Im Schnitt dauert es sieben Jahre bis Frauen, die partnerschaftliche Gewalt erleben, den Täter verlassen. Das habe viele Gründe, weiß auch Joachim Kopietz, Beauftragter für Kriminalprävention bei der Polizeiinspektion Verden/Osterholz. Die Sorge, den gemeinsamen Kindern den Vater zu nehmen, Schamgefühle und finanzielle Abhängigkeit vom Partner seien die häufigsten. Eine Ausstellung im ehemaligen Blumengeschäft Blickfang, Große Straße 113 in Verden, soll nun für das Thema sensibilisieren. Ihr Titel: "Herz-Schlag – Wenn aus Liebe Gewalt wird".
"Gewalt gegen Frauen ist weltweit die weitverbreitetste Menschenrechtsverletzung", macht Ulla Schobert, Leiterin des Verdener Frauenhauses und der Beratungsstelle bei häuslicher Gewalt (Biss) deutlich. Doch auch in Verden und umzu sei spürbar, dass die Fälle zunehmen. "Obwohl wir uns schon lange gegen Gewalt an Frauen einsetzen, wissen wir, dass viele Betroffene – insbesondere von häuslicher und sexualisierter Gewalt – sich allein fühlen", lautet ihre Erfahrung. "Sie glauben, dass die Gewalt nur ihnen geschieht, und wissen nicht, wo sie Hilfe finden können."
Warnzeichen erkennen
Die Ausstellung soll Abhilfe schaffen. Sie zeigt allerdings nicht nur Anlaufstellen und klärt über die Arbeitsweise der Polizei auf, sondern sie sensibilisiert auch ganz generell für das Thema. Welche Warnzeichen gibt es? Welche Ängste und Sorgen beschäftigen Betroffene? Was können Außenstehende tun, um zu helfen? Auf Fragen wie diese gehen die zehn beidseitig bedruckten Schautafeln ein.
"Jeder und jede kennt eine betroffene Frau in seinem Umfeld, in der Familie, dem Freundeskreis, dem Verein, in der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz", macht Schobert das Ausmaß deutlich. Es sei wichtig, Zivilcourage zu zeigen, die Frau anzusprechen und ihr Hilfs- und Unterstützungseinrichtungen nahezulegen, sie vielleicht sogar bei den ersten Schritten – beispielsweise zu einer Beratung zu begleiten. Betroffene suchen gewöhnlich zunächst bei vertrauten Menschen Hilfe, ehe sie sich an die Polizei, Beratungseinrichtungen, Ärztinnen oder andere professionelle Stellen wenden.
Mehrere Anlaufstellen in Verden
In Verden gibt es gleich mehrere Hilfsangebote. Das Frauenhaus, das Biss, die Frauenberatungsstelle, das Opferhilfebüro und die Fachberatungsstelle Rückhalt für Opfer sexueller Gewalt sind einige der Anlaufstellen. Weniger bekannt ist jedoch ein Angebot in der Aller-Weser-Klinik, auf das Kopietz aufmerksam macht. Das Verdener Krankenhaus ist im Netzwerk Pro-Beweis aktiv und bietet Betroffenen von körperlicher und sexueller Gewalt "eine vertrauliche, kostenfreie und gerichtsverwertbare Untersuchung durch speziell geschulte Ärztinnen und Ärzte", heißt es auf der Internetseite der Klinik. Verletzungen und Spuren frühzeitig gerichtsverwertbar zu sichern, sei sehr wichtig, betont Kopietz. Das Angebot der Klinik gebe den Betroffenen jedoch die Möglichkeit, sich im Nachhinein in Ruhe ihr weiteres Vorgehen zu überlegen. Mindestens drei Jahre lang werden die Beweismittel aufbewahrt. Hilfesuchende können sich unter der Telefonnummer 0 42 31/ 1 03 74 11 an die Klinik wenden.
Nicht nur Frauen in langfristig angelegten Beziehungen seien von partnerschaftlicher Gewalt betroffen, weiß Schobert. Auch unter jugendlichen Paaren komme es zunehmend zu Gewalt. Die Ausstellung richtet sich daher ganz bewusst auch an junge Menschen. Konzipiert wurde sie vom Landeskriminalamt. Dass die Wanderausstellung in Verden zu sehen ist, ist der Zusammenarbeit des Vereins "Frauen helfen Frauen" und der Verdener Polizei zu verdanken.
Kurzfilm zur Einstimmung
Neben den Schautafeln können sich Besucherinnen und Besucher vor Ort auch einen Kurzfilm zum Thema anschauen. Die Aufsteller sind zudem mit QR-Codes versehen. Technisch Versierte können die Codes mit dem Handy scannen und beispielsweise den Erzählungen von Betroffenen lauschen. Ein Quiz, in dem verschiedene Aussagen in die Kategorien "problematisch" und "unproblematisch" sortiert werden müssen, soll zusätzlich sensibilisieren.
Die Ausstellung sollte ursprünglich im neuen Gewaltschutzzentrum zu sehen sein. Da sich die Bauarbeiten allerdings verzögert haben, stellte die Stadt als Alternative das ehemalige Blumengeschäft zur Verfügung. Dort können sich Interessierte dienstags und freitags von 10 bis 12 Uhr sowie mittwochs von 15 bis 17 Uhr informieren. Gruppen haben die Möglichkeit, einen Besuch außerhalb dieser Zeiten zu vereinbaren. Das ist unter der Telefonnummer 0 42 31/ 95 64 74 oder per E-Mail an frauenhaus-verden@t-online.de möglich. Weitere Informationen zur Ausstellung gibt es im Internet unter www.herzschlag-kampagne.de.