„Es gibt so einige Werke, die meinen Nerv getroffen haben“, sagt Delia Nordhaus von der Wallerie über die Arbeiten der Dülmener Künstlerin Sabine Giese, die derzeit in der Galerie im Walle-Center ausstellt. „Künstlerisch ausdrucksstark“ nennt Delia Nordhaus die Werke Sabine Gieses. Und ausdrucksstark präsentieren sich die Werke auch. Nicht nur als bloße Objekte möchte Giese ihre Skulpturen verstanden wissen, sie sollen vielmehr auch etwas ausdrücken: „Ich möchte mit meinen Skulpturen bewegen“, sagt sie und verweist beispielsweise auf ihr „Grammophon“, das mit einer silbernen Schallplatte daherkommt und so aussieht, als wenn die Platte von sechs kleinen Helfern bewegt werden soll. Über dem Tonträger hängt eine Weltkugel an einem hölzernen Arm. Im Kasten des Grammophons werden ein weiterer Globus und eine Platine sichtbar: „Es geht ums Hören und Bewegen, und die Skulptur kann die Menschen zu etwas Positivem bewegen. Wir können alle etwas bewegen“, sagt sie, „darum geht es mir mit meinen Werken – wie gehe ich mit mir und mit anderen Menschen um.“
Die persönlichste Skulptur heißt "Beschützer"
Ihre persönlichste Skulptur steht gleich nebenan – sie heißt „Beschützer“ und ist ein Mikroskop, auf dessen Objekttisch eine Single liegt und darauf eine CD, worauf wiederum eine silberne Kugel thront. Okular und Tubus werden durch den schwarzen Aufsatz eines Haartrockners ersetzt, darauf diverse spitze Hütchen. Dominierend daneben dann ein Stück Holz aus dem Dülmener Wildpark, ein hellblaues Band läuft die Skulptur herunter. Ein Teil eines alten Bildes sei das blaue Band gewesen, sagt sie, und überhaupt nutze sie „alles, was mir in die Quere kommt. Ich möchte die alten Dinge zu einer anderen Aussage bewegen und verschiedenste Dinge zueinander und zu einer Einheit bringen.“
Eine länger währende Krankheit hat sie dazu bewogen, mehrere kleinere Werke zu erschaffen – 50 Stück, um genau zu sein: „Da wurde ich gerade 50 Jahre alt. Die Skulpturen stehen für mein Leben, denn das ist ja auch verrückt und nicht geradlinig.“ Dies sei die einzige Serie gewesen, an deren Arbeit sie nur Spaß gehabt habe, die einzigen Skulpturen, die nur aus Spaß an der Freud entstanden seien. „Spaß am Handwerken, am Basteln“, meint die gelernte Tischlerin. „Und es sind auch einige Werke verschenkt worden an Menschen, die mir während der Zeit geholfen haben.“ Die Idee dazu kam ihr nach der Krankheit: „Das gibt mir was“, sagt sie, „die Arbeit, das Handwerk, die Überlegung, die Reaktion: Das ist einfach schön. Und eine innerliche Freiheit, das machen zu können.“
Stehpult aus alten Videokassetten
Das schließt auch das Verwenden alter Videokassetten mit ein, die mit Video-Magnetband zu einem Stehpult verbunden worden sind, darauf dann ein Gerät, dass das Schneiden und Betrachten von Super-8-Filmen zulassen könnte. „Lebenslinien“ heißt die Arbeit. Und wer weiß, welche Leben sich auf den alten Bändern verewigt haben – oder welche Lebenslinie der Musiker beschritten hat, der den Instrumentenkoffer der Skulptur „Musik in der Stadt“ einst sein Eigen nennen durfte? Ein altes Buch über Musik steht auf dem hochkant aufgerichteten Koffer, darin ein paar Blätter einer Kreissäge, auf dem Buchdeckel ein maskenartiges Gesicht.
„Ich habe den ganzen Dachboden voller Klamotten“, erzählt Sabine Giese. „Ich kaufe die Sachen und warte, bis die Idee da ist. Oder ich fange einfach an.“ Seit Jahren bereits legen sie und ihr Mann Wert darauf, Dinge wiederzuverwenden, sodass die Verwendung gebrauchter Dinge für die Kunst für sie einfach nahe liege: „Ich wollte keine künstlichen Sachen kaufen, um sie weiterzuentwickeln, viel spannender sind alte Sachen. Und ich achte auch aufgrund der Umwelt darauf, ich finde es zu schade, dass die Dinge weggeworfen werden.“
Malen wurde langweilig, weil alle gemalt haben
Künstlerisch tätig ist Sabine Giese bereits seit ihrer Schulzeit, da hat sie noch gemalt. Doch irgendwann musste sie eine Pause einlegen, wie sie sagt: „Alle haben gemalt, das fand ich langweilig. Dann habe ich in Münster Upcycling-Kunst gesehen, aus Metall, das fand ich cool.“ Metall sei zwar nicht ihre Sache gewesen, dennoch habe sie die Idee des Upcyclings angesprochen: „Ich hatte schon immer einen Faible für alte Sachen, die fand ich schon immer interessant.“
Mit ihrer Wallerie verfolgt Delia Nordhaus seit einiger Zeit ebenfalls das Konzepts des Upcyclings. Kürzlich ist sie innerhalb des Walle-Centers in einen anderen Laden umgezogen, und sie geht davon aus, dort bis zum Ende des Jahres bleiben zu können. Wäre Corona nicht gewesen, hätte es in der Wallerie diverse Veranstaltungen zum Thema Upcycling, Wiederverwertung und allgemein auch dazu gegeben, wie es der Welt gehen könnte, würden mehr Menschen Dinge länger nutzen oder wiederverwenden. Nachhaltigkeitskurse wären in der Wallerie veranstaltet worden, doch vielleicht kommt noch der Bremer Surfer Chris Landrock vorbei und zeigt dann seinen Film „Athletes against Plastic“ über die Plastikverschmutzung der Meere – wenn es die Pandemie erlaubt. Delia Nordhaus bleibt gelassen: „Schauen wir mal.“