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Bundestagswahl 2025 Familienpolitik: Probleme und Wünsche einer Verdener Großfamilie

Die Schurs aus Verden blicken der Bundestagswahl entgegen. Mutter Janina Schur spricht über Herausforderungen und ihre Erwartungen an die Familienpolitik. Was sie zu Bildung, Inklusion und Digitalisierung sagt.
02.02.2025, 17:00 Uhr
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Familienpolitik: Probleme und Wünsche einer Verdener Großfamilie
Von Elena Erxleben

"In einer Großfamilie lebt man wie ein einer Wohngemeinschaft", beschreibt Janina Schur das Leben in ihrer neunköpfigen Familie. Nicht nur die 38-Jährige und Ehemann René haben feste Aufgaben im Haushalt, auch die sieben gemeinsamen Kinder packen täglich mit an. Ansonsten sei der Alltag der Schurs genauso organisiert wie der anderer Familien, "nur eben in einem anderen Maß", fügt sie schmunzelnd hinzu. Mit der Geburt des ersten Sohnes vor 15 Jahren sei für das Ehepaar klar gewesen: "Da ist noch viel Platz und Liebe für weitere Kinder." Vor drei Jahren vervollständigte das siebte Kind die Familie, die samt Kaninchen und Hühnern im Verdener Ortsteil Dauelsen zu Hause ist.

"Familienpolitik bedeutet für mich auch Bildungspolitik", ist die gelernte Industriekauffrau überzeugt. Aus Erfahrung weiß die siebenfache Mutter, wie wichtig es ist, dass die künftige Bundesregierung mit Elterngremien und älteren Schülern ins Gespräch kommt. "Gerade junge Erwachsene haben viel zu erzählen." Mit einem Blick auf die Familienpolitik der künftigen Bundesregierung seien für sie die Themen Betreuung, Chancengleichheit und Inklusion ebenso bedeutend.

Fehlende Inklusion und Personalmangel

"Unser ältester Sohn ist Autist", schildert Janina Schur. Er habe in unterschiedlichen Schulen verschiedene Erfahrungen gemacht und leider auch Mobbing erlebt. Ein Problem, das sich laut der 38-Jährigen früh entwickelt. "Ich glaube, dass Kinder schlecht darauf vorbereitet werden, dass es auch Kinder gibt, die anders sind." Die mangelnde Aufklärung sei ein Grund, der zur Ausgrenzung bestimmter Kinder führe. "Wir reden immer von Inklusion, aber bringen es unseren Jüngsten nicht bei." Die zwei jüngsten Söhne besuchen deshalb eine kooperative Kita, in deren Gruppen auch Kinder mit Inklusionsstatus sind.

Mit dem Gymnasium, das ihr 15-jähriger Sohn mittlerweile besucht, ist die Mutter nun sehr zufrieden: "Es gibt tolle Arbeitsgemeinschaften und eine Autismus-Beauftragte." Keine Selbstverständlichkeit, weiß Janina Schur und hebt den Personalmangel an vielen Schulen hervor. Ebenso bemängele sie die Qualität der Hausaufgabenbetreuung an den Grundschulen, sodass sie ihren jüngeren Kindern selbst bei den Schularbeiten hilft.

Digitalisierung und mangelnde Chancengleichheit

Dass ihre Kinder in der Schule den Umgang mit iPads erlernen, findet die Mutter gut. Es gefalle ihr jedoch auch, dass es am Gymnasium ihrer älteren Kinder in den Schulpausen handyfreie Zeiten gibt. Zum verfügbaren Medienangebot sagt sie: "Die Kinder sind davon erschlagen." Eine Regelung durch die Schule mache Sinn, zumal die Schüler in den Pausen wieder miteinander Karten spielen und sich unterhalten. "Auch die Lehrer finden das großartig", berichtet die Elternvertreterin.

Zudem hebt sie hervor: "Auf dem Gymnasium müssen wir für jedes Kind ein iPad für 900 Euro kaufen." Die Unterstützung des Schulfördervereins ermögliche immerhin eine günstigere Variante für 600 Euro. Dafür müssen die Kinder allerdings unter anderem weniger Speicherplatz in Kauf nehmen, erzählt Janina Schur. Auf der Oberschule hingegen müssen Eltern die Kosten für ein iPad nicht tragen, weiß die 38-Jährige. Sie kritisiert die mangelnde Chancengleichheit, denn "es gibt Eltern, die ihre Kinder deshalb nicht aufs Gymnasium schicken".

Finanzielle Herausforderungen

Auch die steigenden Kosten, von der Grund- und Kfz-Steuer bis hin zu Lebensmitteln, gehen nicht spurlos an der Familie vorbei. "Ursprünglich war es so gedacht, dass ich nicht arbeiten gehe", erklärt Janina Schur, die sich ganz der Erziehung ihrer Kinder widmen wollte. Um allen "ein gewisses Maß an kultureller Teilhabe" zu ermöglichen, reiche die Schichtarbeit von Vater René allerdings nicht aus, sodass auch die siebenfache Mutter einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht. Trotzdem hinterlasse die Inflation ihre Spuren. Allein der monatliche Einkauf der Familie schlage mit 1700 Euro zu Buche. Ein Besuch im Freizeitpark oder Kino sei daher "einfach nicht drin".

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Darüber hinaus findet sie: "Unsere Gesellschaft wird immer materialistischer." Ihre Kinder sollen lernen, dass es nicht allen Menschen auf der Welt gut geht. Empathie und ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit zählen zu den Werten, die das Ehepaar vermitteln möchte. Dazu zeigt Janina Schur stolz ein Album, dass die Kinder ihren Eltern zu Weihnachten geschenkt haben. Darin verewigten die jüngsten Schurs in farbigen Buchstaben: "Wir haben vielleicht nicht alles, was wir wollen, aber wir haben alles, was wir brauchen."

Was sagen die Kandidaten zu dem Thema?

Özge Kadah, SPD

Viele Familien haben durch die Pandemie und die hohe Inflation schwierige Jahre hinter sich und kämpfen täglich damit, Erziehung, Beruf und Alltag zu vereinbaren. Ich möchte, dass das Land und die Kommunen vom Bund dabei unterstützt werden, in verlässliche Kitas und Schulen zu investieren. Alle Kinder sollen gesunde, kostenlose Mittagessen erhalten. Beim Elterngeld schaffen wir mehr Flexibilität: Beide Eltern sollen jeweils sechs Monate nicht übertragbares Elterngeld nutzen können, die weiteren sechs Monate sollen frei aufgeteilt werden. Wir senken Steuern auf Löhne und Lebensmittel, was vor allem Familien mit kleinen und mittleren Einkommen zugutekommt. Den Eigenanteil bei Pflegekosten deckeln wir auf maximal 1000 Euro. So schaffen wir konkrete Entlastungen und bessere Bedingungen für Familien.

Andreas Mattfeldt, CDU

Aus gutem Grund ist der besondere Schutz der Familie im Grundgesetz verankert. Sie übernehmen Verantwortung über Generationen hinweg und geben unserem Land eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität. Zugleich heißt Familie auch: Leben mit Herausforderungen, von knapper Zeit und bisweilen knapper Kasse. Daher sollen Familien als Keimzelle nachfolgender Generationen die Unterstützung der Gesellschaft haben. Wir werden das Modell der Elternzeit und des Elterngeldes weiterentwickeln. Beides hat sich als familienpolitische Leistung bewährt. Zudem wird der Kinderfreibetrag in Richtung des Grundfreibetrags der Eltern entwickelt. Dementsprechend wird das Kindergeld angehoben, das künftig mit der Geburt automatisch ausgezahlt wird. Des Weiteren wird die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten verbessert. Den Überblick und vereinfachten Zugang zu Familienleistungen schaffen wir über ein übergreifendes digitales Portal.

Gero Hocker, FDP

Familienmodelle sind vielfältig, aber sie alle beruhen auf Werten und Fürsorge. Statt den Förderdschungel und damit auch Bürokratie auszubauen, muss den Familien mehr Entscheidungsspielraum gegeben werden. Vor diesem Hintergrund werden wir Familien durch verbesserte steuerliche Absetzbarkeit von Betreuungskosten und Unterhaltsleistungen entlasten. Das Elterngeld wird flexibler gestaltet und weitere Familienleistungen digitalisiert werden. Für Selbstständige werden die Regelungen verbessert und der Mutterschutz flexibler gestaltet werden – auch für Frauen nach Fehlgeburten vor der 24. Schwangerschaftswoche. Darüber hinaus werden wir ein modernes Familienrecht schaffen, das verschiedene Familienkonstellationen berücksichtigt und das Wechselmodell zum gesetzlichen Leitbild bei der Betreuung minderjähriger Kinder nach Trennung einführen.

Lena Gumnior, Die Grünen

Wir wollen Familien sowohl finanziell als auch mit den passenden Rahmenbedingungen unterstützen. Dazu gehört, dass wir das Kindergeld regelmäßig erhöhen, indem wir es an den Kinderfreibetrag koppeln. Familien brauchen gemeinsame Zeit, gerade zu Beginn: Deswegen erhöhen wir das Elterngeld und setzen Anreize dafür, die Elternzeit partnerschaftlich aufzuteilen. Mütter in der Selbstständigkeit unterstützen wir in den Wochen rund um die Geburt mit dem Mutterschaftsgeld. Alleinerziehende stärken wir, indem wir die Steuerlast durch einen Freibetrag senken und ihnen das Kindergeld nur noch zur Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss anrechnen. Wir garantieren gute Betreuung: Deshalb investieren wir in gute Kitas und die Gewinnung von Erzieherinnen und Erziehern und unterstützenden Arbeitskräften.

Susanne Rosilius, AfD

Die künftige Regierung sollte Familien durch verschiedene Maßnahmen umfassend unterstützen. Ein wichtiges Element könnte die Einführung eines Betreuungsgeldes sein, das Eltern finanziell entlastet und ihnen ermöglicht, die Betreuung ihrer Kinder selbst zu gestalten. Zudem sollte eine echte Wahlfreiheit zwischen Fremdbetreuung und familiennaher Betreuung gewährleistet werden, damit Familien die für sie passende Betreuungsform wählen können. Ein zinsloses Darlehen zum Erwerb von Wohneigentum könnte Familien helfen, ihren Traum vom eigenen Zuhause zu verwirklichen und somit langfristige finanzielle Sicherheit zu schaffen. Darüber hinaus wäre eine Erhöhung der Grundfreibeträge eine sinnvolle Maßnahme, um die finanzielle Belastung von Familien zu verringern und ihnen mehr Spielraum im Alltag zu geben.

Herbert Behrens, Die Linke

Wir setzen uns dafür ein, dass diejenigen, die bei den bisherigen Regierungskoalitionen oft zu kurz gekommen sind, die Unterstützung bekommen, die sie verdienen. Wir kämpfen für eine echte Kindergrundsicherung, für die Gleichstellung von Frauen, die endlich die gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit erhalten, und für das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und Schutz vor Gewalt. Wir setzen uns für Arbeitszeitmodelle ein, die es Müttern und Vätern ermöglichen, ihren Beruf mit Familie und Privatleben in Einklang zu bringen. Wir möchten die Arbeitszeit nicht flexibler gestalten, sondern den Beschäftigten mehr Zeitautonomie ermöglichen. Regenbogenfamilien müssen gleichgestellt werden. Das Abstammungsrecht sollte reformiert werden, um queere Familien nicht zu diskriminieren.

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