Der Ball rollt Richtung Seitenauslinie. Zwei Fußballer stehen nur wenige Meter von der Kugel entfernt. Der Beobachter der Szene denkt: Warum setzen sie nicht zu einem kurzen Sprint an, nehmen den Ball locker an und halten ihn im so im Spiel? Doch die Kicker zucken nur kurz und sprinten nicht los. Denn sie haben ein Problem. Für sie heißt es: Laufen verboten. Die beiden spielen keinen "normalen" Fußball. Sie spielen Walking-Fußball – also Fußball im Gehen. Im Kreis Verden ist diese Variante des Fußballspiels kaum verbreitet. Im Kreisgebiet gibt es aktuell lediglich einen Verein, der Walking-Fußball anbietet: der SV Hönisch.
Dass beim SVH die langsame Fußball-Variante angeboten wird, geht auf das Engagement von Stefan Pawlik zurück. Er hat die Mannschaft quasi ins Leben gerufen. Seitdem sind zwei Jahre vergangen. Die Gründung ist fest mit Pawliks Verletzungshistorie verbunden. Der 52-Jährige hat etliche Knieoperationen hinter sich. Mittlerweile besitzt er ein künstliches Gelenk. Die Liebe zum Fußball ist aber geblieben. "Ich habe so oft versucht, wieder Fußball zu spielen, doch jedes Mal kamen die Rückschläge", erinnert sich Pawlik.

Stefan Pawlik hat Walking-Fußball zum SV Hönisch gebracht.
Eines Tages stieß er schließlich darauf, dass sich beim TSV Lohberg eine Walking-Fußball-Gruppe bilden will. Für ihn war es genau das richtige Sportangebot. Denn die Fußballvariante im Gehen ist eben für jene Menschen gedacht, die nach vielen Verletzungen ihre Dynamik verloren haben oder auch im fortgeschrittenen Alter noch liebend gerne kicken wollen. Gedacht ist der Sport für Fußballer, die 50 Jahre oder älter sind.
Komplizierte Regeln gibt es nicht: Der Weltverband Fifa schreibt vor, dass die Spieler weder mit noch ohne den Ball laufen dürfen. Mindestens ein Fuß muss immer den Boden berühren. Ist dies nicht der Fall, pfeift der Schiedsrichter ab. Darüber hinaus darf der Ball nicht über Kopfhöhe gespielt werden. Hartes Einsteigen ist ohnehin nicht erlaubt – sondern nur maximal leichter Körperkontakt. Das Feld beim Walking-Fußball unterscheidet sich zu dem der klassischen Variante immens: Es ist nur 20 mal 40 Meter groß. Die Tore sind im Vergleich zu normalen Fußballtoren fast winzig: In Hönisch sind sie nur einen Meter hoch und drei Meter breit. Groß muss es aber auch nicht sein. Denn es wird ohne Torhüter gespielt. Pro Team stehen während der Partie sechs Spieler auf dem Platz.
Entstanden ist Walking-Fußball in dem Land, in dem schon so viele Sportarten erfunden worden sind: in England. 2011 wurde die Variante beim FC Chesterfield initiiert. Seit 2016 gibt es in England sogar einen eigenen Dachverband im Walking-Fußball. Mittlerweile hat dieser Gesundheitssport auch das europäische Festland erreicht. Laut des Niedersächsischen Fußballverbandes wird er aktuell in 19 niedersächsischen Vereinen angeboten. Der TSV Lohberg taucht in dieser Liste nicht auf. Beim Klub aus der Gemeinde Kirchlinteln war das Angebot nicht von Dauer. "Leider gibt es das Angebot bei uns nicht mehr. Es ist nicht so richtig eingeschlagen", sagt Steffen Lühning, Leiter der Lohberger Fußballsparte.

Aus vollem Lauf kann Bernd Pawlik vom SV Hönisch nicht abziehen. Denn es ihm nicht erlaubt zu sprinten.
Stefan Pawlik musste sich somit erneut nach einer Gruppe umschauen, die Walking-Fußball spielt. Fündig wurde er im Landkreis Nienburg beim SV Hämelhausen. Dort sind die "Silberlöwen" zu Hause. "Nach einem Dreivierteljahr habe ich mir dann aber gedacht, dass ich doch auch in meinen Heimathafen zurückkehren und in Hönisch eine Gruppe gründen könnte", sagt Pawlik, der früher für den SVH auf dem großen Feld aufgelaufen ist.
Seine Idee stellte er vor zwei Jahren Wolfgang Zehl, dem Vorsitzenden seines Heimatvereins, vor. "Er hat mir gesagt, dass er für alles offen sei", erzählt Stefan Pawlik. "Also habe ich ordentlich Akquise betrieben, um Spieler zu finden." Mittlerweile seien es 22 Fußballer, die der Gruppe angehören. Nicht jeder von ihnen ist immer als aktiver Sportler dabei, sondern wegen des gesellschaftlichen Zusammenseins. Der anfängliche Weg sei jedoch mit einigen Hindernissen versehen gewesen. "Anfangs wurde ich noch belächelt", sagt Pawlik. Doch seine Idee kam zunehmend besser an.
Jetzt wird einmal in der Woche trainiert. Das würde den meisten seiner Teamkollegen genügen. Hauptsache, es wird Sport betrieben. "Einen richtigen Ligabetrieb wünscht sich der Großteil gar nicht", erklärt Stefan Pawlik. Nur unter sich sind die Hönischer aber auch nicht. Ein Freundschaftsspiel gegen die "Silberlöwen" haben sie bereits absolviert. Im Rahmen der Hönischer Sportwoche organisierte Stefan Pawlik mit seinen Mitstreitern in diesem Jahr ein eigenes kleines Turnier, bei dem auch ein Team aus dem nordrhein-westfälischen Steinhagen zu Gast war.
"Wir hoffen, dass es noch mehr Turniere werden", sagt Stefan Pawlik, der mit seiner Hönischer Walking-Fußball-Gruppe schon bald auf Reisen gehen will: "Am 3. Oktober steht der Gegenbesuch in Steinhagen an." Dort will das SVH-Team, dass sich der Walking-Fußball in dem kleinen Verein positiv entwickelt.