Warme, volle Orchesterklänge dringen durch die Tür der Aula, auf dem Tisch im Eingang stapeln sich duftende Muffins und andere süße Energiespender, auf den Fensterbänken im Flur stehen aneinandergereiht über vierzig wunderschön gestaltete Becher mit musikalischen Emblemen, jeder von ihnen mit dem Namen eines Orchester-Mitglieds versehen. Die Sinfonietta Aller-Weser probt derzeit wieder am Domgymnasium in Verden.
Zum zweiten Mal nach 2020 wird das Orchester mit Teilnehmenden aus dem gesamten Aller-Weser-Gebiet zwischen Oldenburg und Hannover am Sonntag, 18. Februar, das traditionelle Neujahrskonzert in der Stadthalle Verden gestalten.
Stammsitz in der Domstadt
Gerade wird das Finale der Haydn-Variationen von Johannes Brahms geprobt: Ist das wirklich erst die vierte Probe für dieses umfangreiche und anspruchsvolle Programm? Es klingt ja bereits ziemlich fertig. Direkt hinter der Doppeltür der Aula stehen die drei großen Kesselpauken, auf denen Christian Sander gerade die letzten machtvollen Schläge des Finales abliefert. Der Orchester-Aufbau sieht seltsam seitenverkehrt aus: An der rechten Wand die Blechbläser, ganz links der Dirigent, die Streicher großzügig im Saal verteilt. "So proben wir seit Corona", erklärt Christian Oberlinger, Mitglied im Vorstand der Sinfonietta. So voll der Saal auch ist: "Das tiefe Blech fehlt noch", erzählt Musikpädagogin Birgit Melsheimer. Die drei Posaunen und die Tuba haben nämlich eine besonders weite Anfahrt.
Bereits seit drei Jahren ist das Verdener Domgymnasium festes Probendomizil der Sinfonietta Aller-Weser und Spielort für das alljährliche Herbstkonzert. Nachdem sich das Orchester im Jahr 2007 gründete, gab es bis zum Jahr 2020 gerade einmal drei Auftritte in Verden; traditionell fanden die Konzerte abwechselnd in Bruchhausen-Vilsen und Lunsen statt. Und so gibt es unter den vielen Veränderungen, die die Pandemie mit sich brachte, wenigstens eine, die rundum erfreulich ist: Verden wurde zum Stammsitz des Orchesters und die wird von nun an fester Bestandteil des Kulturlebens in der Allerstadt sein.
Bekannte Werke von Grieg und Elgar
Erstmal Pause, die Instrumente schweigen, die musikalischen Kaffeebecher haben ihren Einsatz. Der Bremer Dirigent und Cellist Karsten Dehning-Busse und einige Vorstandsmitglieder stellen das Programm des diesjährigen Neujahrskonzerts in der Stadthalle Verden vor.
Es ist eine romantische Europareise durch England, Norwegen und Finnland, Deutschland und Frankreich – festlich, abwechslungsreich und voller musikalischer Höhepunkte. Da ist als erstes Edward Elgars erster Marsch aus "Pomp and Circumstances" op. 39 zu nennen, der mindestens drei Posaunen und die große Tuba erfordert und das Programm eröffnet. Mit den Hörnern, den Trompeten und Holzbläsern, den Streichern, gleich drei Schlagwerkern und der Harfe werden bis zu 50 Musiker und Musikerinnen auf der Bühne der Stadthalle stehen.
Edvard Griegs Peer Gynt-Suite Nr. 1 entführt das Publikum in die Zauberwelt der norwegischen Heldensaga. Dieses Werk mit Melodien wie "Anitras Tanz" oder "Aus der Halle des Bergkönigs" ist ebenso wie Elgars Marsch so bekannt, dass sich wohl die allermeisten Zuhörer musikalisch gleich wie zu Hause fühlen können. Und damit keine Fragen offen bleiben, werden einzelne Orchestermitglieder die Werke direkt von ihren Pulten aus anmoderieren.
Die "Variationen über ein Thema von Haydn" von Johannes Brahms sind eine Verneigung des spätromantischen Genies vor der Meisterschaft und dem Melodienzauber des großen Vaters der Wiener Klassik. Das reine Programm werde, so schätzt Dehning-Busse, gut 90 Minuten dauern. "Natürlich gibt es eine Pause. Das Publikum soll ja die Chance haben, sich auszutauschen und mit einem schönen Glas Sekt anzustoßen."
Anknüpfung an 2020
Danach geht es mit der Karelia-Suite von Jean Sibelius weiter. "Sie ist eigentlich so etwas wie eine Hymne auf die karelische Heimat des Komponisten", erklärt Oberlinger. "Sie beschreibt die Schönheit der finnischen Seen und Wälder. Und auch hier wird wieder richtig viel Blech gebraucht." Bei der Auswahl der Stücke sei es wichtig, dass sich jede Instrumentengruppe mit dem Programm wohl und gefordert fühlt: "Es soll ja nicht nur für das Publikum, sondern auch für das Orchester immer wieder attraktiv sein", betont Musikpädagogin Birgit Melsheimer.
Georg Bizets "Arlésienne-Suite Nr. 2" schließlich knüpft an das Neujahrskonzert 2020 an, als die erste der beiden Suiten erklang, und steht dieser an Schönheit und Farbenreichtum nicht nach. Zum Abschluss des Programms steht noch einmal Edward Elgar mit dem Marsch Nr. 4 aus "Pomp and Circumstances". "Der ist zwar nicht so bekannt", sagt der Orchesterchef, "aber genauso toll komponiert und wirkungsvoll".
Geheimnisvolle Geräusche dringen aus einem Raum neben der Aula: Das tiefe Blech ist eingetroffen. Die Instrumente werden warmgespielt. Jetzt soll es gleich weiter gehen.
Rar gesäte Bassklarinettisten
"Das ist ein Programm, das gute Laune macht", findet Birgit Melsheimer, "unsere Mitglieder kommen mit einer tollen Motivation hierher". So weit der Einzugsbereich auch sei, erzählt die Musikpädagogin, "unsere Stammspieler machen es immer irgendwie möglich, dabei zu sein". Allerdings gebe es einige von ihnen, die in verschiedenen Klangkörpern spielen, sodass es gerade in Saison-Phasen oft Terminkollisionen gebe.
"Diesmal mussten wir fünf Bassklarinettisten ansprechen, weil gerade überall Neujahrskonzerte sind", verrät Christian Sander. Doch die Sinfonietta ist in der Musiker-Szene offenbar sehr beliebt: "Wir haben eine große Liste als Backup, falls Stammspieler ausfallen", freut sich Melsheimer. Nun hoffen alle, dass die Zuhörer ebenso viel Spaß an diesem Programm haben wie das Orchester. "Was die Zugabe betrifft", scherzt Sander, "so würde uns der Wunsch des Publikums nicht unvorbereitet treffen".
Tickets für das Neujahrskonzert der Sinfonietta Aller-Weser am Sonntag, 18. Februar, in der Stadthalle Verden sind bei Nordwest Ticket unter der Telefonnummer 04 21/36 36 36, bei der Tourist-Information in Verden oder auf www.weser-kurier.de/ticket erhältlich. Das Konzert beginnt um 18 Uhr. Veranstalter ist der Trägerverein Verdener Kulturflügel.