Im Prozess gegen den 33-jährigen Soldaten, der in der Nacht zum 1. März vergangenen Jahres im Kreis Rotenburg vier Menschen erschossen haben soll, sind am Dienstag die Plädoyers gehalten worden. Die Anträge waren identisch: Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung forderten eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen dreifachen Mordes, in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung. Der Angeklagte hat die Taten gestanden, dabei aber beteuert, er habe niemals die Ansicht gehabt, auch ein Kind zu töten. Die Schwurgerichtskammer will ihr Urteil am kommenden Freitag verkünden.
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragte am Ende ihres rund anderthalbstündigen Schlussvortrags nach über 20 Verhandlungstagen auch die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren wäre damit so gut wie ausgeschlossen. Die beiden Nebenklägervertreter, Anwälte von neun Hinterbliebenen der Opfer, schlossen sich an. Die Verteidigung sprach sich dagegen aus. Die „eng gefassten“ Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung liegen aus Sicht der Anklage nicht vor. Dabei wurde auch auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen verwiesen. Nach dessen Einschätzung ist auch von voller Schuldfähigkeit des Angeklagten auszugehen.
Der aus dem Harz stammende Mann, zuletzt Fallschirmjäger bei der Bundeswehr, hat erst kürzlich, fast sechs Monate nach Prozessbeginn, ein umfangreiches Geständnis abgelegt. Er räumte ein, nach akribischer Vorbereitung und so „als wäre ich im Einsatz“ Menschen aus dem Umfeld seiner damaligen Ehefrau getötet zu haben. In der Gemeinde Scheeßel erschoss er demnach zunächst den neuen Lebensgefährten (30) der Frau sowie dessen Mutter. Danach fuhr er sofort etwa zehn Kilometer weiter nach Bothel und drang dort wieder in ein Haus ein. Er tötete die beste Freundin der Frau (33) und deren dreijährige Tochter. Das letzte Opfer jedoch sei ganz bestimmt nicht geplant gewesen, hatte der Mann versichert. Es hatte sich, weitgehend von einer Decke verhüllt, auf dem Arm der Mutter befunden.
„Ich glaube ihm, dass er das Kind nicht wahrgenommen hat“, sagte die Staatsanwältin. Sie betonte aber gleichzeitig, dass ein weiteres Kind, ein elfjähriges Mädchen, „mit ansehen musste, wie Mutter und Schwester erschossen wurden“. Dass er angeblich Kindern keinen Schaden zufügen wollte, sei allein schon vor diesen Hintergrund fragwürdig. Als Tatmotiv sah die Anklagevertreterin „abgrundtiefen Hass“ gegenüber den erwachsenen Opfern, insbesondere der 33-Jährigen, die er in erster Linie für das endgültige Scheitern seiner Ehe und daraus drohenden Folgen verantwortlich mache. Er habe letztlich auch um seine Bundeswehrkarriere gefürchtet. Bei den Taten sei er „nach militärischem Muster des Häuserkampfes“ und kaltblütig vorgegangen. „Man könnte fast von Hinrichtung sprechen“. Und dass er „wie ein Berufskiller“ agiert habe.
Emotionen abhanden gekommen
Die Staatsanwältin rekapitulierte ihrem Plädoyer auch noch einmal die Aussagen, die der Angeklagte bereits im Vorfeld des Prozesses gegenüber dem Sachverständigen getätigt hatte. Bei Explorationsgesprächen in der Justizvollzugsanstalt Bremervörde hatte er unter anderem angegeben: „Die Menschen, die ich verantwortlich mache, sind nicht mehr da. Seither kann ich besser essen und schlafen“. Diese und andere Angaben des Mannes, auch später vor Gericht, waren nur schwer erträglich. So auch die Einteilung der avisierten Opfer „in primäre und sekundäre Ziele“. Dass er ernsthaft vorgehabt habe, sich auch selbst das Leben zu nehmen, sei zu bezweifeln. Das emotionslose Verhalten im Prozess sei ebenfalls schwer auszuhalten, so die erfahrene Juristin.
Auch die Nebenklagevertreter, spezialisierte Opferanwälte, erinnerten daran, dass der Angeklagte den Hinterbliebenen großes Leid verursacht hätten. So sei es ihm auch „völlig egal“ gewesen, „drei Kindern die nächsten Angehörigen zu nehmen“. Die Verteidigung erklärte, der Mann sei gar nicht mehr fähig, überhaupt Emotionen zu vermitteln – „es sind keine mehr da“. Vor dem Tatgeschehen sei es damit vorbei gewesen, und daher könne er nun auch gegenüber den Hinterbliebenen kein Mitgefühl zeigen. Neben den vier zu beklagenden Toten gebe es quasi einen weiteren Toten, so die Pflichtverteidigerin. Neben ihr sitze nur noch eine Hülle. Der Mann habe einen erweiterten Suizid geplant gehabt, betonte die Verdener Rechtsanwältin. Er sei „in dem Moment gestorben“, als ihm nach einer Strafanzeige wegen angeblicher Bedrohung gewusst geworden sei, dass es auch mit seiner „zweiten Familie“, der Bundeswehr, vorbei sein würde.