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Storchenpflegestation Verden Adebars Mutter

Petra Müller kümmert sich seit über 17 Jahren um verletzte Störche und päppelt deren Nachwuchs per Hand auf. Unterstützung bekommt sie dabei von Wildstorchbetreuer Joachim Winter.
18.06.2021, 17:14 Uhr
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Adebars Mutter
Von Philipp Zehl

Wenn sich ein Storch im Landkreis Verden verletzt hat oder die Eltern nicht mehr in der Lage sind, sich um den eigenen Nachwuchs zu kümmern, dann ist Petra Müller zur Stelle. Seit über 17 Jahren kümmert sich die Leiterin der Storchenpflegestation ehrenamtlich um das Wohl der Tiere.

Derzeit hat Müller sechs Jungstörche in Pflege. "Der Jüngste ist drei Wochen alt und die Ältesten sind circa acht bis neun Wochen", erklärt die Leiterin. Dementsprechend seien die Tiere unterschiedlich weit entwickelt. Nachdem Müller die Baby-Störche zunächst per Hand in einem Anbau auf ihrem Hof aufgezogen hatte – dort hat sie Nester aus Reifen gebaut und Wärmelampen aufgehängt – sind die Jungtiere vor Kurzem hinüber in die Storchenstation gezogen.

"Die drei Großen mussten wir aus ihrem Nest holen, weil ein Elternteil tödlich verunglückt ist", erzählt Müller. Denn lediglich ein Storch alleine könne sich nicht um seinen Nachwuchs kümmern. Zudem habe sie einen aus dem Nest herausgeschmissenen Vogel lebend bergen und aufpäppeln können, erklärt sie weiter.

Baumnest abgestürzt

Einen weiteren Jungstorch konnte Müller ganz in der Nähe der Pflegestation aufgreifen. "Das komplette Baumnest ist abgestürzt." Während zwei der Jungstörche den Absturz nicht überlebten, konnte Müller wenigstens einen retten. Letzter im Bunde sei der aktuell kleinste Storch, der ihr zunächst viel Kummer bereitet habe. Seine Eltern sind das flugunfähige Paar, das das gesamte Jahr über in dem Gehege lebt und einen Bodennistplatz gebaut hat. Insgesamt zwei Jungtiere hatte das Paar, wovon eines nicht überlebte.

Im Vergleich zu 2020 ist die Zahl an tierischen Patienten, die Müller versorgt, ähnlich. „Im ergangenen Jahr hatte ich sieben Storchenjungen, die betreut werden mussten“, erklärt die Leiterin. Gewöhnlich seien es zwischen fünf bis acht Jungtiere. „Es gab aber auch ein Jahr, da hatten wir null Storche und ein Jahr, da waren es sogar 20.“ Diese hohe Anzahl an aufzuziehenden Jungstörchen habe vor allem mit dem damaligen Wetter zu tun gehabt.

„Damals hat es so stark geregnet, dass die Nester wortwörtlich abgesoffen sind und die Jungtiere am Ertrinken waren“, erinnert sie sich zurück. Selbst mit Werkzeug sei man nicht durch die verdichteten Nester gekommen, um das Wasser abfließen zu lassen. Die Tiere habe sie selbst mit einem 25-Meter-Steiger aus den Nestern geholt. Während Nässe eine große Gefahr für die Vögel mit sich bringe, setze die Hitze den Störchen nicht zu. Selbst Kälte mit Temperaturen bis minus 20 Grad beeinflusse die Vögel nicht großartig. "Bei Trockenheit und gefrorenem Boden gibt es jedoch kaum Futter“, sagt Müller. 

183 ausgeflogene Jungstörche

Im Gegensatz zu frei lebenden Vögeln, die in der Wildnis unter anderem Regenwürmer und Mäuse im Ganzen in den Schlund nehmen und später herauswürgen, füttert Müller ihre Zöglinge mit Fisch und zerkleinerten Küken. Dies sei die Hauptnahrungsquelle der Jungtiere, die sie groß ziehe. Ihr ist im Laufe der Jahre aufgefallen, dass „ein freies Leben für die Tiere wichtiger ist als sich von einer Fütterung abhängig zu machen“.

Weiter hat sie bemerkt, dass der Landkreis Verden und insbesondere der an die Storchenstation angrenzende Sachsenhain ein sehr beliebtes Gebiet für die ist, um sich niederzulassen und Nachwuchs groß zuziehen. Die Angaben Müllers bestätigt auch Joachim Winter, Wildstorchbetreuer des Landkreises Verden: "Im vergangenen Jahr sind rund 183 Jungstörche ausgeflogen", erinnert sich Winter. 2019 habe es mit 199 ausgeflogenen Jungstörchen gar ein wenig mehr Nachwuchs gegeben. „Im vergangenen Jahr gab es im Landkreis 97 Horstpaare ohne Nachwuchs und 83 Horstpaare mit ausgeflogenen Jungen“, sagt Winter.

Nach Angaben des Wildstorchbetreuers bevorzugen die Tiere in der Region vor allem zwei Varianten an Nistplätzen: Baum- sowie Masthorste. "Insgesamt gibt es drei Arten an Horsten. Die ursprüngliche Form, den Baumhorst, dann den Masthorst und den Dachhorst“, erklärt Winter. Während der Baumhorst optimal für die Störche sei, werde der Dachhorst von diesen nicht so gut angenommen. Ursache dafür ist, dass die Tiere und der Nachwuchs leichte Beute für Feinde wie den Marder sind. Deshalb ist die sicherste Variante für die Störche der Mast, um zu brüten.

Ost- und Westzieher

Apropos Brut: „Vom Tag des Schlüpfens bis hin zum Vollselbstversorger dürfen es nicht länger als drei Monate sein“, sagt die ehrenamtliche Leiterin. Aus diesem Grund beginnt Müller nach knapp acht Wochen damit, die Tiere auszuwildern, damit sie auf eigenen Beinen stehen können. „Während die Paare auf ihr altes Nest zurückkehren, kommen die Jungtiere später nicht mehr zurück.“ Dahinter verberge sich folgender Grund: „Die Männchen bleiben ihrem Nest treu und die Weibchen ihrem Partner“, weiß sie.

Wann der jeweilige Storch in den Landkreis zurückkehrt, hängt jedoch von seinem Winterquartier ab: „Es gibt Ost- und Westzieher. Circa 80 Prozent der Storche sind Westzieher, die beispielsweise in Spanien überwintern“, erklärt Wildstorchbetreuer Winter. Somit seien einige Vögel früher wieder im Landkreis vorzufinden als andere. Immer seltener würden die Ostzieher bis nach Afrika fliegen, sondern zum Bosporus, ergänzt er.

Jedoch besorge es ihn sehr, dass „viele Storche immer früher kommen und dementsprechend auch früher ihre Eier brüten“. Denn gerade in der nasskalten Zeit ist es für junge Storche sehr gefährlich – unter anderem besteht die Gefahr einer Lungenentzündung.

Neben den natürlichen Todesursachen wie Krankheiten oder durch tierische Feinde sind einige Störche in den vergangenen Jahren jedoch auch direkt oder indirekt durch Menschenhand gestorben. Während ihrer Amtszeit hat Müller bereits viel erlebt: „Vor einigen Jahren hatten wir einen Storch entdeckt, der von einem Tierhasser erschossen wurde", erinnert sie sich zurück. Wiederum andere Vögel seien mit Vergiftungen zurückkehrt. Vermutlich hätten diese mit Rattengift vergiftete Mäuse und Ratten auf Mülldeponien gefressen. Sofern es noch möglich sei, behandele sie die betroffenen Vögel medikamentös. Wenn nicht, müsse das Tier eingeschläfert werden. Nicht immer kann jedes Tier gerettet werden, doch Petra Müller und Joachim Winter tun weiterhin ihr Bestes, um möglichst vielen Störchen zu helfen, auf eigenen Beinen zu stehen.

Zur Sache

Die Storchenpflegestation

Bereits 1962 hatte das Ehepaar Helmut und Gerda Storch auf ihrem Grundstück in der Ortschaft Eitze deutschlandweit die erste Storchenpflegestation errichtet. Wegen eines Umzugs verlegten die Eheleute die Station 1972 nach Verden-Dauelsen, wie der Landkreis Verden mitteilt.

Helmut Storch musste im Jahr 2002 den Betrieb der Station nach mehr als 40 Jahren aus gesundheitlichen Gründen abgeben. Bis dato hätten er und seine Frau Gerda über 500 kranke und verletzte Storche gepflegt. Die Nachfolge hat Petra Müller angetreten. „Seit 2006 wird die Station von dem eigens dafür gegründeten Förderverein zum Schutze des Weißstorches im Landkreis Verden unterhalten“, so die Behörde.

Ziel des Vereins ist es unter anderem, über Mitgliedsbeiträge, Spenden und Sponsorenbeiträge die laufenden Betriebs- und Unterhaltungskosten für die Storchenpflegestation aufzubringen.

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