Das Wetter war prächtig, das kulinarische Angebot üppig, das Gedränge kommunikativ. Das Sommerfest in der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin am Montagabend bot also beste Voraussetzungen für eine fröhliche Party. Doch nicht bei allen der 3500 Gäste wollte sich so recht Feierlaune einstellen. Die am Mittag zuvor verkündeten Haushaltsbeschlüsse der rot-schwarzen Landesregierung lagen einigen Besuchern noch schwer im Magen.
Vor allem die Kommunen fühlten sich vom SPD/CDU-Kabinett übergangen. So schlich der Präsident des Niedersächsischen Städtetages (NST), Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD), missmutig um den großen Bierstand in der Nähe der Showbühne herum. „Die wollten einfach nicht auf uns hören“, schimpfte das Stadtoberhaupt über die Großkoalitionäre. Dabei seien doch gerade die Städte die letzten Bastionen von SPD und CDU.
In knapp gehaltenen Anklagesätzen hatte NST-Geschäftsführer Jan Arning schon kurz zuvor aufgelistet, wo den Kommunen der Schuh drückt: „Zusätzliche Mittel im Bereich Kindertagesstätten sind weiter Fehlanzeige.“ Den vom Land ausgelösten Mehrbedarf durch Beitragsfreiheit und flexiblere Einschulungstermine könne man nicht bewältigen; es gebe „keine Plätze und zu wenig Erzieherinnen“. Bei Klimaschutz und Verkehrskonzepten setze das Kabinett keine Akzente, stelle außerdem nicht die versprochenen Mittel für die Stickoxid-Reduzierung zur Verfügung. Und dann kürze das Land wie der Bund auch noch die Mittel für die Integration von Flüchtlingen. „Das ist inakzeptabel.“
SPD und CDU wiesen die Kritik als nicht nachvollziehbar und ungerecht zurück. Keineswegs lassen man Kreise, Städte und Gemeinden im Regen stehen – im Gegenteil: Das Land gleiche sogar die vom Bund schrittweise gekürzten Gelder für die Flüchtlingsunterbringung und Sozialleistungen aus. „Die Kommunen bleiben beim Status quo“, betonte Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU). Im Haushaltsplanentwurf für 2020 seien nach wie vor 759 Millionen Euro an flüchtlingsbedingten Ausgaben vorgesehen. „Die meckern ohne Grund“, meinte eine Sozialdemokratin in Richtung ihres Parteifreundes Mädge.
Nicht nur der Städtetag ist unzufrieden
Der Städtetag ist allerdings nicht der einzige Hort der Unzufriedenheit. Vom Richterbund über Lehrerverbände bis hin zur Gewerkschaft der Polizei (GdP) hagelte es Rüffel für die magere Ausbeute beim Weihnachtsgeld. 500 Euro sollen nach dem Kabinettsbeschluss die unteren Besoldungsgruppen bis A 8 zu ihren bisher bereits gezahlten 420 Euro als Jahresbonus erhalten, für Staatsdiener mit A 9 aufwärts, die bislang nichts bekommen, sind 300 Euro vorgesehen. Für jedes Kind gibt es dazu 50 Euro. Pensionäre sollen leer ausgehen.
Die Ungleichbehandlung von A 8 und A 9 sei nicht berechtigt, kritisierte GdP-Landeschef Dietmar Schilff und forderte Nachbesserungen durch das Parlament. Die beschlossenen Beträge könnten nur ein Einstieg sein, meinten auch Beamtenbund und DGB. Es brauche deutlich mehr, um eine verfassungsgemäße Besoldung zu erreichen. „Das ist nicht mehr als ein Trostpflaster“, schimpfte Franz-Josef Meyer vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) über den Bonus. Auch die geplante Stellenzulage für Grund-, Haupt- und Realschullehrer mit A 12 von monatlich 94 Euro sei nur ein „Almosen“. Von Wertschätzung könne keine Rede sein, dies sei nur durch eine Anhebung auf A 13 zu erreichen.
Die Grünen nannten die Lehrer-Zulage „überfällig“, aber nicht ausreichend. Beim Weihnachtsgeld greife die GroKo mit ihrer Sozialstaffel immerhin teilweise das Grünen-Konzept auf, meinte Fraktionschefin Anja Piel. Ansonsten agiere die rot-schwarze Ministerrunde bei Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Energiewende „mutlos und zerstritten“. FDP-Finanzexperte Christian Grascha nannte den Etatplan ambitionslos. „Viel Geld ausgeben macht noch keine gute Politik.“ Konkrete Einsparziele hätten Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und sein CDU-Finanzminister nicht genannt; von der längst überfälligen Aufgabenkritik oder auch einem Schuldabbau gebe es keine Spur. „Diese Ausgabenpolitik wird sich rächen.“
Insgesamt 34,7 Milliarden Euro umfasst der Etatentwurf für 2020. 1425 zusätzliche Stellen für Gymnasiallehrer sind dort ebenso vorgesehen wie 40 neue Medizinstudienplätze an der Universität Oldenburg. Geld gibt es auch für eine bessere Ausstattung der Polizei, zusätzliche Justizwachtmeister und Finanzbeamte, Naturparks, die Digitalisierung der Landwirtschaft sowie kommunale Theater.
Außerdem liefert der Haushalt die Basis für die Sanierung der Marienburg im Süden Hannovers. Der Sitz der Welfen wandert in eine gemeinnützige Stiftung. Bund und Land teilen sich die Bau-Kosten von 27,2 Millionen Euro. Die erste Tranche Niedersachsens über 100.000 Euro soll laut Kabinettsbeschluss 2020 fließen.