Henning Breves musste sich beeilen. Der zweite Vorsitzende des FC Verden 04 wurde von den Spielern lautstark herbeigerufen. Als Breves in den Jubelkreis eintauchte, gab es kein Halten mehr. "Auswärtssieg, Auswärtssieg" war laut und deutlich zu hören. Die Sprechchöre kamen nicht von ungefähr, denn die Verdener sorgten am Freitagabend in der Fußball-Oberliga für eine faustdicke Überraschung. Der abstiegsbedrohte FCV setzte sich beim Titelanwärter SV Atlas Delmenhorst durch – und das völlig verdient. Mit 3:1 (1:0) bezwangen die Reiterstädter den Tabellenzweiten und setzten damit ein dickes Ausrufezeichen im Abstiegskampf.
Ein Blick in die Gesichter der Verdener Spieler genügte nach dem Schlusspfiff, um herauszufinden, wie gut dieser Sieg tat. Nur eine Woche nach der enttäuschenden 0:3-Heimpleite gegen den VfL Oldenburg zeigte das Team ein ganz anderes Gesicht und wurde dafür belohnt. Dabei mussten die Verdener kurzfristig noch mal umdisponieren. Interimscoach Jan Sievers musste erkrankt passen, für ihn nahm deshalb Henning Breves auf der Trainerbank Platz. "Heute Vormittag war klar, dass Jan Sievers nicht dabei sein kann", erzählte der zweite Vorsitzende. Sein Sohn Philipp Breves, der zugleich Sportvorstand im Verein ist, bat ihn daraufhin, das Team zu coachen. Henning Breves sagte umgehend zu.
Verdens Plan geht voll auf
Unter der Regie des zweiten Vorsitzenden zeigten die Reiterstädter ein ganz starkes Spiel. Die Fünferkette um Jan-Ole Müller, Lukas Muszong, Jannis Niestädt, Kevin Klee und Nils Koehle stand sattelfest und ließ nichts zu. Verden überließ Atlas den Ball und wollte selber in der Offensive Nadelstiche setzen. "Wir wollten zu einfachen Mitteln zurückkehren und auch mal einen langen Ball schlagen. Wir wissen, dass wir vorne Qualität haben. Unser Plan ist voll aufgegangen", freute sich Breves.
Die 1210 Zuschauer im Delmenhorster Stadion sahen im ersten Durchgang ausschließlich Gelegenheiten der Gäste aus der Reiterstadt. Nach einer Halbchance von Lukas Muszong in der 15. Minute besaß Jonas Austermann fünf Zeigerumdrehungen später eine gute Chance, lupfte den Ball nach Pass von Dennis Hoins aber über den Kasten. Hoins war es, der in der 22. Minute an Atlas-Keeper Luca Kemna scheiterte. Wenig später rutschte der Ball nach einer Ecke zu Jannis Niestädt durch, der Verteidiger war jedoch zu überrascht und brachte keinen Abschluss zustande (36.).
In der 37. Minute brandete bei den Gästen großer Jubel auf. Atlas-Kapitän Ibrahim Temin verlor den Ball, und schon ging es beim FCV schnell: Dennis Hoins spielte einen perfekten Pass auf Jonas Austermann, der Kemna umkurvte und zum 1:0 einschob. "Es muss zur Halbzeit schon 0:2 oder 0:3 stehen", hielt Atlas-Trainer Key Riebau nach dem Spiel fest. Der Coach war mit der Leistung seines Teams überhaupt nicht einverstanden. "Ich hatte das Gefühl, wir hatten heute nicht das Atlas-Trikot an. Es fehlte an allem", kritisierte Riebau.
Auch nach dem Seitenwechsel änderte sich das Bild nicht. Die Verdener erwischten einen perfekten Start in den zweiten Durchgang, denn in der 48. Minute gelang Jonas Austermann auf Vorlage von Jan-Ole Müller das 2:0. Riebau reagierte mit einem Vierfachwechsel, doch Verden ließ sich nicht mehr von der Siegerstraße abbringen. Als Atlas weit aufgerückt war, nutzten die Gäste die Gelegenheit und trafen nach einem Konter zum 3:0 (71.) – die Vorentscheidung. Zum dritten Mal durfte sich Jonas Austermann in die Torschützenliste eintragen, diesmal leistete der eingewechselte Nathanel Amo-Mensah die Vorarbeit.
Atlas gelingt nur der Ehrentreffer
Die erste wirkliche Atlas-Chance hatte Marlo Siech in der 73. Minute, sein Schuss ging jedoch über das Tor. In der Nachspielzeit kamen die Gastgeber durch einen verwandelten Foulelfmeter – Verdens Torhüter Jascha Tiemann hatte einen Gegenspieler umgestoßen – von Tom Trebin (90.+4) zum Ehrentreffer. Das war es aber auch, was vom Titelanwärter aus der Delmestadt kam. "Verden ist absolut der verdiente Sieger", gratulierte Key Riebau den Gästen zum Sieg.
Die Glückwünsche nahm Henning Breves gerne entgegen. Für den zweiten Vorsitzenden war es wie für das gesamte Team ein besonderer Abend, denn nach drei Jahren stand Breves wieder in einem Spiel an der Seitenlinie. "Ich freue mich, weil das eine super Truppe mit tollen Charakteren ist. Es war auch schön, aber im nächsten Spiel sitzt Jan Sievers wieder auf der Bank", stellte Henning Breves mit einem Schmunzeln klar.
