Anfang des Jahres ist die neue Gülleverordnung in Kraft getreten. Landwirte stöhnen über zu viel Bürokratie. Sie müssen alle auf dem Hof anfallenden Nährstoffe der neuen Düngebehörde melden. Wasserversorgern und Umweltexperten gehen die neuen Vorschriften hingegen nicht weit genug. Sie fordern größere Abstände zu Oberflächengewässern beim Düngen. Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) steht unter Druck angesichts der Tatsache, dass bereits 60 Prozent der Landesfläche stark mit Nitrat belastet sind.
„Die Landwirte sind durch die sehr komplexen Vorgaben sehr stark verunsichert“, erklärt der Präsident des niedersächsischen Bauernverbandes Landvolk Albert Schulte to Brinke. Nach Angaben des Landvolks muss jeder dritte Landwirt zusätzliche Bilanzen erstellen. 10 000 Landwirte müssen in diesem Jahr erstmals eine Stoffstrombilanz vorlegen. Die bisherigen Faustzahlen aber reichten nicht mehr, heißt es in einer Mitteilung des Landvolks, die Daten müssten jetzt exakt bilanziert und dokumentiert werden. Der Bauernverband appelliert an die Landesregierung, das Verfahren zu verschlanken.
Der Agrarexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Niedersachsen, Tilman Uhlenhaut, kann die Klagen der Bauern über zu viel Bürokratie nicht nachvollziehen. „Die Daten liegen in den Betrieben vor. Sie müssen ohnehin an die Landwirtschaftskammer übermittelt werden“, so Uhlenhaut. Im gleichen Gebäude in Oldenburg ist auch die neue Düngebehörde untergebracht. „Die Übermittlung der Daten sollte kein Problem darstellen“, meint Uhlenhaut.
„Wir brauchen größere Abstände zu den Gewässern, um diese besser vor zu hohen Nitrateinträgen aus der Landwirtschaft zu schützen“, fordert der Agrarexperte des Umweltverbandes. Auch müsse der Grenzwert von maximal 50 Milligramm Nitrat pro Liter auf mindestens 40 Milligramm Nitrat pro Liter reduziert werden. „Das Landvolk täte gut daran, sich nicht länger gegen die neue Düngeverordnung zu wehren. Wir haben ein Nitratproblem und müssen etwas dagegen tun.“ Wer sauberes Grundwasser und gesunde Bäche und Flüsse wolle, müsse etwas Anstrengung in Kauf nehmen.
"Die Datenübermittlung sollte kein Problem darstellen"
Wasserversorger appellieren schon lange an die Politik, endlich durchzugreifen. Der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV) etwa fordert, dass die Viehzahlen endlich der Fläche angepasst werden, um die Überdüngung der Felder nachhaltig in den Griff zu bekommen. „Die neue Verordnung ist ein Kompromiss, der nicht weit genug geht“, so Sprecher Gunnar Meister. Natürlich ließe sich das Wasser auch technisch von Nitrat befreien, aber das sei teuer. „Am Ende zahlt der Verbraucher die Wasserrechnung“, so Meister. Da sei es besser, in den vorbeugenden Grundwasserschutz zu investieren.
Unterdessen will Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) den Gülle-Überschuss durch die staatliche Förderung von neuen Güllelagern entschärfen. Das Landvolk begrüßt den Vorstoß der Ministerin. Sprecherin Gabi von der Brelie erklärt: „Mit dem Ausbau von Güllelagerstätten sind die Landwirte flexibler.“ So könne Gülle zwischengelagert werden, wenn diese auf Grund der Witterung nicht auf die Felder darf. Ackerbaubetriebe in Südniedersachsen hätten endlich die Möglichkeit, Gülle aus den viehreichen Regionen im Nordwesten einzulagern und bei Bedarf einzusetzen.
Für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ist die Förderung von Güllelagern nicht nur kontraproduktiv, sondern absurd. Die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe in Niedersachsen sind der Meinung, dass weitere Lagerkapazitäten zu einer noch größeren Überproduktion von Nährstoffen verleiten. „Viel sinnvoller wäre es angesichts der Grundwasserbelastung, die Tierbestände abzubauen, notfalls mit Unterstützung der Landesregierung“, so Sprecher Eckehard Niemann.
Die agrarpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Miriam Staudte, spricht von „Symptom-Doktorei“. Landesweit fehlten 100.000 Hektar zur Ausbringung der anfallenden Gülle. Von mehr Lagerkapazitäten vergrößere sich die Fläche nicht. Das Geld sei besser in der Fortführung der Weideprämie angelegt. Geld dafür ist im Nachtragshaushalt der rot-schwarzen Landesregierung aber genauso wenig vorgesehen wie für die Förderung von Güllelagern. Die Weideprämie zum Erhalt von Grünland läuft in diesem Jahr aus.