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Ukraine-Krieg Mehr als 500 Flüchtlinge im Kreis Verden

Theoretisch teilt die Landesaufnahmebehörde den Kommunen mit einer Woche Vorlauf mit, wie viele Flüchtlinge sie zu erwarten haben. Die Praxis sieht anders aus, wie sich in Verden zeigt.
24.03.2022, 16:36 Uhr
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Mehr als 500 Flüchtlinge im Kreis Verden
Von Felix Gutschmidt

Der erste Eindruck vom Landkreis Verden fällt durchwachsen aus. Die ukrainischen Flüchtlinge fahren in einem Kleinbus am Kreishaus vor, laden ihr Gepäck aus – ein paar Taschen und wenige Rollkoffer – und werden zunächst in ein Zelt im Innenhof geleitet. Dort können sie an Bierzeltgarnituren Platz nehmen. Ein Dolmetscher begrüßt sie und erklärt ihnen die nächsten Schritte. Wenigstens scheint die Sonne.

Für das Willkommen im Zelt hat sich die Kommune bewusst entschieden, sagt Landrat Peter Bohlmann. Es handele sich um einen Wartebereich, der den Neuankömmlingen etwas Raum geben soll. Kinder sollen die Möglichkeit bekommen, draußen auf der Wiese zu spielen, statt in irgendeiner Amtsstube auf einem wackeligen Stuhl zu hocken.

Acht ukrainische Flüchtlinge sind gestern am Kreishaus in Verden angekommen. Für heute sind wieder acht angekündigt. Ob es tatsächlich so kommt, kann niemand in der Verwaltung mit Sicherheit sagen. Theoretisch teilt die Landesaufnahmebehörde für die Folgewoche mit, welche Aufnahmequote die Landkreise und kreisfreien Städte zu erfüllen haben. Die Praxis sieht anders aus. "Aktuell ist uns angekündigt, dass jederzeit mit zusätzlichen Zuweisungen zu rechnen ist", sagt Verdens Landrat Peter Bohlmann. Er erklärt die derzeitige Unwägbarkeit mit einem Ausgleich zwischen den Bundesländern, der für eine gerechte Verteilung sorgen soll. "Flüchtlinge, die im Zuge dieses bundesweiten Ausgleichs nach Niedersachsen kommen, werden dann im entsprechenden Verhältnis allen beteiligten Kommunen zugewiesen werden."

550 Flüchtlinge im Landkreis

Insgesamt halten sich nach offiziellen Angaben derzeit 550 ukrainische Flüchtlinge im Landkreis Verden auf.  134 hat das Land der Region zugewiesen. 416 sind in privaten Unterkünften untergebracht und haben sich bei den Einwohnermeldeämtern der jeweiligen Städte und Gemeinden gemeldet. Unter den Flüchtlingen sind 200 Kinder und Jugendliche, sagt Bohlmann. Wie viele davon ohne Begleitung nach Deutschland gekommen sind, lasse sich nicht immer eindeutig sagen.  "Bisher gehen wir von einer gerade zweistelligen Zahl an Vollwaisen aus."

Die meisten Minderjährigen sind in Begleitung ihrer Mütter in den Kreis Verden gekommen, teilweise haben auch die Großmütter ihre Enkel auf der Flucht begleitet. Väter sind nur selten zu sehen, denn Männer im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren dürfen die Ukraine in der Regel nicht verlassen. Auch ältere Flüchtlinge sind die Ausnahme. Nur 33 Personen, die im Kreis Schutz vor dem Krieg suchen, sind 60 Jahre oder älter.

Bislang reichen die Kapazitäten für die Erstaufnahme im Containerdorf am Kreishaus und die Turnhalle an der Berufsbildenden Schule in Verden aus. Allein dort können etwa 200 Menschen vorübergehend eine Herberge bekommen. Fertiggestellt seien darüber hinaus die Turnhalle in Kirchlinteln, die Tennishalle in Ottersberg und in Kürze das Feuerwehrgerätehaus in Bassen, kündigt Bohlmann an. In der konkreten Planung befänden sich die Turnhalle in Dörverden und die Turnhalle in Uphusen. Weiterhin würden Unterkünfte in verschiedenen privaten und gewerblichen Objekten eingerichtet, sagt der Landrat.

Für den Fall, dass die bisher getroffenen Maßnahmen nicht ausreichen, um die in den nächsten Wochen und Monaten eintreffenden Flüchtlinge unterzubringen, prüft der Landkreis nach eigenen Angaben noch andere Unterbringungsformen in Hallen oder weiteren Containermodulen. Auch die Suche nach Wohnungen läuft weiter. Massenunterkünfte mit dutzenden Menschen auf engem Raum sollen nur eine Übergangslösung bleiben. Doch Wohnraum ist ein begehrtes Gut, und das nicht erst seit ein paar Wochen.

Schwierige Suche nach Wohnraum

"Wir hoffen, dass die Bereitschaft steigt, Wohnraum zu vermieten oder durch den Umbau bisher ungenutzten Raumes Wohnraum zu schaffen", sagt Bohlmann. Es gibt ein Wohnraumförderprogramm, bei dem der Landkreis Investitionszuschüsse von bis zu 8000 Euro verspricht. Kurzfristig dürfte das allerdings kaum helfen. Daher bemüht sich der Landkreis, Häuser und Apartments für Flüchtlinge anzumieten. Dieses Thema werde "mit Hochdruck" bearbeitet, sagt Bohlmann.

Bis dahin ist es für die gerade angekommenen Ukrainer noch ein weiter Weg. Nach der Begrüßung im Zelt wartet die deutsche Bürokratie. Wenn die persönlichen Daten erfasst sind, müssen die Angekommenen Formulare ausfüllen und Anträge stellen, damit sie die Leistungen bekommen, die ihnen als Asylbewerber zustehen. Dann geht es weiter in die Unterkunft in einer der Turnhallen oder im Containerdorf am Kreishaus, wo sie von Mitarbeitern des Deutschen Roten Kreuz (DRK) und der Johanniter empfangen werden. Dolmetscher helfen bei der Kommunikation.

Im Containerdorf am Kreishaus, wo bis vor wenigen Wochen noch das Impfzentrum untergebracht war, spielt sich das Leben vor allem im Freien ab. Eine junge Frau sitzt rauchend unter einem Pavillon und telefoniert. Zwei Jungen fahren mit einem Kettcar herum und kreischen vergnügt, als ein DRK-Mitarbeiter ihnen im Spiel mit einem Besen hinterherjagt. Eine Gruppe Frauen kommt gerade in ein Gespräch vertieft von einem Spaziergang zurück in ihr neues Zuhause. Die Stimmung ist gut. Es gibt vielleicht wenig Annehmlichkeiten rund um die Container auf dem Parkplatz hinter dem Bauzaun. Aber es gibt auch keinen Krieg.

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