Abriss habe verstreichen lassen, habe die Stadt Verden den Abbruch eingeleitet. "Die Eigentümerin muss die entstehenden Kosten tragen", so Brockmann. Wie hoch die Summe ausfallen werde, könne wahrscheinlich erst nach dem Ende der Arbeiten beziffert werden. Wie der Bürgermeister sagt, seien die Häuser aufgrund der labilen Statik akut einsturzgefährdet gewesen. In enger Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege habe die Stadt sich zum Abriss entschlossen.
Bebaubare Fläche bleibt
"Im Grunde ist es schade um die historische Bausubstanz, die Häuser hätten es verdient gehabt, saniert zu werden", bedauert Brockmann die Entwicklung. Jahrzehntelanger Leerstand, der Bürgermeister spricht von mindestens 50 Jahren, habe aber letztlich unweigerlich zum Verfall des ehemaligen Wohnhauses und der Scheune geführt. Nach dem Abriss bleibt der Eigentümerin das Grundstück als bebaubare Fläche. Das Grundstück hinter den beiden Häusern fällt nach Angaben von Brockmann zurück an die Stadt. Pläne dafür hat die Stadt nach Angaben des Verwaltungschefs noch nicht. Auch in das Projekt Stadtkante solle das Grundstück nach aktuellem Stand nicht integriert werden.
Die unbebaute Fläche hatte die Stadt 2001 an Doris Focke verkauft, um ihr eine wirtschaftliche Nutzung der beiden Fachwerkhäuser zu erleichtern. Im Gespräch war bereits damals der Umbau zu einem Restaurant oder Café. Der Kaufpreis für das städtische Grundstück von umgerechnet rund 36.000 Euro wurde Focke damals auf unbestimmte Zeit gestundet. 2002 wurde ein Bauantrag eingereicht, der jedoch von der Stadt als fehler- und lückenhaft zurückgewiesen wurde. 2006 erteilte Bürgermeister Lutz Brockmann eine Baugenehmigung, die im selben Jahr zurückgenommen werden musste – angeblich wegen Formfehlern. So hätten notwendige Stempel und andere Dinge gefehlt, wie der Anwalt der Eigentümerin seinerzeit bemängelte. Im selben Jahr wurde das einsturzgefährdete Gebäude mit einem Bauzaun umgeben, um die Passanten vor herabfallenden Steinen zu schützen. In der Folgezeit passierte – nichts. Schließlich beschäftigte das Hin und Her sogar die Justiz. In einem Gerichtsurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden wurde im September 2012 bestimmt, dass Doris Focke bis zum 1. Dezember 2012 prüffähige Unterlagen zu Statik und Brandschutz einreichen und bis zum 1. März 2013 weitere Unterlagen nachliefern musste, etwa zum Thema Lärmschutz. Andernfalls könne die Stadt das Grundstück neben den Häusern jederzeit rückübertragen lassen.
Genehmigung von 2014
Schließlich erteilte die Stadt im Jahr 2014 eine Baugenehmigung mit drei Jahren Gültigkeit für die Pläne der Eigentümerin, das Objekt zu sanieren und zu einem gastronomischen Betrieb umzubauen. In den folgenden Jahren passierte aber wiederum nichts, was laut des damaligen Architekten am schlechten Zustand des Untergrunds lag, der weitere Untersuchungen und eine neue Berechnung der Statik zur Folge habe.
2017 dann prangte sogar ein Bauschild am Fachwerk, und es wurde sogar kurzzeitig mit schwerem Gerät gearbeitet. Allerdings nicht wegen einer Sanierung des maroden Ensembles, sondern weil es, so die Erklärung des Architekten, durch ein defektes Wasserrohr eine Unterspülung des Gehweges gegeben hatte, die auch das Fundament der ehemaligen Scheune in Mitleidenschaft zog. Um die Fundamente zu entlasten, demontierte eine Fachfirma die Dachpfannen, den kompletten Dachstuhl sowie das Obergeschoss der ehemaligen Scheune.

So sah das denkmalgeschützte Ensemble vor zehn Jahren aus. Schon damals schützte ein Laubengang vor herabstürzenden Steinen oder Ziegeln.
Der desolate Zustand der beiden Häuser besteht aber bereits deutlich länger. So war ein Dach bereits vorher teilweise eingestürzt und musste gestützt werden. Die Fassaden waren teilweise mit einer Bretterverschalung verkleidet. Und zum Schutz der Fußgänger vor eventuell herabfallenden Bauteilen hatte die Stadt auf Kosten der Allgemeinheit direkt am Haus einen Fußgängertunnel gebaut. Nicht nur deshalb gab es immer wieder und bis in die heutigen Tage Kritik aus der Bevölkerung am Zustand der Häuser und vor allem daran, dass sich nichts daran änderte. Brockmann: "Die Bürger haben nicht verstanden, dass dort in den vielen Jahren nichts passiert ist, zumal in dieser Lage."