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Mitgemacht beim SV Dauelsen Bogenschießen: Zwischen Konzentration, Kraft und meditativer Ruhe

Mehr als nur Pfeile auf eine Scheibe schießen. In Verden-Dauelsen zeigt sich, wie das Mentale und das Körperliche zusammenwirken. Unser Volontär berichtet von seinen Erfahrungen.
11.07.2024, 11:02 Uhr
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Bogenschießen: Zwischen Konzentration, Kraft und meditativer Ruhe
Von Raffael Hackmann

Die Füße parallel, fester Stand, Ellbogen hoch, Brust raus und anspannen. Trotzdem den Kopf frei haben und auf das Zielen konzentrieren. Der Zug kommt aus der Schulter, nicht aus dem Oberarm. Das sind eine ganze Menge Details, die ich beachten muss. Trainerin Britta Dauel kommt noch einmal näher und korrigiert meinen Zugarm – mein Ellbogen ist zu niedrig. Die Sehne ist an meinem Kinn, sie berührt meinen rechten Nasenflügel. Während ich noch hoffe, dass die Nase dran bleibt, wenn ich jetzt loslasse, schnellt der Pfeil auf die zehn Meter entfernte Scheibe zu. Treffer. Nicht in einen der Kreise, aber zumindest habe ich den Aufsteller getroffen. Für meinen ersten Schuss ein zufriedenstellendes Ergebnis.

Das Bogenschießen ist irgendwie so, wie ich es mir vorstelle – und irgendwie auch ganz anders. Beim Schützenverein Dauelsen führen mich Kay Schuster, der Bogensportleiter des Vereins, und Britta, seine Stellvertreterin, in die hohe Kunst ihres Schießsports ein. Direkt bei der Begrüßung einigen wir uns auf das Du, wie es nun einmal bei Sportlern so Usus ist. Sie freuen sich über das Interesse an ihrem Lieblingssport – doch nicht mehr als ich mich freue, mit einem richtigen Bogen schießen zu dürfen.

Das Auge, nicht der Arm

Britta fragt mich, welcher Arm mein Zugarm sei. "Rechts", sage ich ihr ganz selbstbewusst. Als Rechtshänder erscheint das für mich nur logisch, doch ich liege nicht ganz richtig. Das habe nämlich damit gar nichts zu tun, erklärt mir die Trainerin. Ich forme auf ihre Aufforderung hin mit meinen vor mir ausgestreckten Händen ein Dreieck, durch das ich abwechselnd mit einem Auge durchschaue. "Rechts ist richtig. Das ist dein dominantes Auge", erklärt Britta nach nicht einmal einer halben Minute. Ich bin sprachlos. Ein Teil von mir wartet beeindruckt und gespannt darauf, ob sie mir noch meine Dioptrienzahl verrät.

Nach einem kurzen Aufwärmen werde ich ausgerüstet. Brust-, Arm- und Fingerschutz überziehen, Grundhaltung einnehmen und schon habe ich den rund 250 Euro teuren Recurve-Bogen in der Hand. Nachdem mein erster Schuss schon fast die Scheibe traf, werde ich nun Zeuge davon, dass Übung tatsächlich den Meister macht: Jeder folgende Schuss kommt "dem Gold", der Mitte der Scheibe, näher. Die Haltung und Bewegungen fühlen sich mit jedem Pfeil natürlicher an. "Du musst den Kopf frei haben", hatte Britta eingangs erklärt. Je weniger ich über die Abläufe nachdenken muss, desto mehr nähere ich mich dem Gold an.

Motiviert durch eine steile Lernkurve

Mittlerweile korrigiert die Trainerin mich nicht mehr. Die Prozedur von Pfeil einlegen über das Spannen bis hin zum Loslassen funktioniert. Die Angst, meine Nase zu verlieren, ist verschwunden und ich ziehe die Sehne bis unter mein Kinn. Pfeil Nummer 18 trifft das Gold – ein großer Moment für mich! Die Tatsache, dass die Scheibe nur zehn Meter entfernt ist und nicht 70, wie die hintersten Ziele, stört mich dabei überhaupt nicht. "Sollen wir ein Beitrittsformular holen", fragen die beiden Trainer mich lachend.

Die Lernkurve beim Bogenschießen ist steil. Ich hoffe, dass sie nicht wirklich einen Vertrag holen, denn vor lauter Begeisterung über meine stetige Verbesserung liefe ich Gefahr, ihn stante pede zu unterschreiben. Ein Einstieg in den Sport ist übrigens gar nicht so teuer. Anfänger bekommen vom Verein einen Bogen gestellt, schildert Kay die ersten Schritte bei neuen Mitgliedern. Danach gingen sie dazu über, sich bei einem Geschäft in der Nähe für 39 Euro pro halbem Jahr ein Sportgerät zu leihen. Das habe den Vorteil, dass das Gewicht der Wurfarme – also der obere und untere Teil des Bogens, der sich beim Spannen biegt – neu justiert werden könne. Je älter beziehungsweise stärker Schützen werden, desto mehr Zuggewicht brauchen sie.

Bogenschießen als Familiensport

Britta ist seit vier Jahren Trainerin, ihr Sohn hat sie damals zu ihrem jetzigen Lieblingssport gebracht. Zwei Jahre länger ist Kay schon Trainer. Vereinsmitglied wurde er schon 1987. Auch seine Frau ist begeisterte Schützin. Besonders stolz sind sie auf den aktuellen Weltranglistenzehnten im Recurve-Bogenschießen, Florian Unruh, der zwar in Berlin wohnt, aber Mitglied des SV Dauelsen ist und für das Bundesligateam des SVD schießt.

"Es ist ein ruhiger Sport, bei dem das Mentale wichtig ist", sagt die junge Schützin Katharina. Sie trainiert gerade und erklärte sich bereit, mir zu erklären, was für sie die Faszination am Bogenschießen ausmacht. Es sei vielschichtig, fast meditativ und es komme auf Konzentration und Selbstbeherrschung, aber auch auf Kraft an. Und sie sei für sich selbst verantwortlich. Anders als bei Teamsportarten, habe sie niemanden sonst, den sie für Fehler verantwortlich machen könne.

Ich kann Katharina nur zustimmen. Beim Schießen verschwinden nach und nach alle anderen Gedanken, bis ich nach einer Weile nur noch auf den Bogen und die Scheibe fokussiert bin. Vom beinahe meditativen Spannen und Zielen über das Geräusch, das der Pfeil macht, wenn ich die Sehne loslasse, bis hin zum Einschlag des Pfeils in die Scheibe geschieht alles in einer Art Trance, aus der ich erst erwache, wenn ich wieder in den Köcher greife. "Faszinierend" ist womöglich das beste Wort, mit dem sich das Bogenschießen beschreiben lässt.

Zur Sache

Während Deutschland aktuell noch im EM-Fieber ist, möchte unser Volontär Raffael Hackmann sich während der Sommerferien Sportarten widmen, die weniger im Mittelpunkt stehen. In den kommenden Wochen wird er von verschiedenen Vereinen im Raum Verden und Achim berichten, die ihn mittrainieren und ausprobieren lassen. Dabei liegt der Fokus darauf, herauszufinden, was die Faszination an bestimmten Nischensportarten ist und wie einsteigerfreundlich sie sind.

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