Sven Sperling ist ein wenig überrascht. Gerade hat der Leiter des Fassmer-Standortes Lemwerder erfahren, dass überlegt wird, eine Ortskernentlastungsstraße mitten über sein Betriebsgelände zu führen. Die Trasse gilt dabei sogar als Vorzugsvariante. "Bisher dachte ich, dass die Straße auf dem Deich gebaut werden soll. Da stehen doch bereits Pflöcke", sagt der Standortleiter.
Bei einem Gang vor die Tür nimmt er die vermutlich von der Gemeinde angedachte Trasse ins Visier. "Die Fassmer Liegenschaft geht genau bis vor die Tür von BWE-Bau", stellt Sperling mit Blick in Richtung Pförtnerhäuschen kopfschüttelnd fest. Solange für den Fassmer-Standort eine betriebsinterne Trasse bliebe, über die Schwerlastverkehr mit Überbreite fahren kann, würde sich die Muttergesellschaft vielleicht sogar noch mit dem Thema beschäftigen. Ein für ihn unlösbares Problem bekomme dann aber der zur Bremer Zech-Gruppe gehörende Betonfertigteilelieferant BWE-Bau. "BWE kommt ohne Benutzung unseres Geländes gar nicht auf seine Liegenschaft", sagt Sperling. "Dann wäre das Werk für Herrn Zech nutzlos."
Zum Rangieren notwendiger Platz geht verloren
Der Standortleiter steht eine Autolänge von Halle 11 entfernt. Ein dort geparkter Wagen ragt mit seiner Stoßstange auf den Betonplattenweg. Momentan kein Problem. Sollte hier aber einmal eine Straße verlaufen, müssten die ohnehin wenigen, auf dem Gelände vorhandenen Parkplätze der BWE-Bau zurückgebaut werden. Der Großteil der Mitarbeiter nutzt den Fassmer-Parkplatz an der Flughafenstraße vor dem Pförtnerhäuschen. Ihnen müsste Gelegenheit gegeben werden, die geplante Straße sicher queren zu können, um zu ihren Arbeitsplätzen zu gelangen.
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Der Standortleiter fragt sich, wie eine Straße nach Meinung der Vorzugsvarianten-Befürworter über das Betriebsgelände verlaufen sollte. Als Erstes müssten Absperrzäune gezogen werden, um zu gewährleisten, dass keine Betriebsfremden auf das Firmengelände gelangen. Zäune würden aber ein Rangieren mit den Offshore-Windkraft-Komponenten behindern.
Nachbar BWE-Bau wäre noch stärker betroffen. "Die Lkw, die die Fertigteile abholen, rangieren auf unserer Fläche, um die Betonteile verladen zu können. Und auch die Rohstoffe werden über das Fassmer-Gelände angeliefert", schildert Sven Sperling die heutigen Abläufe auf dem ehemaligen Flughafen-Areal. Eine scharfe S-Kurve zwischen Fassmers Heizkraftwerk und der Außenlagerfläche des Betonelemente-Produzenten vor der großen Halle 12 stellt nach Ansicht Sperlings das nächste kaum zu überbrückende Platzproblem dar. Denn soviel steht für Sperling fest: Wenn überhaupt, käme eine Straße nur am äußersten Rand des Fassmer-Eigentums – exakt an der Grenze zu BWE-Bau – infrage.
Brandschutz nicht gewährleistet
Doch der Platz ist aus Sicht des Standortleiters nicht einmal das größte Hindernis. Viel schwerer wiege die Sicherheit. "Der Brandschutz auf der BWE-Seite funktioniert nur über uns", betont Sperling. Weil der Flughafen einst als ein zusammenhängendes Unternehmen betrieben wurde, seien die Löschwasserbrunnen wohl dort platziert worden, wo sie am besten passten – und das sei auf dem heutigen Fassmer-Gelände. "Außerdem muss im Einsatzfall Aufstellfläche für Löschfahrzeuge vorhanden sein", betont Sperling. Auch müssten Produktionshallen notfalls von Einsatzfahrzeugen umfahren werden können. Werde die BWE-Bau durch eine öffentliche Straße von Fassmers Areal isoliert, sei der Brandschutz nicht mehr gewährleistet, ist Sven Sperling überzeugt.
Des Weiteren stellt sich ihm die Frage, ob eine Entlastungsstraße, über die täglich viel Verkehr rolle, quer über ein weitläufiges Tunnelsystem gebaut werden dürfe? "Das gesamte Gelände hier ist von früher untertunnelt", berichtet der Standortleiter. Auf dem Papier möge die Vorzugsvariante gut klingen. In der Realität ist sie für Sven Sperling keine Option.