Es gibt Beschäftigte, die können es kaum erwarten, dass der Ruhestand naht. Und es gibt Gerd Wesemann. Seit 50 Jahren arbeitet der 66-Jährige bei Abeking & Rasmussen. Vor zwei Jahren schon – am 1. Juni, um genau zu sein – hätte er in Rente gehen können. Ist er aber nicht. "Ich habe gefragt, ob ich länger bleiben kann", erzählt der Jubilar, der kürzlich zusammen mit weiteren Kollegen für langjährige Treue zum Familienunternehmen geehrt wurde. Die Werft an der Weser in Lemwerder blickt selbst auf eine lange Firmengeschichte zurück. Gegründet wurde sie 1907.
Dass er auf einer Werft landen würde, hatte Gerd Wesemann damals gar nicht vor Augen. "Ich wollte Elektriker werden", erinnert er sich an seine beruflichen Pläne. "Aber", erzählt er, "es gab keine Ausbildungsplätze." Was sollte der in Hude lebende 16-Jährige also machen? Sein Vater wusste Rat. "Lass uns mal losfahren", sagte der zu seinem Sohn und nahm Kurs auf Lemwerder. Auf einer Werft, so die Vermutung, wird es an Arbeit nicht mangeln. So war es. Allerdings nicht für Elektriker. "Das einzige, was du bei uns lernen kannst", erfuhr der Schulabgänger gleich, "ist Schiffbauer." Und dann gab es für den angehenden Lehrling erstmal eine Werksbesichtigung. "Die war so beeindruckend", weiß Gerd Wesemann noch heute, dass er sofort zusagte. Allein, die Schiffe von unten zu sehen, das gewaltige Ausmaß, habe ihn schon für den Job eingenommen. Er habe sich dann gar nicht mehr schriftlich bewerben müssen, erzählt der Jubilar. "Ein persönlicher Handschlag genügte."
Kontinuierlich hochgearbeitet
In der Lehrwerkstatt lernte er zunächst das Feilen, Meißeln und Körnern. Dann wechselte der Azubi in die Fertigung und nietete Stahlrümpfe. Das erste Schiff, an dem der Auszubildende damals arbeitete, trug die Baunummer 6363. Es war ein 45 Meter langes Forschungsschiff. Inzwischen arbeitet Gerd Wesemann an der Baunummer 6516. Aber längst nicht mehr am Schiff selbst. Kontinuierlich hat sich der einstige Azubi weitergebildet und bei Abeking & Rasmussen zum Prozess-Manager hochgearbeitet, der so manche Entwicklung mit auf den Weg gebracht hat. So ließ er sich Ende der 90er-Jahre an der Abendschule zum Refa-Fachmann, zum Experten für Arbeitsorganisation und Zeitwirtschaft, ausbilden und besuchte darauf aufbauend die Meisterschule. Danach übernahm Gerd Wesemann die Leitung Schiffbau. Zuvor arbeitete er aber noch von 1999 bis zum Jahr 2000 als Bauaufsicht in Wismar und überwachte den Bau des ersten 50 Meter langen sogenannten Swath-Lotsenschiffs. Ein Mehrrumpfboot, auf dem man dank spezieller Bauweise keinen Seegang spürt.
"Manches war auch eine Riesenherausforderung", berichtet Gerd Wesemann und denkt an die Jahre 2018 bis 2023, als er in Berlin die Baubegleitung der 3D-Laserschweißanlage übernahm, die er zuvor mitentwickelt hatte. Anspruchsvoll sei es auch gewesen, Möglichkeiten auszuarbeiten und zu errichten, um "die beiden größten Jachten der Werft – die 98 Meter lange Motorjacht "Aviva" und die 118 Meter lange Motorjacht "Liva" – im Dock zu bewegen und ins Wasser zu bringen. "Die ständig größer werdenden Schiffe hat die Werft immer wieder gefordert und Mitarbeiter wie Gerd Wesemann vor neue Aufgaben gestellt", sagt Unternehmenssprecherin Verena Henk anerkennend.
Viele langjährige Mitarbeiter
Er habe nie über einen Wechsel nachgedacht, blickt der Jubilar zurück. Er wisse die familiäre Atmosphäre im Unternehmen sehr zu schätzen. "Es ist nichts Ungewöhnliches, dass die Mitarbeiter lange bleiben", bestätigt Verena Henk. Neben Gerd Wesemann wurden auch weitere Kollegen und eine Kollegin geehrt: Rolf Woebken, Bernd Krause, Uwe Harms, Frank Otto, Stefan Rüscher und Jens Maguna für 40 Jahre Betriebstreue sowie Frauke Höller, Stefan Köhler, Ulf Aschmann, Marcel Dahnken, Mihrac Koc, Holger Dettmers und Thomas Eding, die seit 25 Jahren dabei sind.
Gerd Wesemann könnte ans Aufhören denken. Langeweile hätte er sicher nicht. Mit seinen zwei Enkelkindern, mit denen er "nur platt schnackt". Mit Haus und Garten oder mit seinem geliebten Sport. Zweimal in der Woche stehe Fitness-Gerätetraining auf dem Plan, erzählt er. Außerdem das Altherren-Fußballtraining, das ihn auf Trab hält. Sonntagsmorgens spielt der Huder zudem Fußballtennis, bei dem der Ball über ein Netz gekickt wird. "Wenn es die Zeit erlaubt", sagt er, "steige ich auch aufs Fahrrad." Und eigentlich könnte er auch beim Geh-Fußball mitmachen. Dann müsste er aber wirklich die Rente anpeilen. Aber Gerd Wesemann lächelt nur und sagt: "Mal sehen, was noch kommt."