Die gestiegenen Preise für Kraftstoff und Heizung durch den Krieg in der Ukraine haben dazu geführt, dass die Zahl der Bedürftigen bei der Verdener Tafel wieder deutlich angestiegen ist. "Im vergangenen Corona-Jahr hatten wir sogar einen leichten Rückgang, aber seit dem Krieg in der Ukraine kommen auch wieder Gäste, die wir länger nicht gesehen haben", beschreibt Vorstandsmitglied Horst Neumann die Entwicklung. Aber nicht nur die bedürftigen Menschen spüren die Belastungen. Auch die Tafel selbst hat mit den gestiegenen Energiepreisen und anderen Auswirkungen zu kämpfen.
"Wir sind aber froh, dass wir im vergangenen Jahr trotz Corona nicht einen Tag schließen mussten", erzählt Vorsitzende Liane Schulz. Andere Tafeln hätten so viel Glück nicht gehabt und zeitweise ihren Service einstellen müssen. Allerdings seien in Verden mehrere Umbauten und Umstrukturierungen notwendig gewesen, um die notwendigen Abstände garantieren zu können. Das habe viel Mühe, aber auch Geld gekostet. "Mehr als 10.000 Euro mussten wir investieren, die wir durch Spenden und aus eigenen Mitteln aufgebracht haben", sagt Neumann.
Strom vom Dach
Und noch eine größere Investition hat die Tafel im vergangenen Jahr getätigt: Im Sommer wurde eine Fotovoltaikanlage mit rund 17 Kilowattstunden Leistung auf dem Dach installiert, seit Ende Januar ist die Anlage am Netz und produziert Strom – in erster Linie für den Eigenverbrauch. "Wir haben einen Batteriespeicher in dem die Energie gepuffert wird, sodass wir auch abends und nachts, wenn die Zellen nicht mehr produzieren, auf eigenen Strom zurückgreifen können", beschreibt Liane Schulz das Prinzip. An sonnigen Tagen könne die Tafel ihren Strombedarf komplett durch die Anlage abdecken. Dafür hat die Tafel insgesamt 40.000 Euro investiert, die Hälfte, also 20.000 Euro, hat die Stadt Verden zugeschossen.
Durch die Stromerzeugung spürt die Tafel die steigenden Energiekosten zwar etwas weniger als andere Einrichtungen, die Kosten für Kraftstoff machen der Einrichtung aber dennoch zu schaffen. Die Tafel hat täglich zwei große Kühlfahrzeuge sowie einen Kleintransporter im Einsatz. "Für die laufenden Kosten bekommen wir keine Zuschüsse", sagt Horst Neumann. Mit den Fahrzeugen machen die ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihre morgendliche Tour zu den Supermärkten, Discountern und sonstigen Lebensmittelspendern, um die Waren abzuholen. Etwa 20.000 Euro muss die Tafel pro Jahr für Kraftstoff und Kfz-Versicherung aufwenden, Tendenz steigend.
"Gespendet werden Lebensmittel, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum endet, die leicht beschädigt sind oder einfach nicht mehr so schön aussehen", erklärt Liane Schulz. "Wir geben allerdings nur aus, was wir selbst auch essen würden", betont die Vorsitzende.
Viele Tonnen Lebensmittel
Wie viele Tonnen Lebensmittel pro Jahr oder auch nur pro Monat von der Tafel abgeholt, sortiert und verteilt werden, können die Mitarbeiter nicht einmal schätzen. "Manchmal haben wir hier alleine zehn Kisten Bananen, weil die nicht verkauft worden sind. Dazu kommen die vielen anderen Waren." Es seien jedenfalls sehr viele Tonnen Lebensmittel, da sind sich die Helfer einig.
Allerdings sei die Menge der gespendeten Lebensmittel im Zuge der Ukraine-Krise weniger geworden. "Viele Märkte geben die Restbestände selbst für einen reduzierten Preis ab. Auch die Mengen, die vorgehalten werden, sind offenbar nicht mehr so üppig, denn die Logistik, Schiffscontainer sowie die Produkte selbst sind deutlich teurer geworden oder preislich sogar durch die Decke gegangen", erklärt Liane Schulz. Teilweise würden die Spenden auch gleich in die Ukraine zu den notleidenden Menschen geliefert.
Aber auch die Bedürftigkeit in Verden habe in der jüngeren Vergangenheit stark zugenommen. "Wir haben zurzeit bis zu 20 Prozent mehr Gäste als in normalen Zeiten", sagt Neumann. Aktuell kommen tagtäglich etwa 200 Menschen zur Ulanenstraße 19, um dort Lebensmittel in Empfang zu nehmen. Dafür erhebt die Tafel einen symbolischen Betrag von pauschal drei Euro für Erwachsene, 50 Cent für Kinder und höchstens acht Euro für Familien. Dafür gebe es im Gegenzug einen großen Korb voll mit Lebensmitteln. "Wir müssen etwas Geld einnehmen, weil wir ja auch Kosten haben und sonst den Betrieb nicht gewährleisten könnten. In jedem Fall kommen die Einnahmen, auch alle Spenden, voll der Tafel zugute", betont Liane Schulz. Im vergangenen Jahr betrug das Budget der Tafel 92.000 Euro, die allerdings auch ausgegeben wurden. Wer berechtigt ist, Lebensmittel zu empfangen, bekommt von der Tafel einen Ausweis, der auch kontrolliert wird. "Wir sind nicht kleinkariert", sagt Liane Schulz, "aber irgendwo müssen wir die Grenze ziehen".
Helfer arbeiten ehrenamtlich
Personalkosten fallen in der Tafel nicht an, obwohl dort jeden Tag 15 Helfer im Einsatz sind. "Da nicht jeder an jedem Tag arbeitet, brauchen wir pro Woche etwa 60 Leute", sagt Neumann. Alle sind ehrenamtlich tätig, mit Ausnahme von zwei Ein-Euro-Jobbern, die vom Landkreis bezahlt werden. Liane Schulz beispielsweise ist im vorzeitigen Ruhestand zur Tafel gekommen, um sich ehrenamtlich zu betätigen. "Ich habe es immer gutgehabt und wollte einfach etwas zurückgeben", beschreibt sie ihre Motivation. Das bestätigt Horst Neumann, zumal es immer etwas zu tun gebe. "Manchmal kommt man kurz vorbei, um mit den anderen einen Kaffee zu trinken, und ist nach zwei Stunden immer noch da, weil gerade so viel zu erledigen ist."