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Stadtrat Verden Ein Schutz auf Zeit

Der Verdener Stadtrat hat mehrheitlich eine Satzung zur Sicherstellung von Bäumen beschlossen, die vorerst bis Oktober gilt. In der Zwischenzeit soll über eine Baumschutzsatzung beraten werden.
15.03.2022, 16:22 Uhr
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Ein Schutz auf Zeit
Von Andreas Becker

Nach einer längeren und kontroversen Debatte hat der Stadtrat Verden in seiner jüngsten Sitzung mehrheitlich eine Satzung zur "einstweiligen Sicherstellung von schützenswerten Bäumen" beschlossen. 26 Mitglieder des Stadtrats votierten dafür, sechs dagegen. Es gab eine Enthaltung. Die Satzung ist befristet bis zum 1. Oktober 2022 und kann nach einem Beschluss auf Antrag von Anja König (CDU) ein Mal um sechs Monate verlängert werden. 

Worum geht es?

Der Stadt geht es darum, ältere und ortsbildprägende Bäume in der Übergangszeit zu schützen, bis Verden eine Baumschutzsatzung beschlossen hat. Die politischen Beratungen über eine solche Satzung sollen nach Ansicht von Bürgermeister Lutz Brockmann (SPD) möglichst umgehend beginnen und zügig zum Abschluss kommen. "Verden hat einen hohen Baumbestand, der überwiegend gut gepflegt wird. Die Stadt kann besondere Bäume schützen, damit sie nicht gefällt werden", begründete Brockmann die Satzung zur Sicherstellung. In der jüngeren Vergangenheit habe es zwei Fälle gegeben, in denen er Bäume sicherstellen musste, damit sie von dem neuen Eigentümer des Grundstücks nicht gefällt werden konnten. Vor allem in der Verdener Innenstadt erfüllten die wenigen größeren Bäume eine wichtige Funktion, weil sie Schatten spendeten und zu einem erträglichen Sommerklima beitrügen. Dort gebe es Bereiche, wo es buchstäblich "um den letzten Baum" gehe. In der freien Landschaft dürften Bäume sowieso nicht gefällt werden, so Brockmann. "Ein Baum, der 30 bis 40 Jahre lang gewachsen ist, sollte nicht ohne Grund entfernt werden", betonte er.

Was steht in der beschlossenen Satzung?

Der Baumbestand in Verden ist überwiegend durch Bebauungspläne geschützt. In vielen, besonders älteren Bebauungsplänen sind jedoch keine Festsetzungen zum Baumschutz enthalten. Für etliche Bereiche in Verden, zum Teil mit altem Baumbestand, existiere kein Bebauungsplan. Ohne den Erlass dieser Satzung und die spätere Erklärung der Bäume "zu geschützten Landschaftsbestandteilen" bestehe für viele ortsbildprägende Bäume kein Schutz, sie seien in ihrem Bestand gefährdet. Der Geltungsbereich der Satzung erstreckt sich "auf alle Grundstücke und Grundstücksteile, die innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile oder im Geltungsbereiche der Bebauungspläne der Stadt Verden liegen sowie auf sonstige bebaute Grundstücke und Grundstücksteile im Außenbereich". Einstweilig sichergestellt werden alle Laubbäume mit einem Stammumfang von 70 Zentimetern und mehr, gemessen in einer Höhe von einem Meter über dem gewachsenen Erdboden. Liegt der Baumkronenansatz unter dieser Höhe, ist der Stammumfang unter dem Kronenansatz maßgebend. Bei mehrstämmigen Bäumen wird die Summe der Stammumfänge zugrunde gelegt, sofern einer der einzelnen Stämme einen Umfang von mindestens 45 Zentimetern aufweist. Sichergestellt werden auch Ersatzpflanzungen unabhängig von ihrer Größe.

Für welche Bäume gilt die Satzung nicht?

Grundsätzlich ausgenommen sind Bäume, die innerhalb eines Waldes nach dem Landeswaldgesetz stehen, dazu Bäume, soweit sie Erwerbszwecken dienen, wie in Baumschulen und Gärtnereien, sowie Obstbäume.

Was ist verboten?

Laut Satzung ist es verboten, die einstweilig sichergestellten Bäume zu beseitigen, zu zerstören, zu beschädigen, ihre typische Erscheinungsform wesentlich zu verändern oder ihr Wachstum zu hemmen. Eine wesentliche Veränderung liegt insbesondere vor, wenn an geschützten Bäumen Eingriffe vorgenommen werden, die das charakteristische Aussehen verändern oder das weitere Wachstum beeinträchtigen. Dazu gehört unter anderem das Kappen von Bäumen mit dem starken Einkürzen einer gesamten Krone, einzelner Kronenteile oder einzelner Äste ohne Erfordernis, das Anbringen von Verankerungen und Gegenständen, die Bäume gefährden oder schädigen sowie Abgrabungen, Ausschachtungen, Aufschüttungen oder Verdichtungen im Wurzelbereich. Untersagt sind auch Versiegelungen des Wurzelbereiches mit wasser- und luftundurchlässigen Materialien (etwa Asphalt oder Beton) sowie der Einsatz von Herbiziden und Pestiziden im Wurzelbereich. Ausnahmen gibt es, wenn das Verbot "zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Ausnahme mit den öffentlichen Interessen, insbesondere dem Schutzzweck dieser Verfügung vereinbar ist. Eine weitere Ausnahme liegt vor, wenn eine nach baurechtlichen Vorschriften zulässige Nutzung des Grundstücks sonst nicht oder nur unter wesentlichen  Beschränkungen verwirklicht werden kann, o der  ein geschützter Baum krank ist und die Erhaltung nicht mit zumutbaren Mitteln möglich ist".

Was ist zulässig?

Erlaubt sind unaufschiebbare Arbeiten zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Menschen oder Sachen. Diese Eingriffe müssen laut Satzung dokumentiert und unmittelbar danach der Stadt Verden nachgewiesen werden. Zulässig sind auch fachgerechte Pflege- und Erhaltungsarbeiten, insbesondere die Beseitigung abgestorbener Äste, die Belüftung und Bewässerung des Wurzelwerkes oder die Herstellung des Lichtraumprofils an Straßen. Schnittarbeiten an Ästen mit einem Durchmesser von mehr als fünf Zentimetern müssen der Stadt vorher angezeigt werden. 

Was sagt die Politik?

Die Debatte im Stadtrat zeigte, dass alle Fraktionen die Verdener Bäume schützen wollen. Alle wollen auch die Diskussion um eine Baumschutzsatzung ergebnisoffen führen. Bei der Sicherstellung scheiden sich jedoch die Geister. Jürgen Weidemann (FDP) kritisierte den Eingriff in das Privateigentum der Bürger und das "Misstrauen ihnen gegenüber". Die Erfahrung in Borstel habe gezeigt, dass es besser sei, die Bürger zu überzeugen und mitzunehmen. Er warnte mit Blick auf den festgelegten Stammumfang von 70 Zentimetern, dass dies auch dazu führen könne, etwas dünnere Bäume noch schnell zu fällen. Für die CDU kündigte Frank Medenwald an, den Antrag "empört abzulehnen". Er kritisierte vor allem, dass die Vorlage mit dem Satzungsentwurf erst einen Tag vor der Ratssitzung bei der CDU eingegangen sei. "Wir werden überrumpelt, um so etwas zu beschließen", so Medenwald. Inhaltlich gebe es gute Gründe dafür und dagegen, aber die Form sei nicht akzeptabel. Karin Hanschmann (SPD) sagte, sie könne die Kritik zwar verstehen, aber die Stadt wisse gar nicht, wie viele Bäume auf privaten Grundstücken tatsächlich gefällt würden. Insofern sei die Satzung "eine Art Notbremse". Johanna König (Grüne) betonte mit Blick auf die Beratungen zur Baumschutzsatzung, dass ein Katalog schützenswerter Bäume in Arbeitsgruppen entwickelt werden solle. Mit der Sicherstellung wolle die Stadt "Zeit gewinnen, um in Ruhe zu beraten". Wichtig sei zunächst, die Bäume im Stadtbild zu erhalten. Gerade alte Menschen würden sich im Sommer über den Schatten freuen. "Es gibt auch einen erhöhten Bedarf nach mehr Geld für schützenswerte Bäume. Wir wollen parallel die Bürger unterstützen", betonte König. Auch Brockmann nannte das Förderprogramm für den Erhalt der ortsbildprägenden Bäume einen Beweis dafür, dass die Menschen die Bäume erhalten wollten. "Die Satzung ist kein Misstrauen, aber es gibt einzelne Menschen, die keine Rücksicht nehmen", so der Verwaltungschef.

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