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Trompeter spricht über seine Karriere Vor dem Konzert in Verden: Rüdiger Baldauf im Interview

Vor dem Konzert in Verden mit Max Mutzke spricht Trompeter Rüdiger Baldauf im Interview über seine bewegte Karriere und wie er die coronabedingte Zeit ohne Auftritte bewältigt hat.
25.07.2021, 15:50 Uhr
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Von Susanne Ehrlich

Herr Baldauf, Sie sind ja eher große Hallen und erstrangige Klubs gewohnt. Wie wird es sich anfühlen, auf einem kleinen Festival in einer Kleinstadt zu spielen?

Ich spiele besonders gerne in kleinen Locations, weil man viel näher an den Fans ist. Vor allem, wenn man eigene Sachen spielen kann und die Menschen da so mit einem mitgehen – das ist noch schöner als Weihnachten! In der großen Besetzung bin ich meist in größeren Hallen, aber mit der kleinen Besetzung spiele ich oft in kleinen Klubs. Und hier in Verden kann ich beides haben: die große Besetzung und die persönliche Atmosphäre!

Von 2003 bis 2015 waren Sie der Trompeter der Heavytones bei TV Total. Stammt die musikalische Beziehung zu Max Mutzke aus dieser Zeit?

Ja, ich habe ihn 2004 bei Stefan Raab kennen gelernt, und wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Wir sind dann immer in Kontakt geblieben, und 2009 hat er auf meiner ersten eigenen CD-Produktion "Own Style" mit meiner Frau Chrissy ein Duo gesungen, das hat mich richtig begeistert. Und da habe ihn gefragt, ob er auch mal live mit mir etwas machen würde. Mit der Zeit ist daraus eine wirkliche Freundschaft geworden und eine tolle Zusammenarbeit. Wir sprechen ausführlich über die Programme und entwickeln unsere Ideen gemeinsam, auch für unser Konzert in Verden, man spürt die gemeinsame Wellenlänge.

Sie waren in den 80er und 90er Jahren mit einer Reihe bedeutender Orchester wie dem United Jazz & Rock Ensemble, dem Orchester Paul Kuhn oder der WDR Big Band unterwegs, haben Superstars wie Udo Jürgens, Ray Charles, Lionel Richie, Seal, Liza Minelli oder Barbra Streisand begleitet und an über 100 Studioalben mitgearbeitet. Vor genau 10 Jahren haben Sie dann angefangen, eigene Alben zu produzieren und selbstständig Konzerte zu planen. Wie kam es dazu?

Ich war ja früher immer nur als Auftragsmusiker unterwegs, und dann wollte ich unbedingt ein eigenes künstlerisches Profil entwickeln. Dazu hatte ich ja sonst nie Zeit. Und ich hatte so viele Kontakte zu Musikern, mit denen ich gern mal mit meiner Band spielen wollte. Gleich bei meiner ersten Produktion "Own Style" war dann ja Max Mutzke dabei, und auch Till Brönner und Nils Landgren haben mitgespielt. Aus „Own Style" hat sich dann eine ganze Konzertreihe entwickelt. Max ist auch bei "Strawberry Fields" zu Gast, und sowieso habe ich auf allen Alben wunderbare Gäste, wie zum Beispiel auf meinem Album „Vocal Night“ den unvergessenen Edo Zanki. Auf der dann folgenden CD „Jackson Trip“ konnten wir unter anderem den amerikanischen Star-Saxophonisten Bill Evans ins Boot holen.

A propos "Jackson Trip" und "Strawberry Fields". Was hat Sie dazu inspiriert, gerade diese beiden Titanen in Jazz zu interpretieren? 

Mich hat es gerade gereizt, dass jeder diese Themen kennt, das die Musik einen enormen Wiedererkennungswert hat und die Songs gleichzeitig einfach fundierte Vorlagen sind. Außerdem: Mit den Beatles bin ich aufgewachsen, und "Come Together" war meine allererste Single. Wenn man sich Musik von solcher Größenordnung vornimmt, muss man selbst auch was zu bieten haben. Auch die Musik von Michael Jackson ist eine spannende Herausforderung, zumal sie immer erstmal ohne die Dimension „Gesang“ zum Klingen gebracht werden muss. Und diese Versionen sind weit entfernt vom Covern, das ist ja etwas völlig Neues. "Strawberry Fields" war bei JPC zwei Wochen auf Platz eins, und wir hatten mit dem Programm ja eine große Tournee geplant. Wenn Corona nicht gewesen wäre, wäre das durch die Decke gegangen!

Sie haben mit so vielen Weltstars auf der Bühne gestanden. Sicher haben Sie einen riesigen Koffer voll Erinnerungen. Was war Ihr beeindruckendstes Erlebnis? 

Ach, da gibt es eine ganze Menge. Einmal war James Brown in der Sendung TV Total zu Gast. Aber er hatte vorher extra erklärt, er wolle keinen Ton singen, nur reden. Aber dann hat Stefan Raab ihn einfach auf die Bühne geholt, und er hat losgelegt, total spontan. Und dann hat er gesagt, "That was fun, guys!" Oder die Begegnung mit Barbra Streisand, das ist eine begnadete Sängerin. Als ich den Anruf von der Agentur bekam, war ich sprachlos. Ich musste mich echt zusammenreißen, nicht loszujubeln. Für sie hätte ich ja sogar umsonst gespielt! Die beiden Konzerte mit ihr werden immer in meiner Erinnerung bleiben. Für mich spielt es eine wichtige Rolle, wie jemand als Mensch ist, nicht nur, wie er als Musiker ist. Da staunt man oft, wenn man die Stars näher kennen lernt. Zum Beispiel Caterina Valente, die kam vor den Auftritten immer in unsere Musiker-Garderobe, im Bademantel und mit dicker Brille, und wollte noch ein bisschen mit uns jammen. Dann hat sie mit uns brasilianische Songs gesungen, das war unglaublich schön. Und sie hat sich echt für uns Musiker interessiert. Sie wusste sogar noch nach zwei Jahren, wie meine Kinder heißen und hat sich nach ihnen erkundigt!

Sie haben ja eine ganz normale klassische Ausbildung gemacht und 1987 in Berlin Ihr Konzertexamen abgelegt. Aber dann wurde aus Ihnen ein Vollblut-Jazzer. Warum haben Sie sich damals von der Klassik abgewandt?

Also zum einen wollte ich nie in einem Sinfonieorchester spielen, und eine Karriere als klassischer Solist kam für mich auch nicht in Frage, ich fand, da gab es wirklich bessere als mich. Ich hatte schon als Jugendlicher eine große Affinität zu Pop und Jazz. Vielleicht gerade weil bei uns zu Hause nur Klassik gehört wurde. Da hatte ich das Gefühl, man wollte mich in eine Richtung schieben, in die ich gar nicht wollte. Zum Glück wurde ich noch am Tag meines Konzertexamens als Dozent für Jazztrompete an der Musikhochschule Köln engagiert.

Und wie ist Ihre Beziehung zur Klassik heute? Ist sie sozusagen Ihre "Nebenliebe" ?

Ja, ich höre schon seit langer Zeit wieder sehr viel Klassik. Am meisten mag ich natürlich das Sinfonische, Strauss oder Bruckner, aber ich liebe auch Bach, ich habe ja früher lange Bach-Trompete gespielt.

Man sagt, Ihre Karriere begann im Alter von fünf Jahren auf einer Plastiktrompete auf dem Kölner Karneval. Wahrheit oder Legende?

Na, das war vielleicht noch eher Zufall, aber mit sechs Jahren habe ich Max Gregers Band und besonders seinen Solotrompeter Etienne Cap bewundert. Den habe ich übrigens viele Jahre später getroffen und wir haben uns super verstanden. Und mit acht Jahren habe ich ein Konzert mit Maurice André erlebt, das hat mich total geflasht. Und da habe ich meinen Eltern gesagt, dass ich unbedingt Trompete lernen wollte. Das Flügelhorn habe ich entdeckt durch den Meister Ack von Rooyen aus den Niederlanden, da war ich 13. Heute bin ich immer noch mit Ack befreundet, er ist jetzt 91 und spielt immer noch fantastisch!

Sie geben ja auch sehr viel Privatunterricht, machen Workshops und haben immer wieder als Dozent gearbeitet, wie zum Beispiel als Gastdozent der Folkwang-Universität der Künste. Was bedeutet Ihnen das Unterrichten?

Es ist ein großes Glücksgefühl, wenn man jungen Menschen dabei helfen kann, ihren eigenen musikalischen Weg zu finden. Wenn das gut funktioniert, dann ist das ist beinahe noch schöner als ein Konzert!

Wie alle Musiker haben sie ja gerade eine ziemlich katastrophale Zeit hinter sich. Wie sind sie mit der Corona-Zwangspause umgegangen?

Die ersten Wochen, als wirklich alles abgesagt werden musste, hat man wohl in einer Art Verzweiflungs-Lethargie verbracht, aber das konnte ich nach einer Zeit ablegen. Bei mir jedenfalls kamen auch die staatlichen Hilfen an, wofür ich dankbar bin, und dann hatte ich ja genug Zeit, mir zu überlegen, was ich schon immer mal machen wollte. Ich habe eine ganze Reihe von Playalongs für meine Schüler gemacht. Und ich habe Methoden für Zoom-Unterricht gefunden, die gut funktionieren. Dadurch habe ich jetzt sogar viel mehr Schüler, auch aus anderen Ländern. Auch Laien aus ganz anderen Berufen, die im normalen Alltag nie Zeit hätten, zu mir zum Unterricht zu kommen, die können das jetzt per Zoom machen, entweder regelmäßig oder ganz nach Bedarf. Das alles hat mir einen ganz neuen Schub gegeben. Ich habe es geschafft, in dieser scheinbar ausweglosen Situation einen Weg zu finden, und jetzt fühle ich mich sogar richtig gut damit. Ich weiß aber auch, dass es andere viel schwerer erwischt hat. Ich kann mir mein Leben schön einrichten, mit Familie, Hund und Haus, kann in Ruhe alle meine Projekte machen. Und jetzt geht es ja auch langsam wieder mit den Konzerten los, das hat mir – und wohl allen Musikern – am allermeisten gefehlt.

Und dem Publikum hat die Live-Musik auch so sehr gefehlt. Die Freude ist also ganz auf unserer Seite.

Zur Person

Rüdiger Baldauf ist am Freitag, 30. Juli, in Verden zu Gast. Beim Open-Air-Festival auf dem Domplatz wird er ab 19 Uhr mit Max Mutzke auf der Bühne stehen. Tickets gibt es in der Geschäftsstelle der VERDENER NACHRICHTEN sowie in den Verkaufsstellen des WESER-KURIER.

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