"Ich Mercedes, du per pedes", dichtete einst der Hamburger Rapper Dendemann und liegt mit dieser Aussage fachlich betrachtet komplett daneben. Denn Fußgänger sind am Ende alle Menschen. Selbst passionierte Autofahrer müssen in der Regel die ersten und letzten Meter ihrer Reise laufen. Darauf weist der Bremer Verkehrsplaner Roman Herzog am Dienstagabend im Achimer Rathaus hin. Herzog will in den nächsten Wochen die Situation für Fußgänger in der Stadt unter die Lupe nehmen und hat die Bürger gebeten, ihn mit ihrer Ortskenntnis zu unterstützen. Nur eine Handvoll Achimer ist diesem Aufruf gefolgt. Themen gibt es dennoch genug.
Warum beschäftigt sich die Stadt mit Fußgängern?
Die einfachste Erklärung liefert Daniel Moos, erster Stadtrat. "Heute geht es um eine besondere Gruppe, die in den bisherigen Diskussionen über Mobilität in Achim keine Rolle gespielt hat: die Fußgänger", sagt er zur Begrüßung. Tatsächlich kreisen die Gedanken in Politik und Verwaltung in den zurückliegenden Jahrzehnten vor allem um den Autoverkehr, den Radverkehr und den Nahverkehr. Herzog nennt Laufen "das vergessene Verkehrsmittel". Die Qualität der Fußwege in der Stadt betrifft also alle Bürger und Besucher der Stadt, doch eine qualitative Überprüfung fehlt bislang. Mit dem sogenannten Fußverkehrs-Check soll sich das in Achim ändern.
Was ist der Fußverkehrs-Check?
Mit der Aktion Fußverkehrs-Check wollen das Land Niedersachsen und die Initiative Mobillotsin Kommunen ermuntern, vor Ort die Situation für Fußgänger zu verbessern. Mobillotsin, eine Beratungseinheit der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen, koordiniert die Aktion und übernimmt die Kosten. Das Besondere an dem Projekt ist die Einbindung der Bürger. Zwei Begehungen mit Fachleuten und Bürgern sind geplant, um Problemstellen zu identifizieren und Verbesserungsvorschläge zu sammeln.
Die erste Begehung findet am Dienstag, 9. September, um 17 Uhr auf der Wegeverbindung zwischen Fußgängerzone und Bahnhof statt. Treffpunkt ist die Südseite des Achimer Bahnhofs. Bei der zweiten Begehung am Montag, 15. September, stehen um 17 Uhr in Achim-Bierden die Grundschule und die Anbindung an umliegende Wohngebiete im Fokus. Der Rundgang startet an der Grundschule Bierden. Abschließend folgt ein weiterer Workshop am Dienstag, 28. Oktober, ab 17 Uhr im Ratssaal. Dort sollen die Ergebnisse vorgestellt und konkrete Maßnahmenempfehlungen diskutiert werden. Danach können die Ausschüsse des Rates die Empfehlungen beraten und geeignete Maßnahmen anstoßen.
Welche Problemfelder haben Bürger in Achim erkannt?
Wie die beiden geplanten Ortsbegehungen zeigen, beschränkt sich der Fußverkehrs-Check auf zwei Bereiche, die am Dienstagabend schon einmal genauer betrachtet wurden. Am Bahnhof berichteten Bürger von Angsträumen, die sie insbesondere im Dunkeln meiden würden, etwa den Tunnel unter den Gleisen oder den Weg zwischen Schienen und Fahrradabstellanlage auf der Südseite. Unklar ist auch der beste Weg vom Bahnhof in die Stadt. Wegweiser für Ortsfremde fehlten dort, stellten die Teilnehmer der Veranstaltung fest. Im Bereich um die Grundschule Bierden ist die Verkehrssituation vor Schulbeginn und nach Schulschluss insbesondere aufgrund der Elterntaxis schwierig. Polizistin Katja Brammer wies zudem auf das Fehlen von Fußwegen in den anliegenden Seitenstraßen hin.
Hat der Fußverkehrs-Check in anderen Städten etwas gebracht?
Ja, davon ist wenigstens Jan-Hendrik Weitz überzeugt. Der Mobilitätsmanager der Stadt Verden hat das Verfahren 2024 in der Reiterstadt mitbegleitet und die Ergebnisse kürzlich öffentlich vorgestellt. "Wir bewerten das mit einem Jahr Abstand sehr, sehr positiv", sagt er. Erst durch dieses Projekt sei das Thema Fußverkehr "auf die Landkarte" gesetzt worden. Davor habe es an den Grundlagen gefehlt, um die Situation der Fußgänger in der Verkehrsplanung angemessen zu berücksichtigen. Weitz erinnert sich an die beiden Ortsbegehungen in Verden, bei denen Herzog auch Werkzeuge mitgebracht habe: einen Rollator, einen Blindenstock und eine sichteinschränkende Brille. Dadurch hätten die Teilnehmer viel leichter nachvollziehen können, welche Stellen insbesondere für Menschen mit Einschränkungen problematisch sind. Die Stadt Verden will deshalb die Ergebnisse der Fußverkehrs-Checks in bestehende Planungen integrieren und in künftigen Projekten aktiv berücksichtigen.