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Fassmer Werft Uthörn: Umweltfreundlicher Antrieb macht Schiff zum Vorreiter

Die Uthörn könnte zum Vorreiter für die deutsche Schifffahrtsbranche werden: Der Forschungskutter des AWI soll mit grünem Methanol und damit klimaneutral fahren. Was der Schiffsneubau aus Berne noch bietet...
25.08.2022, 15:46 Uhr
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Uthörn: Umweltfreundlicher Antrieb macht Schiff zum Vorreiter
Von Patricia Brandt

Noch vor kurzem verhüllten Planen das Forschungsschiff Uthörn in der Halle der Berner Fassmer Werft. Doch bereits kommenden Dienstag soll der Neubau zu Wasser gelassen werden. „Das wird ein Spektakel“, meint Michael Klages. Der Tiefseebiologe betreut das Projekt für das Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven. Diverse Medienvertreter haben sich angesagt. Denn die Uthörn ist das erste deutsche Seeschiff, das mit grünem Methanol fährt. Damit, hofft Klages, werde sie zum Vorbild für eine ganze Branche. Was sich hinter dem Millionenprojekt verbirgt…

13,227 Millionen Euro kostet der Forschungskutter, der Ende Oktober an das Forschungsinstitut in Bremerhaven übergeben werden soll. Hunderte Studenten werden dann bei Forschungsfahrten mit der neuen Uthörn lernen, was für Tiere am Meeresgrund der Nordsee leben und wie ein Bodengreifer einzusetzen ist. „Der Haupteinsatzbereich der Uthörn ist die studentische Ausbildung“, sagt AWI-Projektleiter Michael Klages.     

Anti-Rolltank für seekranke Studenten

Zwei Jahre Bauzeit hatte die Fassmer Werft für die neue Uthörn veranschlagt. „Die Übergabe kann sich um ein paar Wochen verschieben, aber das ist nicht so dramatisch für uns“, sagt Michael Klages. Wegen nicht lieferbarer Winden für ein Schleppnetz war es zu einer kurzzeitigen Verzögerung gekommen. „Solange die Winden nicht da waren, konnte das Heck nicht zugeschweißt werden.“ 

Die neue Uthörn ist mit ihren Maßen – sie misst 35,7 Meter in der Länge und neun Meter in der Breite –  etwas größer als ihr Vorgängermodell und bietet vier Wissenschaftlern, fünf Besatzungsmitgliedern sowie tagsüber rund 25 Studenten Platz. Und sie wird laut Klages hoffentlich weniger schaukeln als die alte Uthörn: „Die alte Uthörn wurde intern auch ‚der Forschungskorken‘ genannt."

Dass die Studenten seekrank werden, soll nun ein „Anti-Rolltank“ verhindern: Unter der Brücke des Schiffs wurde ein Neun-Tonnen-Tank für Frischwasser verbaut, um den Rolleffekt von Steuerbord nach Backbord einzudämmen. Das war eine Mindestanforderung der Wissenschaft“, so Michael Klages. „Der Anti-Rolltank ist aber auch ein Novum für das Schiff.“

Vorreiter der Branche

Für Aufmerksamkeit sorgt in der Branche jedoch weniger der Anti-Rolltank als der Antrieb des Schiffes. Die Uthörn verfügt über zwei Methanol-Tanks. „Damit werden wir CO2-neutral unterwegs sein.“ Der Wissenschaftler hofft, dass das AWI damit zum Vorreiter der Branche wird. Der Prototyp der Uthörn zeige, dass das Prinzip funktioniert. Umweltfreundlich könnten demnächst auch Polizei- und Zollboote unterwegs sein. Michael Klages: „Ich könnte mir vorstellen, dass auch die Polarstern 2 zeitweise mit Methanol betrieben werden kann." Das als Eisbrecher angelegte Forschungsschiff des AWI könnte möglicherweise nicht komplett, wohl aber als Hybridmodell betrieben werden: „Ich halte das für eine interessante Option.“

Für grünes Methanol müsse das Awi vermutlich das Dreifache dessen bezahlen, was für eine Tonne Diesel fällig geworden wäre. "Aber", sagt Michael Klages, "irgendjemand muss anfangen, dann wird sich der Preis irgendwann angleichen. Außerdem ist dies ein schier unerschöpflicher Treibstoff." 

Der Schiffsverkehr auf den Weltmeeren sei schon heute für circa 2,6 Prozent der klimaschädlichen globalen ?CO2?-Emissionen verantwortlich. 2015 betrugen diese laut Bericht der Vereinten Nationen circa 932 Millionen Tonnen CO2. Michael Klages: „Das sind mehr als die gesamten Emissionen Deutschlands im Jahre 2019 in Höhe von 810 Millionen Tonnen CO2-Equivalente. Schätzungen deuteten darauf hin, dass ohne politische Gegenmaßnahmen die CO2-Emissionen des Seeverkehrs in Abhängigkeit von der ökonomischen Entwicklung bis 2050 sogar um 50 bis 250 Prozent im Vergleich zu 2012 ansteigen könnten.

Wasser-Wasser-Wärmepumpe an Bord

Neue Wege geht das Awi mit seinem Forschungsschiff übrigens auch beim Heizsystem. „Wir haben eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe an Bord“, berichtet der AWI-Projektleiter. „Die Wärmepumpe kostet zwar rund 120.000 Euro mehr als ursprünglich veranschlagt, aber bei dem derzeitigen Strompreis werden sich die Mehrkosten in drei bis vier Jahren amortisiert haben. Ich finde es total spannend, dass wir damit ein weiteres Novum haben, was klimafreundliche Schiffskonzepte anbetrifft“, so Michael Klages.    

Rund 400 Tonnen wiegt der Neubau. Am Donnerstagnachmittag sollte die Uthörn ins Freie gezogen werden, um den sogenannten Ventmast zu montieren. „In der Halle ist dies nicht möglich, der Mast ist zu hoch“, berichtet der AWI-Projektleiter. Der Mast ist eine Schutzvorrichtung. Sollte sich entzündliches Luft-Methanol-Gemisch sammeln, kann es über den Ventmast abgelassen werden. Die beiden Methanol-Tanks werden laut Michael Klages mithilfe von Gassensoren ständig überwacht. "Falls im Tank ein Luftraum entsteht, werden alle Leitungen mit Stickstoff befüllt." 

Erprobungsfahrten geplant

Wenn das Schiff am 30. August zu Wasser gelassen wird und die interne Taufe durch eine Mitarbeiterin der Werft gefeiert wurde, wird das Schiff für Restarbeiten ein paar Hundert Meter weiter an eine Ausrüstungspier verholt. Bald beginnt für die AWI-Mitarbeiter eine spannende Zeit: „Es wird für uns eine Einweisung und Erprobungsfahrten geben.“

Die Wissenschaftler werden dann zum Beispiel testen, ob der Neubau die Anforderungen des Forschungsinstituts erfüllt. „Das Schiff muss zehn Knoten fahren. Wenn nicht, mindert das den Preis.“ Natürlich, sagt Michael Klages, werde auch geprüft, ob der Anti-Rolltank funktioniert.

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