Ihre Lebensläufe mit allerlei Höhen und Tiefen haben die drei Angeklagten am zweiten Verhandlungstag bereitwillig geschildert. Was es mit der Rotenburger Stiftung auf sich hatte, als deren verantwortliche Vorstandsmitglieder sie fungierten, war dagegen noch nicht zu erfahren. Auch zu den Vorwürfen des bandenmäßigen Betruges in 37 Fällen haben sich die Herren vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Verden bislang nicht geäußert. Dafür mussten sie sich zum Auftakt der Beweisaufnahme anhören, wie es einem Mann ergangen ist, der im Vertrauen auf sichere Geldanlage und aussichtsreiche Rendite zweimal investierte – und unterm Strich eine halbe Million Euro in den Sand gesetzt haben soll.
Zwischen 2015 und Frühjahr 2019 sollen die Angeklagten diverse Anleger mit hohen Gewinnversprechen dazu gebracht haben, sich auf „Beteiligungs- und Investmentverträge“ einzulassen. Diese Verträge wurden nach den Ermittlungen der zuständigen Staatsanwaltschaft Stade über eine GmbH abgeschlossen, die der Verwaltung des Vermögens der sogenannten Selbsthilfestiftung diente. Die Gesamtinvestitionssumme soll sich, wie berichtet, auf 2,14 Millionen Euro belaufen haben, wovon aber lediglich die Hälfte an die Anleger zurückfloss.
Vor dem Landgericht müssen sich jetzt die drei Vorständler der Stiftung verantworten: ein 68-jähriger Mann aus Rotenburg sowie zwei 50 und 46 Jahre alte Brüder, die in Ottersberg beziehungsweise Oyten wohnen. Das Verfahren gegen einen weiteren Angeklagten wurde wegen schwerer Erkrankung abgetrennt. Der 73-Jährige aus Delmenhorst soll das Trio zum Quartett ergänzt und als Geschäftsführer der GmbH gewirkt haben.
Mit Bankdeutsch und Kompetenz
Der erste als Zeuge vernommene Geschädigte, ein 53-Jähriger aus dem Landkreis Grafschaft Bentheim, hat bei verschiedenen Treffen alle vier Angeklagten kennengelernt. Auf die Frage der Staatsanwältin, ob es aus seiner Sicht „so einen Macher“ gegeben habe, nannte der Zeuge sofort den Namen des ältesten Angeklagten. Der habe „Bankdeutsch“ gesprochen und „Kompetenz ausgestrahlt“. Das Büro habe sich in einem Mehrfamilienhaus in Sottrum befunden und sei „hochmodern eingerichtet“ gewesen. Den Tipp für eine angeblich sichere und einträgliche Investition habe er seinerzeit von einer Bekannten erhalten, berichtete der Mann weiter. Mit der Bekanntschaft ist es längst aus. Seines Wissens habe die Frau „Provisionen“ von der Stiftung erhalten.
Er selbst hat nichts erhalten – nachdem er im Februar 2019 zunächst 200.000 Euro überwiesen hatte und etwa sechs Wochen später noch 300.000 Euro. Alles, was man ihm da an kluger Kapitalanlage und Gewinnbeteiligung in Aussicht gestellt habe, sei „von vorne bis hinten gelogen“ gewesen, ist das bittere Fazit des Zeugen. Auf manche Nachfragen zu Einzelheiten vermochte der Mann keine Antwort zu geben. „Ich hab’s verdrängt“, sagte er zur Begründung. Und im Übrigen habe er die ganze leidige Angelegenheit ja auch schon frühzeitig seinem Anwalt übergeben.
Im April sei er damals schon stutzig geworden, als keinerlei Geldrücklauf erfolgt sei. Bei Anrufen sei er vertröstet und hingehalten worden, „und irgendwann war niemand mehr erreichbar“. Der Zeuge hatte seinerzeit geschäftlich viel vor. Geld konnte er noch gut gebrauchen. Zusätzlich zu dem, was er im Lotto gewonnen hatte. Es habe sich um einen „siebenstelligen Betrag“ gehandelt. Davon sind 500.000 Euro futsch. Sein Fazit: Er leide keine Not, aber der Verlust sei bitter.
Nach Angaben der Verteidiger sollen noch Einlassungen der Angeklagten erfolgen. Wann und welcher Art, etwa geständig, ließen die Anwälte offen. Der Prozess soll am 4. Dezember fortgesetzt werden.