Gerade in der Weihnachtszeit und zum Jahreswechsel kommt bei Fischliebhabern gerne Aal auf den Tisch. Doch die Angler an der Mittelweser, beispielsweise die Dörverdener, sorgen sich nun über die angeblich hohe Dioxin- und PCB-Belastung der Fische. In Sachen Verbraucherschutz verweisen sie auf das benachbarte Bundesland Nordrhein-Westfalen, wo teilweise schon ein Vermarktungsstopp herrscht. Dörte Liebetruth (SPD), Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Verden, hat deshalb eine Anfrage an das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gestellt, deren Ergebnisse die besorgten Angler jedoch nicht wirklich überzeugen. Als leuchtendes Beispiel führen sie die Niederlande an, wo es eine Richtlinie bezüglich des Umgangs mit Aalfangverboten gibt.
Eine Untersuchung des Landes Niedersachsen förderte bereits vor fast zehn Jahren eine mehrfache Überschreitung der seinerzeit in Europa zulässigen Grenzwerte zutage. Die Angler kritisieren jedoch, dass in der damaligen Studie lediglich Ergebnisse und Statistiken zu Aalen aus der Unter- und Oberweser zu finden sind. Die Mittelweser sei dabei gar nicht berücksichtigt worden. Auf dem Abschnitt zwischen Bremen und Minden wird noch immer kommerzielle Aalfischerei betrieben. Experten weisen darauf hin, dass der Transport der mit Dioxinen und PCB verseuchten Sedimentfrachten im Bereich der Mittelweser aus sämtlichen Zuflüssen verlangsamt wird und sich diese später im Bereich der Wehre sammeln. Durch das kontinuierliche Ausbaggern der Fahrrinnen und dem anschließenden Wiedereinbringen an anderer Stelle verweilen die toxisch belasteten Sedimente folglich im Fluss, werden beispielsweise durch Hochwasser wieder aufgewirbelt. Aus diesem Grund vermuten die Angler, dass die in der Mittelweser beheimateten Aale erheblich stärker mit Umweltgiften kontaminiert sein könnten als die Fische in der Unter- oder Oberweser.
Aal nimmt viele Giftstoffe auf
Dioxine und dioxinähnliche PCB (Polychlorierte Biphenyle) sind in hohem Maße krebserregend. Da der Aal laut Umweltbundesamt mit durchschnittlich acht bis 15 Jahren eine vergleichsweise lange Zeit im Flusssystem lebt und sich von Kleinstlebewesen auf der Gewässersohle ernährt, nimmt er über die Nahrungskette viele Giftstoffe auf und lagert sie in seinem Körperfett ein. In einer vom Institut für Fische und Fischereierzeugnisse des Laves (Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) untersuchten Gewebeprobe von einem 800 Gramm schweren Aal aus Hoya soll die Gesamt-PCB-Belastung 2014 den zulässigen Höchstwert um ein zigfaches überstiegen haben. Nach Aussagen der Angler taucht der untersuchte Aal allerdings noch immer in keiner offiziellen Statistik auf.
Selbst wenn die Konsumenten nur 200 Gramm eines belasteten Aals mit 30 Pikogramm pro Gramm (durchschnittlicher Wert aus Hameln 2010/2011) zu sich nehmen, wird die empfohlene Menge von 14 Pikogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Woche für einen 60 Kilogramm schweren Menschen für etwa 15 Wochen ausgeschöpft. In den Niederlanden handelt es sich bei der Schließung von Gebieten für die Aalfischerei um ein präventives Vorhaben, durch das verhindert werden soll, dass Fische, welche die Verordnungsvorgaben nicht erfüllen, in den Verkehr gebracht und verzehrt werden.
Dörte Liebetruth wollte in ihrer Anfrage von der niedersächsischen Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Barbara Otte-Kinast (CDU), wissen, ob auch in Niedersachsen ein Unbedenklichkeitsnachweis wie in Nordrhein-Westfalen eingeführt werden soll.
Dem Ministerium zufolge ist der Lebensmittelunternehmer dafür verantwortlich, dass die in den Verkehr gebrachten Lebensmittel den Anforderungen des geltenden Rechts entsprechen.
Durch Eigenkontrollen könne beispielsweise die Belastung von Flussfischen mit Kontaminaten sowie die Eignung zum Verzehr überprüft werden. Die Einhaltung dieser Verpflichtung werde von den zuständigen Behörden überwacht. „Im Zuge von speziellen landes- und bundesweiten amtlichen Lebensmittelüberwachungsprogrammen werden in Niedersachsen regelmäßig Fische auf Dioxine und PCB untersucht“, betont Barbara Otte-Kinast. Würden höchstgehaltüberschreitende Ergebnisse festgestellt, leite die Überwachungsbehörde sofort die notwendigen Schritte ein.
Empfehlung zum Nichtverzehr
Angler fragen sich immer wieder, warum bei Aalen nicht wie bei anderen Tierarten auch eine Probe vom Fettanteil statt vom Muskelfleisch entnommen wird. Laut Ministerium würden die Fettgehalte der verschiedenen Fischarten zu stark variieren, um eine Vergleichbarkeit zu erzielen. Eine Änderung der europäischen Rechtsvorschriften sei daher nicht geplant.
Kritiker bemängeln, dass die Aale, die in Nordrhein-Westfalen nicht mehr ohne Unbedenklichkeitsnachweis vermarktet werden dürfen, in der Praxis die Landesgrenze zu Niedersachsen überqueren. Trotz Empfehlung zum Nichtverzehr besteht in Niedersachsen im Gegensatz zum Nachbarbundesland keine Einschränkung für die Vermarktung. Den Petrijüngern erscheint dieser Umstand umso merkwürdiger, da sich die Gewässergüte der Weser an der Landesgrenze nicht zwangsläufig verändert.