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Probleme im Mischgebiet Idylle mit einigen Störfaktoren

Industrieansiedlungen und Wohngebiet liegen im Gebiet Maulhoop nahe beieinander. Das Wachstum der Vemag macht Anwohnern zunehmenden zu schaffen.
21.03.2022, 16:27 Uhr
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Idylle mit einigen Störfaktoren
Von Marie Lührs

Die ersten Blumen blühen, die Vögel zwitschern und bald sollen auch wieder Wildbienen summen. Es ist idyllisch im Garten von Familie Hauschild. Seit sie ans Maulhoop gezogen sind, hat sich dort einiges getan. In die Grünfläche hinter ihrem Haus haben die Bewohner viel Arbeit gesteckt. Doch auch auf dem angrenzenden Grundstück an der Weserstraße hat sich eine Menge verändert. Dort ist das Unternehmen Vemag ansässig und das stört allzu oft die Idylle, kritisieren die Anwohner. Piepende Gabelstapler, knallende Autotüren, brummende Lüftungsanlagen, nächtliche Beleuchtung – die Liste an Ärgernissen von Carsten Hauschild ist schon jetzt lang. Dass die Vemag sich in den kommenden Jahren weiter vergrößern möchte, lässt ihn Böses ahnen.

"Trump Tower"

Vor einigen Jahren konnten die Bewohner noch vom Grundstück aus den Sonnenuntergang hinter den Allerwiesen bewundern. Dass dieser Luxus nicht von Dauer sein würde, war ihnen klar. Dass nun allerdings ein Hallenneubau schon am Nachmittag die Gärten mit Schatten überzieht, hatten sie jedoch nicht erwartet. Während die Fertigungshalle, die ans Grundstück grenzt, nur ein Stockwerk hoch ist, ragt der angrenzende Neubau gleich doppelt so hoch in die Luft. "Trump Tower", so nennen Hauschild und seine Nachbarn den Klotz. Visualisierungen des Gebäudes vor Baubeginn hätten nicht gezeigt, wie massiv es in der Realität aussehen würde, kritisiert er. Das fehlende Sonnenlicht drückt allerdings nicht nur aufs Gemüt der Nachbarschaft, sondern führt auch zu einer verminderten Ausbeute der Solaranlagen auf Hauschilds Dach. Noch härter hätten es seine nördlichen Nachbarn getroffen, die noch früher vom Schatten überzogen würden. Fast zeitgleich macht sich ein fast gegenteiliges Problem bemerkbar: Denn bevor die Sonne hinter dem Neubau verschwinde, strahle sie auf dessen metallene Fassade, die das gleißende Licht wiederum spiegle und so in den Augen brenne, erzählt Hauschild.

Wände reflektieren Schall und Licht

Doch nicht nur die Optik des Neubaus ist ein Problem. Die massiven Wände reflektieren neben Sonnenlicht auch Schall. Und so hören die Nachbarn in ihren Gärten plötzlich Zuglärm, der zuvor fast unbemerkt über die Einfamilienhäuser hinweggezogen war, nun allerdings von der Fassade der Halle zurück in ihre Gärten geworfen wird. Eine Begrünung der Fläche könne den Schall schlucken, sieht Hauschild eine Lösungsmöglichkeit. Das Grün könne sich zudem positiv auf das Stadtklima auswirken, nennt er einen weiteren Vorteil.

Und dann ist da noch die Beleuchtung. Abgeschaltet werde sie kaum, lautet Hauschilds Beobachtung. Mit zahlreichen Fotos hat er dokumentiert, dass auch weit nach 23 Uhr die Oberlichter noch strahlen – unabhängig davon, ob in den Hallen noch gearbeitet wird oder nicht.

Nächtliche Ruhestörungen

Genau wie seine Kinder schlafen auch seine Frau und er in Zimmer mit Fenstern Richtung Garten. Im Sommer bei offenem Fenster sei das kaum möglich. Knallende Autotüren, laute Gespräche der Mitarbeitenden beim Schichtwechsel, das Piepen von rückwärts fahrenden Gabelstaplern, der Lärm, der durch die offenen Rolltore der Hallen nach draußen dringe – all das bringe sie immer wieder um den Schlaf, klagt der Familienvater. Die Hallenbeleuchtung durch die Oberlichter mache die Nachttischlampen im heimischen Schlafzimmer nahezu obsolet. "Das geht einfach nicht", macht Hauschild deutlich. "Meine Kinder müssen für die Schule gut ausgeruht sein." Und auch die Erwachsenen bräuchten ihren Schlaf, um bei der Arbeit leistungsfähig zu sein. 

In Sachen Lärm und Lichtverschmutzung stellt die Vemag auf Nachfrage Verbesserungen in Aussicht. Die Beleuchtung der Produktionshallen wurde bereits weitestgehend auf LED umgestellt, erklärt Andreas Bruns, vorsitzender Geschäftsführer. Als Nächstes soll eine intelligente Lichtsteuerung eingerichtet werden. "Damit wird die Beleuchtung der Hallen noch besser programmier- und steuerbar", erläutert er. Mit diesem Schritt will das Unternehmen nicht nur der Nachbarschaft entgegenkommen, sondern auch den Energieverbrauch senken. Das komme wiederum auch der Umwelt zugute. Künftig sollen zudem sukzessive ältere Produktionsanlagen durch neue Einheiten ersetzt werden, "um mögliche Geräusche weiter einzudämmen". 

Vemag will wachsen

Im nördlichen Bereich der Weserstraße möchte die Vemag künftig weitere Parkflächen für ihre Mitarbeitenden schaffen. Ein entsprechender Antrag zur Flächenplanänderung nahe der Kläranlage ging bereits durch die städtischen Gremien und sorgt bei Hauschild für weitere Befürchtungen. "Die Vemag ist ein hochspezialisierter Betrieb. Ich freue mich, dass wir so was in Verden haben", sagt er. Aber man müsse aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und frühzeitig die Konsequenzen von Bauvorhaben nahe Wohngebieten im Blick haben. Er hofft darauf, dass sich die Vemag für ein überdachtes Parkdeck entscheiden wird, um den Schall knallender Autotüren zu abzuhalten.

Über 800 Menschen arbeiten in Verden für das international tätige Unternehmen. 85 Prozent von ihnen leben in einem Umkreis von circa 40 Kilometern. "Die Möglichkeiten, auf öffentliche Verkehrsmittel zurückzugreifen, sind eher begrenzt", sagt Bruns. Entsprechend beliebt sei für viele die Anfahrt per Pkw. Mit Blick auf die steigende Belegschaft werde allerdings weiterhin die Anbindung an den ÖPNV geprüft. Flexible Arbeitszeitmodelle, Schichtbetrieb und wenige Ballungszeiträume erschweren jedoch den Anschluss. "Seit geraumer Zeit versuchen wir, unsere Mitarbeiter zur Nutzung des Fahrrades zu animieren", erklärt Bruns. Jobrad-Angebote und neue Stellplätze an der Weserstraße sollen den Umstieg attraktiver machen. 

Umzug keine Option

Ein Umzug des Unternehmens oder die Erweiterung an einem anderen Standort seien in der Vergangenheit sehr wohl diskutiert worden, sagt der Vorstand. Man habe sich allerdings dagegen entschieden. "Wir als Unternehmen fühlen uns mit der Stadt Verden und dem Standort an der Weserstraße eng verbunden", erläutert Bruns. Schließlich habe dort vor mehr als 75 Jahren die Unternehmensgeschichte begonnen. Die Parkplatzerweiterung, der Hallenneubau, die Erweiterung des Lagers und Baumöglichkeiten an der Ostseite der Weserstraße böten dem Unternehmen ausreichend Wachstumsspielraum für die Zukunft. Kürzlich sicherte sich der Betrieb Flächen von insgesamt 8000 Quadratmetern auf der Ostseite der Weserstraße.

Genau wie das Unternehmen fühlen sich auch Carsten Hauschild und seine Familie zwischen Gartenstadt und Allerwiesen wohl. Wegziehen? Das komme für sie eigentlich nicht infrage. Sie genießen die Nähe zur Innenstadt sowie die kurzen Wege und hoffen auf eine künftig bessere Nachbarschaft mit dem Großunternehmen.

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