Nicole Jäger ist Ernährungsberaterin, und sie ist fett. Das sieht jeder auf den ersten Blick. Was man der 170 Kilo schweren Frau zunächst nicht ansieht: Sie hat bereits mehr als 160 Kilo abgenommen.
Die Hamburgerin stellt ihr Buch „Die Fettlöserin – eine Anatomie des Abnehmens“ am 24. Februar in der Buchhandlung Vielseitig in Verden vor, und schon nach zwei Tagen waren alle Karten restlos ausverkauft.
Als die heute 33-jährige Autorin mit Mitte zwanzig nach langer Zeit den Tatsachen ins Auge sehen wollte und auf eine Waage stieg, hatte diese nur ein Wort in der Anzeige: Error. Sie musste wohl kaputt sein, dachte Nicole Jäger, aber auch auf der nächsten war nichts anderes zu erkennen. Als sie sich zum letzten Mal gewogen hatte, waren es noch 147 Kilo. Schließlich nahm sie zwei Waagen, stellte jeden Fuß auf eine, und dann blieb ihr buchstäblich die Luft weg: 340 Kilo bei einer Körpergröße von 1,77 Metern ergab die unerbittliche Addition. 270 Kilo Übergewicht. „In dem Moment habe ich gedacht, die Welt geht unter“, sagt Jäger.
Dass es so viel Interesse an ihrer Geschichte gibt, überrascht sie selbst immer wieder und sie erklärt es sich damit, dass es sich bei ihrem Buch eben nicht um einen weiteren Diät-Ratgeber handelt – von denen sie rein gar nichts hält. „Mit fünf Jahren war ich zum ersten Mal auf Kur und hatte eigentlich permanent das Gefühl, auf Diät zu sein“, sagt sie. Daraus habe sie gelernt, dass Diäten langfristig nur dicker machen. Dass sich Menschen bei ihr Rat holten, läge auch daran, dass sie sich von all den ranken und schlanken Ernährungscoaches und Fitnesstrainern da draußen vielleicht nicht unbedingt verstanden fühlten.
„Ich habe mich verhalten wie ein Junkie, habe Ausreden gesucht, mich selbst betrogen und danach einen Schuldigen gesucht“, sagt Jäger heute über ihr früheres Essverhalten. Mit 26 Jahren litt ihr Rücken so sehr unter ihrem Gewicht, dass sie nur am Stock gehen konnte, ihre Haare wurden dünner, sie konnte nicht mehr im Liegen schlafen, weil sie an ihrem eigenen Gewicht erstickt wäre. Es brauchte plötzliches und heftiges Herzflattern in Kombination mit einer Panikattacke, um die junge Frau wachzurütteln.
Anstatt zu sterben, nahm sie ihr Leben in die Hand. „Bei mir brauchte es diesen Moment und ich machte eine Bestandsaufnahme“, sagt Jäger. Anstatt einer Magen-Operation mit erneuter Crash-Diät warf sie einen prüfenden Blick auf sich selbst. „Ich bin ein Typ, der gerne viel und vor allem abends isst“, stellte sie fest. Sie fing in winzigen Schritten an, sich mehr zu bewegen, statt fünf Brötchen nur vier zu essen und dafür noch einen Obstsalat, und nicht drei Pizzen zu bestellen, sondern eben weniger. „Es bringt nichts, etwas gar nicht mehr zu essen, das man mag“, lautet ihre Erkenntnis. Ihre wichtigste Botschaft lautet wohl, dass schlank sein nicht alles ist. „Wichtig ist die Frage: was halte ich selbst von mir und bin ich so glücklich, wie ich bin“, sagt die Autorin. Auch heute noch werde sie wegen ihres Gewichts diskriminiert und wegen ihres Aussehens beurteilt und auch heute erlebt sie Rückschläge beim Abnehmen. „Die Leute sehen mich an wie ein großes Insekt, sie sehen eine große fette blonde Frau. Aber früher war das schlimmer, auch weil man mir ansah, dass es mir nicht gut ging. Heute merken die Leute dann: Oh, der Pudding kann ja sprechen“.
Das Buch „Die Fettlöserin“ ist im Januar 2016 im Rowohlt Taschenbuch-Verlag erschienen (ISBN: 978-3-499-631d16-0).