Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Gerichtsbericht Bordell-Chefin geht gegen Bußgeld vor

Wegen fehlender Unterlagen soll die Geschäftsführerin eines Bordells im Kreis Verden ein Bußgeld zahlen. Gegen den Bescheid hat sie Widerspruch eingelegt. Vor Gericht macht sie allerdings einen Rückzieher.
23.04.2023, 14:57 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Angelika Siepmann

Die Bürokratie macht vor Bordellen nicht Halt. Bei ihrer Buchführung haben die Betreiber besonders zu beachten, was das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) vorschreibt. Verstöße dagegen können Verantwortlichen teuer zu stehen kommen. Diese Erfahrung musste auch die Geschäftsführerin eines Etablissements machen, das sich im Zuständigkeitsbereich des Landkreises Verden befindet. Weil bei einer Überprüfung Fehler hinsichtlich der „Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten“ festgestellt worden waren, erging ein Bußgeldbescheid über satte 2000 Euro. Den wollte die Frau erst nicht akzeptieren und bemühte das Amtsgericht, doch dann zog sie ihren Einspruch zurück. Der Bescheid erlangte damit Rechtskraft.

Wenn sich die 63-jährige Walsroderin nicht dazu entschlossen hätte, klein beizugeben, wäre ihr erneutes Erscheinen vor Gericht angesagt gewesen. Denn was sie und ihr Anwalt in der Verhandlung vorgetragen hatten, war dem sogenannten Bußgeldrichter nicht hinlänglich erzeugend erschienen. Weder alle Aussagen zu den von der Kreisbehörde monierten Umständen am Prüfungsabend noch die Angaben zu ihren angeblichen Einkommensverhältnissen waren geeignet, eine schnelle Entscheidung in dem nicht alltäglichen Fall herbeizuführen. Befasst war damit Amtsgerichtsdirektor Daniel Hauschildt, und der sah bei der „einigermaßen komplizierten Lage“ noch so viel Aufklärungsbedarf, dass er einen zweiten Termin anberaumte.

Fehlende Unterlagen

Der saftige Bußgeldbescheid war der Frau Anfang Juli vergangenen Jahres zugestellt worden. Der Landkreis ahndete damit eine Ordnungswidrigkeit nach dem 2017 in Kraft getretenen Prostituiertenschutzgesetz, und dies nicht etwa auf Verdacht. Bei einer Kontrolle im „Club“ hatten Behördenmitarbeiter Mitte Mai nicht alle erforderlichen Aufzeichnungen vorgefunden. Das Gesetz schreibt vor, dass fortlaufend und jeweils gleich am „Tätigkeitstag“ über die im Einsatz befindlichen Frauen Buch geführt werden muss und auch deren „Aliasbescheinigungen“ sowie die Geldzahlungen zu dokumentieren sind. Die entsprechenden Unterlagen müssen zudem stets in der „Betriebsstätte“ aufbewahrt werden. Zumindest für eine der dienstbaren Damen, so wurde bemängelt, hätten die nötigen Unterlagen vor Ort gefehlt.

In die Pflicht genommen wurde konsequenterweise die 63-Jährige. Sie fungiert als alleinige Geschäftsführerin der drei „Clubs“, die von einer in Walsrode ansässigen GmbH betrieben werden. Da die Frau gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt hatte, war es bei der fälligen Verhandlung am Amtsgericht auch zunächst an ihr, die fälligen Fragen des Richters zum Sachverhalt zu beantworten. Sie tat sich schwer. Was auch daran liegen mochte, dass sie beim Kontrollbesuch des Landkreises „nicht persönlich dabei“ war. Hauschildt harkte vorsichtshalber nach: Sie wisse aber, um was für einen Betrieb es sich da handele? „Bordell nennt man das, glaube ich“, half er der wortkargen Frau noch weiter.

Unterstützt von ihrem Verteidiger, gab die 63-Jährige schließlich an, an jenem Abend habe eine andere Frau im Verdener Betrieb die Aufsicht geführt, eine Art „Wirtschafterin“ oder auch „Hausdame“. Ihr selbst sei bekannt, dass die Aufzeichnungen über Zahlungen an die Prostituierten täglich gefertigt werden müssten. Dies sei auch so geschehen, versicherte der Anwalt schnell. Nur seien die aktuellen Belege an jenem Tag leider „entgegen der Regelung“ nicht vor Ort gewesen, sondern im Büro der GmbH in Walsrode. Ergänzend hieß es, die Unterlagen würden zeitweise zentral aufbewahrt, da sie ja auch an den Steuerberater zu gehen hätten.

Kritik an Bußgeld

Dass für eine der tätigen Frauen nicht die nötigen Papiere präsentiert worden seien, könne so nicht stimmen, erklärte die Geschäftsführerin zudem. Die Betreffende sei an dem Tag „wieder neu“ da gewesen, habe ihren „Hurenausweis“ dabeigehabt und auch die Bescheinigung des Gesundheitsamtes. Es blieb dabei, dass die Empfängerin des Bußgeldbescheides damit nicht aus dem Schneider war. Über die Höhe der verlangten Summe sollte aber immerhin gesprochen werden. Angemessen oder nicht?

Etwas Erstaunen rief, gelinde gesagt, bei Richter und Staatsanwalt hervor, was die 63-Jährige zu ihren Einkommensverhältnissen vorbrachte: Sie verdiene monatlich 1200 Euro netto. Dies verwunderte umso mehr, als die Frau auch angab, eine von drei Gesellschaftern zu sein und 45 Prozent der GmbH-Abteile zu halten. Wenngleich mit Verweis auf die Corona-Zeit betont wurde, es habe zuletzt keine Gewinnausschüttungen gegeben. Überhaupt sei ein Bordell, so der Anwalt, „keine goldbringende Einnahmequelle“. Der Richter sah nun die Notwendigkeit weiterer Aufklärung. Zum Beispiel auch durch einen Blick in die Bilanzen. Der Fortsetzungstermin mit reichlich Zeugenprogramm stand schon fest, als das Amtsgericht die Mitteilung erreichte: Einspruch zurückgenommen.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)