Die Entscheidung fiel spontan. Sehr spontan. Am Abend vor dem ersten Treffen schaute sich Anneke Reiß, Geschichts- und Kunstlehrerin am Achimer Gymnasium am Markt (Gamma), die Kursliste für das Seminarfach an. "Da habe ich festgestellt, dass dieses Mal zufällig nur Mädchen in dem Kurs sind", berichtet sie. Im Seminarfach lernen die Schülerinnen und Schüler eineinhalb Jahre das wissenschaftliche Arbeiten. Sie schreiben dann eine Facharbeit zu einem selbst gewählten Thema. "Eigentlich hatte ich den Plan, im Seminarfach das Überthema Jugendkultur zu behandeln, die Kursliste hat mich dann aber doch dazu bewogen, noch einmal alles umzuwerfen – und zwar auf das Thema Feminismus."
Sie habe zunächst etwas Sorge gehabt, dass einige Schülerinnen durch Klischees über Feministinnen abgeschreckt würden, doch das Gegenteil war der Fall. "Alle Schülerinnen waren sofort dabei und hatten teilweise schon viel Vorwissen zu dem Thema", erinnert sich Reiß. "Teilweise hatten sie mehr Ahnung als ich." Schnell habe sich gezeigt, wie vielfältig das Thema ist und wie viele Facetten man beleuchten kann. So beschäftigte sich eine der Schülerinnen beispielsweise mit dem Thema Sexarbeit in Deutschland, eine andere mit Sexismus am Arbeitsmarkt, die nächste mit Schönheitsidealen im Anime und wieder eine andere mit dem gesellschaftlichen Umgang mit Abtreibung.
Ein Thema, das wütend macht
Jeweils eine 15-seitige Facharbeit haben die Schülerinnen des zwölften Jahrgangs zu ihren Fragestellungen erarbeitet. "Es war wichtig, bei dem Ganzen auch den wissenschaftlichen Blick zu wahren", gibt Reiß zu bedenken. "Das ist natürlich nicht immer ganz einfach, weil das Thema durchaus auch wütend macht." Mit jeder Doppelstunde sei bei den Kursteilnehmerinnen aber auch die Begeisterung gewachsen – das Gefühl etwas dagegen zu tun, indem man sich mit Wissen ausrüstet. "Mir macht es unheimlich Hoffnung, wenn ich sehe, dass das nun die neue Generation Frauen ist – bestens informiert und auch ein bisschen wütend", sagt Reiß nicht ohne Stolz.
Doch mit dem Abschluss der Facharbeit war das Thema für Reiß und ihre Schülerinnen auch noch nicht abgeschlossen. "Im dritten Halbjahr des Seminarfachs steht immer auch noch ein Projekt an", erklärt Reiß. Da sie selbst auch Kunstlehrerin ist und in dem Kurs zahlreiche Schülerinnen waren, die ebenfalls einen Kunst-Leistungskurs belegten, hat sie sich dazu entschlossen, eine Broschüre zum Thema Feminismus zu erstellen und das Thema darin auch noch einmal künstlerisch zu verwerten. "Jede Schülerin hat in der Broschüre eine Doppelseite bekommen", beschreibt Reiß. Auf einer Seite haben sie ihr Facharbeitsthema noch einmal zusammengefasst, auf der anderen Seite eine dazu passende Collage erstellt.
Unterstützung durch WABE
"Da es ja um eine Projektarbeit ging, haben wir dann auch unterschiedliche Teams gebildet. Es gab ein Layout-Team, das sie Broschüre gestaltet hat, ein Sprach-Team, das die Texte durchgearbeitet hat und ein Marketing-Team", sagt Reiß. Letzteres habe sogar geschafft, das "Weser-Aller-Bündnis: Engagiert für Demokratie und Zivilcourage“ (WABE) mit ins Boot zu holen. Das WABE-Jugendforum hat die Kosten für den Druck der Broschüre übernommen. "Ohne sie hätte es das Endprodukt sonst nur digital gegeben." Umso stolzer ist Anneke Reiß, dass sie und ihre Schülerinnen die 35-seitige Broschüre jetzt in den Händen halten können.
Für Anneke Reiß ist das Thema damit aber noch nicht abgeschlossen. "Ich habe selbst in dem Kurs noch viel dazugelernt und war begeistert, wie gehaltvoll die Ergebnisse waren", sagt sie. Jetzt will sie das Thema Feminismus aber auch noch einmal in einem Seminarfach aufgreifen, in dem die Kursliste nicht rein weiblich ist. "Ich bin mir sicher, da gibt es auch noch einmal ganz andere Blickwinkel auf das Thema."