Hannover/Delmenhorst . Etwa 40 der 460 niedersächsischen Kommunen sollen ihren Beamten jahrelang unrechtmäßig Leistungsprämien gezahlt haben. Betroffen sind unter anderem Aurich und Verden sowie der Landkreis Osnabrück und die Stadt Delmenhorst, die jetzt das ausgezahlte Geld von ihren Mitarbeitern zurückfordern. Aus Bremen sind ähnliche Verstöße nicht bekannt.
Hannover·Delmenhorst. 463 000 Euro Leistungsprämie hat der Kreis Osnabrück seit 2008 im Gießkannenprinzip an seine Beamten verteilt. In der Stadt Delmenhorst erhielten mehr als 70 Prozent der beamteten Mitarbeiter einen Aufschlag aufs Salär. Das niedersächsische Innenministerium sieht darin einen klaren Rechtsverstoß. Nach den Richtlinien dürfen maximal 15 Prozent der Beamten einen solchen Bonus erhalten. Einige Kommunen fordern jetzt das Geld von ihren Beamten zurück - ein weites Feld für die Juristen.
2007 änderte das Land Niedersachsen seine Verordnung über die Gewährung von Prämien und Zulagen für besondere Leistungen. Angelehnt an das Tarifrecht für die Angestellten im öffentlichen Dienst sollten künftig auch Beamte Zuschläge erhalten. "Auf dem Weg zur leistungsorientierten modernen Verwaltung ging es um die Gleichbehandlung von Angestellten und Beamten", sagt Verdens Bürgermeister Lutz Brockmann (SPD). Mit einem Teil der Beamten seien Zielvereinbarungen und Prämien abgesprochen worden. Der Stadtrat habe zugestimmt und das Geld bereitgestellt.
Gesamtsumme überstieg erlaubten Betrag nicht
Doch wie der Landkreis Osnabrück und die Städte Delmenhorst und Aurich hielt sich auch Verden nicht an die 15-Prozent-Klausel. Die ausgeschüttete Gesamtsumme überstieg dagegen offenbar in keinem Fall den vom Land erlaubten Prämienbetrag. Delmenhorst zum Beispiel durfte nach den Vorgaben aus Hannover jährlich bis zu 100000 Euro an seine Beamten verteilen, "ausgezahlt wurden 2008 aber nur 60000 Euro und 2010 nur 85000 Euro", sagt Pressesprecher Timo Frers.
Nach Angaben des Innenministeriums in Hannover hat sich die überwiegende Zahl der Landkreise und Gemeinden an die Richtlinien gehalten oder ganz auf Prämien verzichtet. Nur bei etwa 40 der 460 Kommunen gebe es Anzeichen für einen Verstoß. Um welche es sich handelt, wollte Ministeriumssprecherin Vera Wucherpfennig nicht sagen.
Bekannt ist die strittige Vergabepraxis des Kreises Osnabrück sowie der Städte Delmenhorst, Aurich und Verden. Der Kreis Osnabrück fordert inzwischen die gezahlten Prämien teilweise zurück. Das 2007 ausgezahlte Geld dürfen die Beamten jedoch behalten - die gesetzliche Verjährungsfrist ist verstrichen. Delmenhorst hatte deshalb Ende vergangenen Jahres das 2007 ausgezahlte Geld vorsorglich zurückgefordert. Dabei geht es um insgesamt 65000 Euro, die Einzelprämien reichen von 170 bis 588 Euro. 165 der 168 betroffenen Beamten legten dagegen Widerspruch ein.
"Unwissenheit kann keine Ausrede sein"
Ob die Beamten das Geld behalten dürfen oder zurückzahlen müssen, ist unklar. Es hängt von vielen Faktoren ab. Beispiel Delmenhorst: Da die Stadt auf jeden Fall 15 Prozent seiner Beamten eine Prämie zahlen dürfe, müsse nun geprüft werden, wer einen Anspruch darauf hat, sagt Timo Frers. Beispiel Osnabrück: Dort will der Kreistag auf die Rückforderung verzichten, wenn der Beamte sich darauf beruft, dass er keine Kenntnis von der konkreten Rechtslage der Prämienvergabe hatte.
Was beim Bund der Steuerzahler auf Kritik stößt: "Unwissenheit kann keine Ausrede dafür sein, um auf die Rückforderung zu verzichten", sagt René Quante in Hannover. "Schließlich sind Bürger, die rechtswidrig öffentliche Leistungen bezogen haben, auch zur Rückzahlung verpflichtet - unabhängig, ob ihnen die Rechtslage bekannt war oder nicht."
Zudem warten alle Beteiligten auf den Ausgang des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens gegen den früheren Osnabrücker Landrat und den Ersten Kreisrat wegen Verdachts der Untreue. Ein Verfahren gegen die Mitglieder des Kreisausschusses ist kürzlich eingestellt worden.
Wie Niedersachsen hat auch Bremen eine 15-Prozent-Regel. "Diese Obergrenze wird aber nicht erreicht", sagt Dagmar Bleiker, Sprecherin der Finanzsenatorin. "Jedes Ressort entscheidet selbst, wie viele Prämien ausgezahlt werden. Das hängt vom jeweiligen Personalbudget ab, das für Gehälter und Prämien zur Verfügung steht." Durch die Schuldenbremse würden die Ressorts aber eher unter dem Druck stehen, Personal abzubauen, um somit Geld zu sparen. Für besondere Prämien blieben da nur wenige Mittel übrig, so Bleiker.