Die Verdener Frauenberatung ist in diesem Jahr 30 Jahre alt geworden. Doch während die Anlaufstelle für Frauen und Mädchen in Not älter wird, hat sich das Team deutlich verjüngt. Mit dem Abschied von Frederike Geißler in diesem Monat ist der Generationswechsel komplett. Klara Landwehr und Anni Noack sind nun mit fünf beziehungsweise vier Jahren die Dienstältesten in der Beratungsstelle. Drei Neuzuwächse komplettieren das Team auf gewohnte Stärke.
Eigentlich sind 30 Jahre ein guter Grund zu feiern. Da ist sich das Team einig. Doch mit den Personalwechseln der vergangenen Monate habe es schlichtweg keine Kapazitäten gegeben, eine Feier zu planen. Statt auf Festivitäten liegt der Fokus darauf, das gewohnte Angebot zu erhalten und an der einen oder anderen Stelle etwas Neues zu entwickeln. Statt einer Party gibt es zum "Safe Abortion Day" (Donnerstag, 28. September) eine Verlosungsaktion auf den Instagram-Kanälen der Beratungsstelle.
"Noch in der Findungsphase"
"Wir sind noch ein bisschen in der Findungsphase", erklärt Anni Noack. So soll künftig die sexuelle Vielfalt mehr in den Fokus rücken. Außerdem werden zusätzliche Angebote für queere Menschen entwickelt. Klar sei aber, dass alteingesessene Angebote, wie die Gruppe "Kraft schöpfen durch Farben" sowie die Infoabende für Schwangere genauso erhalten bleiben, die die generellen Beratungsangebote zu Schwangerschaft, Gewalt und sexueller Aufklärung.
In Zukunft soll es auch wieder vermehrt Workshops und Angebote in Zusammenarbeit mit der Suchtberatung geben. Ein wichtiges Thema seien Essstörungen, erklärt Hanna Kay, eine der Neuzugänge in der Beratungsstelle. Die Sozialarbeiterin will über verschiedene Formen von Essstörungen aufklären, Betroffenen helfen, aber auch Jenen Unterstützung bieten, deren Angehörigen an einer Essstörung leiden. Die mentale Gesundheit spiele bei einem gestörten Essverhalten eine besonders große Rolle, betont Kay. Ziel sei es, Jugendliche zu stärken.
Gewaltberatung neu aufgestellt
Hanna Kay ist gemeinsam mit Sonja Wreden, einem weiteren neuen Gesicht in der Beratungsstelle, für den Bereich Beratung bei Gewalt zuständig. Sie unterstützen unter anderem Frauen und Mädchen, die von Mobbing oder Stalking betroffen sind. Auch bei Trennung und Scheidung bieten sie Hilfe an. Wreden war zuvor im Heidekreis tätig.
Im Team der Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung verstärkt Rana Huseynova Noack und Landwehr. In ihren Bereich fallen unter anderem auch die Beratung zu Verhütungsmöglichkeiten und vertraulicher Geburt. Die Sozialarbeiterin bringt auch noch eine besondere Kompetenz mit: Sie ist fünfsprachig. Neben Deutsch und Englisch spricht sie Türkisch, Russisch und Dari. Für die Frauenberatung, die sonst auf externe Übersetzerinnen setzt, ein großer Vorteil. Neben ihrer Tätigkeit in Verden feilt Huseynova an ihrer Doktorarbeit zum Thema Gewalt an migrantischen Frauen.
Alle Stellen besetzt
Dass alle Stellen besetzt werden konnten, freut Klara Landwehr, die gemeinsam mit Anni Noack momentan auch die Geschäftsführung der Beratungsstelle übernimmt. In Zeiten des Fachkräftemangels sei das keineswegs die Norm. Künftig soll die Arbeit wieder auf alle fünf verteilt werden.
Zusätzlich bilden Landwehr und Noack gemeinsam mit der Rechtsanwältin Sabine Struckmann den Vorstand des Vereins, der hinter der Frauenberatungsstelle steht. Aktuell gebe es 52 Mitglieder, doch auch hier hoffen die Frauen auf Zuwachs. Für Interessierte unter 30 Jahren gebe es nun einen vergünstigten Jahresbeitrag. Statt 30 Euro zahlen sie nur 15 Euro. Eine Mitgliedschaft bedeute nicht zwingend, dass man sich auch in der Vereinsarbeit engagieren muss, betont Sonja Wreden. Doch allen, die genau das wollen, die Ideen einbringen und verwirklichen wollen, stehe der Weg dazu offen. Auch für den Vereinsvorstand suchen die Mitglieder nach Interessierten.
Nachdem in den vergangenen Jahren vornehmlich Künstlerinnen über 40 ihre Bilder in der Beratungsstelle ausgestellt haben, hat das Team nun bewusst dem Kunstleistungskurs des Gymnasiums am Markt aus Achim die Wände zur Verfügung gestellt. Auf den Graffiti-Werken zeigen junge Frauen, was sie in ihrem Alltag bewegt. Bis zum 30. November ist die Ausstellung der Abiturientinnen nach Absprache zu sehen.
Neue Räume gesucht
Die Räume an der Grünen Straße haben in den vergangenen Wochen generell einen neuen Anstrich bekommen. Doch eigentlich sucht das Team gerade nach einer neuen Bleibe. "Es ist einfach zu eng", bringt es Landwehr auf den Punkt. Es fehle an Platz für Beratungen und Veranstaltungen. Dass die Suche nicht leicht wird, das ist dem Quintett allerdings schon klar. Vier Beratungszimmer, eine kleine Küche, ein Veranstaltungsraum – so lauten die ersten Wünsche. Außerdem sollen die neuen Räume im Gegensatz zu den aktuellen barrierefrei sein. Wichtig sei auch eine Kombination aus leichter Erreichbarkeit und diskreter Lage, sodass sich die Frauen, die dort Hilfe suchten, nicht wie auf dem Präsentierteller fühlten.
Von den Vorgängerinnen hat das neue Team folgendes mit auf den Weg bekommen: Die Arbeit soll zu gleichen Teilen aus Träumen, Planen, Umsetzung und dem Feiern von Erreichtem bestehen. Das Feiern, das müsse nun noch ein bisschen warten, sagt Landwehr.