Dass sie in hemdsärmelig ist, hat Niedersachsens Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Daniela Behrens (SPD) bereits 2015 bei der Lätare-Spende in Verden bewiesen. Am Sonntag, 27. März, schlüpft die damalige Staatssekretärin im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr erneut in die langen Gummihandschuhe, greift beherzt in das Heringsfass und bringt frischen Fisch auf dem Verdener Rathausplatz unter die Leute. Beim Verteilen von Brot und Heringen stehen ihr diesmal Kristina Vogt (Die Linke), Bremer Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa, sowie ein echter Ostfriese zur Seite. Johann Saathoff (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär bei der neuen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), legt sich im Hohen Haus in Berlin gern schon einmal auf Plattdeutsch mit der AfD-Fraktion an und wird bestimmt auch in der Allerstadt den ein oder anderen Schnack halten.
Vogt, Mitglied der rot-rot-grünen Koalition in der Hansestadt, lernen die Verdener nun endlich live und in Farbe kennen, hat sie doch im vergangenen Jahr Corona-bedingt lediglich ein digitales Grußwort an die Allerstädter richten können. Mit Saathoff, Behrens und Vogt sind also wieder politische Ehrengäste aus Bund, Land und Bremer Senat in Verden vertreten.
Nach Jahrhunderten findet die traditionsreiche Verdener Lätare-Spende nun das erste Mal an ihrem namensgebenden Sonntag, sprich an Lätare, statt und wird die anlassgebende Veranstaltung für den verkaufsoffenen Sonntag in der Verdener City sein. „Lebendig bleiben kann nur, was sich verändert“, sagt Verdens Bürgermeister und Gastgeber Lutz Brockmann im Hinblick auf die Terminverschiebung.
Angelika Revermann, Leiterin der Abteilung Stadtmarketing und Tourismus im Rathaus Verden, ergänzt: "Durch die Verlegung auf einen Sonntag können in diesem Jahr viele Menschen und Familien mit Kindern an der Lätare-Spende teilnehmen". Für alle, die nicht ganz so kirchenfest sind: Der Sonntag Lätare findet jeweils drei Wochen vor Ostern statt und bedeutet soviel wie "Freuet Euch".
Seemannsgarn und Schlagabtausch
Die Lätare-Spende geht der Legende nach auf Störtebekers Vermächtnis zurück. Kurz vor seiner Hinrichtung im Jahr 1401 auf dem Hamburger Grasbrook soll der berühmte Seeräuber bestimmt haben, dass jährlich Brot und Heringe an die Verdener Bevölkerung gespendet werden. Zur Verbüßung der sieben Todsünden – Hochmut, Geiz, Wollust, Völlerei, Neid, Zorn und Trägheit des Herzens – soll der Rotbart dem Verdener Dom darüber hinaus auch noch sieben Kirchenfenster gestiftet haben.
Das Rahmenprogramm mit Walking Acts und Big Band startet am 27. März um 13:30 Uhr auf dem Verdener Rathausplatz. Unterhalten werden die Besucher diesmal vom Shanty Chor Verden sowie dem singenden und musizierenden Seemann Nagelritz. Dritter im Bunde ist Kapitän Flunker, der die Kids vor dem Rathaus bespaßt. Kulinarisches rund um Fisch und Brot runden das Angebot ab.

Der Mann mit dem Schifferklavier: Nagelritz.
Um 15.30 Uhr wird Störtebeker dann mit seinem mittelalterlichen Gefolge die Bühne betreten und nach Schauspiel und Schlagabtausch mit den Ehrengästen rund 530 Brote und 1600 Heringe verteilen. "Salzheringe waren am Ende des harten Winters Jahrhunderte lang ein wichtiges Lebensmittel für die Menschen. Heute ist er allerdings fast ganz vom Speiseplan verschwunden, denn die Zubereitung kann schon eine besondere Herausforderung sein", erzählt Revermann.
Das Brot, der sogenannte Störtebeker Steven, wird wieder in der "Seeräuber-Backstube" der Verdener Traditionsbäckerei Baalk gebacken und traditionell auch an die Kunden der Verdener Tafel ausgegeben. Was ist das Besondere an diesem rund 700 Gramm schweren Roggenmischbrot? „Es ist ein Brot mit Ecken und Kanten“, findet Bäckermeister Christoph Baalk. Raue Schale, weicher Kern – diese Charaktereigenschaften träfen sowohl auf Störtebeker als auch auf das Schrotbrot zu. Für die Rolle des Seeräubers färbt sich Schauspieler Bernd Maas aus Kirchlinteln seinen Bart übrigens ganz stilecht in Rot.
Zwei neue Ideen aus dem vergangenen Jahr, als die Lätare-Spende wegen der Pandemie ins Wasser gefallen ist, werden vielleicht auch zur Tradition: Zum einen werden wieder 400 Portionen Fisch in allen Verdener Alten- und Pflegeheimen serviert und zum anderen an alle Viertklässler aus den Verdener Grundschulen Heringe aus Schokolade verteilt. "Damit wird die Geschichte Verdens, die im Sachunterricht auf dem Lehrplan steht, bestimmt ein wenig versüßt", freut sich Revermann.