Im Katalog zur hannoverschen Frühjahrsauktion war eine Seite einem Verdener „Pferdemann durch und durch“ gewidmet. Reinhard Baumgart habe den Erfolg der Ausbildungs- und Absatzzentrale des Verbandes „über Jahrzehnte maßgeblich geprägt“, und daher sei es an der Zeit für eine spezielle Auszeichnung. Die Goldene Ehrennadel wurde Baumgart nicht mal eben zwischen Stalltür und Angel angeheftet. Für den Senior des Schwartze-Hofs gab es vor großer Kulisse einen Auftritt samt „Clan“.
Beim Schauabend vor der Versteigerung huldigte der Hannoveraner Verband einem „Horseman“, der sich vielerlei Weise verdient gemacht hat: Als Auktionsreiter, Trainer und Mitglied der Auswahlkommission sei er eine „feste Säule“ des Teams gewesen. Die Ehrung galt jedoch ebenso dem erfolgreichen Züchter, Hengstaufzüchter und Aussteller von Pferden, von denen etliche einen großen Weg genommen haben.
Den Weg des Gold-Empfängers pflasterten Pferde von Beginn an. 1943 in Ostpreußen geboren, kam Reinhard Baumgart als Kleinkind mit seinen Eltern nach Verden. Was Vater Benno, den Trakehnern besonders verbunden, als renommierter Pferdezüchter, Auktionsbeschicker und Vereinsfunktionär quasi vorlebte, setzte der Sohn konsequent fort. Ihm sei es nicht nur gelungen, in die Fußstapfen des Vaters vertreten, hieß es im Katalog, „sondern zudem die familiäre Verbundenheit zum hannoverschen Pferd über Generationen aufrecht zu erhalten“.
Familie setzt Tradition fort
Ein anschauliches Bild davon konnte sich das Publikum in der Niedersachsenhalle machen, als es an die Ehrung des 75-Jährigen ging. Die acht Enkelinnen und Enkel bereiteten Reinhard Baumgart, an seiner Seite Ehefrau Annelie, auf ihre Art eine Laudatio – allesamt im Sattel und ein Oktett ohne Fehl und Tadel. „Eine tolle Reiterfamilie mit einem echten Pferdekenner-Opa“, lautete einer der begeisterten Kommentare im Internet. Und auf diese „Truppe“ könnten die Baumgarts „so stolz“ sein. Sind sie auch.
Seinen ersten Beritt bei einer Verdener Elite-Auktion, gemanagt von „Erfinder“ Hans-Joachim Köhler, hatte Reinhard Baumgart 1962. Er fungierte damals zudem als Stallmeister. Später übernahm der gelernte Pferdewirtschaftsmeister das Training des Dressurkaders. Als dienstältestes Mitglied des Auktionsteams war er erst 2009 aus diesem bedeutenden Amt verabschiedet worden – in Anwesenheit zahlreicher früherer Kolleginnen und Kollegen, nicht zuletzt Bundesministerin Ursula von der Leyen. Albrecht hieß sie noch und „Röschen“ wurde sie genannt, als sie in den 1970er-Jahren zur Auktionsreiterriege gehörte.
Reinhard Baumgart hat sein reiterliches Können nicht nur auf den Rücken der Verkaufskandidaten unter Beweis gestellt. Sowohl als Dressur- wie auch als Springreiter holte er in Prüfungen bis zur schweren Klasse Siege und Platzierungen. Gleich dreimal ritt Baumgart ein Pferd zum Titel des Bundeschampions beziehungsweise Bundeschampionesse. Dazu zählt neben Aventica und Artland die Stammstute auf dem Schwartze-Hof, die 1978 geborene Pikantje. 1981 avancierte sie in München zur „Meisterin“ unter den dreijährigen Reitpferden, brillierte danach bei Schaudarbietungen der Hannoveraner in Holland und Großbritannien. In der Zucht erwies sich die Staatsprämienstute Pikantje über 20 Jahre hinweg als prägend.
„Prägend für das private Glück“ des Reinhard Baumgart, betonte der Verband weiter, sei dessen Tätigkeit im Auktionsteam aber allemal auch gewesen. Er habe dort nämlich seine spätere Ehefrau kennengelernt. Tierärztin Anne-Elisabeth Wisch, Tochter passionierter Pferdezüchter aus Ilienworth und ebenfalls erfolgreiche Reiterin, gab ihm 1970 das Ja-Wort. Es war das Jahr, in dem sich auch der Erwerb des Wunschhauses wohl 1704, realisieren ließ.
Die finanziellen Voraussetzungen für den Kauf des Schwartze-Hofs in Döhlbergen hatte sich Reinhard Baumgart durch ein Pferd namens Aquamarin eröffnet. Ein buchstäbliches Schmuckstück und vor allem so begehrt, dass es auf der Verdener Herbstauktion den neuen Rekordzuschlagspreis von 90 000 Euro erlöste. Der Wallach legte sozusagen den neuen Grundstein für Gebäude und Hof am Rande der Reiterstadt. Eine Investition in die Zukunft, die sich auszahlen sollte. Das einst arg sanierungsbedürftige Gebäude, wohl 1704 errichtet, ist längst zum Zentrum das Baumgartschen Familiensitzes geworden, der über die Jahre immer mehr erweitert wurde und sich zu einem vielfrequentierten Zucht-, Sport- und Ausbildungsbetrieb entwickelt hat.
Die Söhne Hannes, Philipp und Felix setzen die Familientradition tatkräftig fort, und die Enkelgeneration ist ja auch schon gut dabei und berechtigt weiterhin zu den schönsten Hoffnungen. Sehr zur Freude des „Pferdekenner-Opas“, der seinem stattlichen Sortiment an Auszeichnungen nun noch hannoversches Ehrengold hinzufügen konnte.