Punk war nicht das kurzlebige Aufbäumen einer renitenten Jugendszene, und schon gar kein vergänglicher Modetrend. Es ist und bleibt eine Lebenseinstellung. Das ist die Botschaft der Ausstellung mit dem Titel „Punk’n’ Paint“, die von Sonnabend, 14. Oktober, bis zum 11. November in der Upcycling-Galerie Wallerie zu sehen ist. Eröffnet wird am Sonnabend um 19 Uhr nicht mit einer gediegenen Vernissage – das würde schließlich gar nicht zum Thema passen. Marie Arndt und Jörg Steinbeck wünschen sich vielmehr einen lebhaften Abend mit vielen Gästen, mit dem passenden Soundtrack, mit einer multimedialen Hommage an die Geschichte des Punk – und sie hoffen auf viele persönliche Gespräche darüber, wie Punk erlebt wurde, und ob er in der Generation heutiger Jugendlicher auch noch gelebt wird. Wer möchte, kann sich an der Linolschnitt-Station selbst kreativ ausprobieren.
Ein weiter Begriff
Die Blütezeit des Punk wird gemeinhin in der Mitte der 1970er-Jahre verortet, als plötzlich Bands auftauchten, die in rauen, lauten Songs mit unerhört provokanten Texten ihre Wut auf das Establishment heraus schrien, und ihre Rebellion gegen die Erwartungen der bürgerlichen Gesellschaft auch optisch nach Außen trugen. Mit der Zeit gewöhnte man sich daran, Punk-Songs landeten in den Charts, Elemente des typischen Subkultur-Looks kamen in der modischen Mitte der Gesellschaft an und regten bald niemanden mehr auf.

Jörg Steinbeck hat ikonische Aufnahmen auf Kartons gedruckt und gestaltet.
Im Jahr 1977, als die Sex Pistols ihr einziges Album herausbrachten, war Marie Arndt noch gar nicht auf der Welt. Für die 39-Jährige, die im Peterswerder wohnt und tagsüber dem durchaus soliden Beruf der Gesundheitstrainerin nachgeht, ist Punk jedoch ein viel weiterer Begriff: „Es gab ihn schon lange vorher, und er ist nie verschwunden“, sagt sie. In der Galerie ihrer Punk-Porträts tauchen darum nicht nur die Idole der frühen Punkbewegung auf – darunter Iggy Pop, John Lydon und Sid Vicious, Patti Smith, Debbie Harry und die amerikanische Musikerin Jayne County (eine der ersten Transfrauen in der Geschichte moderner Musik, erklärt Arndt). Zum Soundtrack ihres eigenen Lebens gehören Bands wie die Dead Kennedys und Agnostic Front – Hard Core-Punk der 1980er-Jahre. Ihre Definition von Punk umfasst aber auch die Musiker Johnny Cash und Woodie Guthrie, oder die Dichter George Orwell, Bertold Brecht und Heinrich Böll: „Sie alle waren Unangepasste, die im Leben und in ihren Werken gesellschaftliche Normen hinterfragten und ablehnten“, sagt sie. Für ihre Motive hat sie ein strenges Auswahlkriterium: „Ich könnte nie jemanden malen, den ich nicht selbst gut finde“, erklärt Arndt.
Manche ihrer Bilder muss man von ganz nah betrachten – Teebeutel und alte Spielkarten sind die Leinwände ihrer winzigen Miniaturen. Die anderen, die teilweise auf Vinylplatten gemalt sind, erfordern eine gewisse Distanz. Arndt zeichnet die Konturen fotografischer Porträts aus freier Hand nach und gibt ihnen anschließend mit Feldern aus Acrylfarbe ein Gesicht. Das Ergebnis sind fast fotorealistische Darstellungen – umso erstaunlicher, wenn man erfährt, dass die Künstlerin erst vor drei Jahren mit der Malerei begonnen hat.
Ewig unkonventionell
„Eine Lebenseinstellung – besser könnte man es nicht formulieren”, sagt auch Jörg Steinbeck. In seiner Jugend gehörten die typischen Punks mit ihren Irokesenfrisuren noch eher zum Straßenbild. „Ich lief auch eine Zeit lang so herum“, erklärt der 55-Jährige, der in Walle wohnt und sich die freie Kunst mit seinem „Brotjob“ als Taxichauffeur ermöglicht. Die Musik habe ihn dabei sein Leben lang begleitet, erzählt Steinbeck, Gründungsmitglied der Ausstellungsreihen Kap-Hoorn-Art in Bremen, der Kunst-Etagen-Pankow in Berlin und der Worpsweder Werkschau. „Ich hatte das Thema schon seit Jahren im Kopf.“
Die plakativen Arbeiten für die aktuelle Ausstellung entstanden in einer vielschichtigen Mischtechnik. Steinbeck hat dafür ikonische Aufnahmen von Idolen der Punk-Ära wie den Sex Pistols, den UK Subs, David Bowie und Willy DeVille auf gebrauchte Kartons gedruckt, mit Neonfarben übermalt und mit Schnipseln aus Liedtexten beklebt: Eine wilde Mischung, die sich bewusst auf die ganz eigene Punk-Ästhetik bezieht, wie sie auf Plattencovern und Konzertplakaten der 1970-er Jahre erscheint. Und wie man daran sieht: Punk bleibt einfach ewig unkonventionell.