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Naturkatastrophe Die Verdener Pfadfinder hat das Hochwasser hart getroffen

In einer "Hauruck-Aktion" vor Weihnachten hat der Verdener Stamm Amelungen das Pfadfinderheim noch gesichert. Die Fluten sind dennoch nicht spurlos an ihm vorbeigegangen.
15.01.2024, 17:30 Uhr
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Die Verdener Pfadfinder hat das Hochwasser hart getroffen
Von Jörn Dirk Zweibrock

Einmal Pfadfinder, immer Pfadfinder – die Verdener Pfadfinder, "Pfadis" genannt, sind eine eingeschworene Gemeinschaft, immer offen für neue Mitglieder und durch die Hochwasser-Katastrophe zwischen den Jahren noch enger zusammengerückt als ohnehin schon. Wie hoch die Schäden rund um das Pfadfinder-Heim am Verdener Klusdamm wirklich sind, vermag abschließend noch niemand wirklich zu beurteilen. Nur soviel steht fest: Die Garage und den Lagerfeuerplatz hat es mehr als hart getroffen und durch den Wegfall der Wiese fehlt auf Sicht ein wichtiger Versammlungsraum für die Gruppenstunden.

Bei den Pfadis vom Stamm Amelungen weckt das gerade Erinnerungen an den Brand ihres Heimes im Jahr 2010, auch damals mussten sie sich bereits auf die Suche nach einem Ausweichquartier begeben. Während ihre entfernten Nachbarn, die Verdener Imker, die Naturgewalten im alten Hirtenhaus, das wie eine Warft aus den Fluten gelugt hat, relativ unbeschadet überstanden haben, hat es die Pfadis alles in allem deutlich härter getroffen. 

Tauchpumpe im Dauereinsatz

Die Wassermassen, die das Areal zwischen Aller und Alter Aller in den vergangenen Tagen in eine reine Seenlandschaft verwandelt haben, haben nach ersten Einschätzungen am Pfadfinderheim selbst keine allzu großen Schäden angerichtet, sondern vielmehr auf dem Außengelände gewütet.

"Im Kriechkeller stand das Wasser bis zum Knie", erzählt Stammesführer Felix Bockelmann (24) beim Blick durch die Luke. Die eingesetzte Tauchpumpe sei auf Hochtouren gelaufen und habe ganze Arbeit geleistet. Aus Sorge vor Feuchtigkeitsschäden an den Wänden sei im Heim auch sofort die Heizung eingeschaltet worden, "das ist natürlich auch ein Kostenfaktor für uns". "Außerdem haben wir mit dem Laser-Messgerät engmaschig den Wasserstand im Keller kontrolliert", erinnert sich der Stammesführer.

Zu allem Überfluss sei dann auch noch kurz nach dem Fest der Strom ausgefallen – bei der Vorgeschichte mit den vielen Vandalismus-Vorfällen auf dem Gelände kein schönes Gefühl, wie der Stammesführer erzählt. Glücklicherweise habe der installierte Generator schnell für eine funktionsfähige Alarmanlage und eine entsprechende Notbeleuchtung gesorgt. "Wir wollten ja schließlich nicht, dass hier bei uns in der Dunkelheit einer ins Hochwasser fällt." 

Marode Innenwand

"Weil wir wussten, dass da was im Busch ist, haben wir noch vor Weihnachten in einer Hauruck-Aktion den Eingang unseres Pfadi-Heimes mit einer Absperrung aus Holz gesichert", erzählt Bockelmann. Auch die Garage hätten die Mitglieder des Stammes Amelungen vorsorglich geräumt und die darin eingelagerten Gegenstände – wie beispielsweise das Boot – in Sicherheit gebracht. Außerdem seien die Gebäude mit den letzten 30 noch auf dem Verdener Markt verfügbaren Sandsäcken gesichert worden. "Wir haben uns frühzeitig entschieden, auf Nummer sicher zu gehen", betont der Stammesführer und ist dankbar über die Feuerwehrmänner, Tischler, Maurer und Estrichleger in den eigenen Reihen.

Trotz der umfangreichen Sicherung haben die Allerfluten in der Garage vor dem Pfadfinderhaus richtig gewütet – der alte Estrich ist abgesackt und zerbröselt, die Innenwand wurde beschädigt. "In einer Gemeinschaftsaktion haben wir die Garage innerhalb eines Wochenendes komplett in Eigenleistung entkernt", erzählt Bockelmann. Die marode Innenwand wurde entfernt, der beschädigte Estrich wurde rausgerissen und das Garagendach zusätzlich abgestützt. 

Ausweichquartier in der Hasenheide

Besonders ärgerlich: Die überflutete Wiese vor dem Pfadfinderheim hatten die rund 120 Aktiven, die nicht nur aus dem Landkreis Verden, sondern auch aus den benachbarten Landkreisen kommen, gerade erst neu angelegt. "Wir benötigen die Grünfläche für unsere Gruppenstunden und müssen jetzt auf die Hasenheide ausweichen", erläutert der Stammesführer. Nach dem Brand ihres Pfadiheimes fanden die Verdener Pfadfinder damals beim Deutschen Roten Kreuz Unterschlupf. Wie wichtig die großflächige Wiese – im Pfadfinderheim finden gerade einmal 80 Aktive Platz – für das Stammesleben doch ist, hat sich nach dem Brand 2010 an den schwindenden Mitgliederzahlen gezeigt. Seit dem Ende der Pandemie seien die Zahlen wieder in die Höhe geschnellt, freut sich Felix Bockelmann und hofft, dass dies auch künftig so bleibt. Die jeweils dienstags um 16.30 Uhr beginnenden Gruppenstunden ausfallen zu lassen, sei für die Stammesleitung überhaupt keine Option.

Das beste Alter, um bei den Pfadfindern einzusteigen, liege übrigens zwischen sechs und zehn Jahre. "Bei uns gibt es keine Reizüberflutung durch Social Media", weiß Bockelmann, so blieben auch die Smartphones der Stammesangehörigen bei Fahrten konsequent außen vor.

Besondere Lebenseinstellung

Dennoch sieht der langjährige Stammesführer im Hochwasser, der unliebsamen Weihnachtsüberraschung, auch noch etwas Gutes: "Es hat die ohnehin schon feste Gemeinschaft noch einmal gestärkt." Die Verdener Pfadis hätten im wahrsten Sinne des Wortes Hand in Hand gearbeitet und wieder einmal gezeigt, dass im Ernstfall aufeinander mehr als Verlass sei. "Pfadfinder sein ist eine Lebenseinstellung", betont Bockelmann. Bestes Beispiel seien die Altpfadfinder, die sich noch immer regelmäßig träfen.

Auch die abgesackte und vereiste Feuerstelle auf dem Außengelände bietet derzeit ein Bild des Grauens. Wie schlimm die Frostschäden wirklich sind, wird sich erst in einigen Tagen zeigen – die zerbrochenen Steine liefern jedenfalls schon einmal einen bitteren Vorgeschmack auf das, was auf die Pfadfinder noch alles zukommt. "Das in der Feuerholzhütte aufgeschichtete Holz ist aufgetrieben, komplett futsch", bedauert der 24-Jährige. 

Hoffnung auf finanzielle Hilfe

Die Erfahrung, wie schwer es ist, sich in einem Hochwassergebiet ausreichend gegen die Fluten abzusichern, haben die Pfadfinder in den vergangenen Jahren bereits gemacht. Wer deckt jetzt eigentlich die bereits sichtbar gewordenen und vermutlich noch später sichtbar werdenden Hochwasserschäden finanziell ab? "Wir speisen uns hauptsächlich aus Teilnehmerbeiträgen und Spenden", erläutert der Stammesführer und hofft auf Zuwendungen aus einer Pfadfinder-Stiftung. "Mit Verdens Bürgermeister Lutz Brockmann und der heimischen Landtagsabgeordneten Dörte Liebetruth (beide SPD) stehen wir aber auch schon in Kontakt", erzählt er. Glücklicherweise verfügten die Stammesmitglieder über ein eigenes Pfadfinderheim. Das sei ein wahrer Luxus und bei weitem nicht bei jedem Stamm der Fall.

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