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Landtagswahl in Niedersachsen Rot-Grün heißt der Sieger in der Krise

Auf den Wahlpartys am Sonntagabend in Hannover stehen sie schon zusammen: Politiker von SPD und Grünen. Das vorläufige Wahlergebnis spricht deutlich für eine rot-grüne Koalition in Niedersachsen.
09.10.2022, 23:12 Uhr
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Rot-Grün heißt der Sieger in der Krise
Von Peter Mlodoch

Der Wahlsieger lässt 33 Minuten auf sich warten. Niedersachsens alter und neuer SPD-Ministerpräsident Stephan Weil will sich am Sonntagabend nicht auf die 18-Uhr-Prognosen verlassen, sondern noch die erste Hochrechnung abwarten. Sicher ist sicher. Als diese dann fünf Punkte Vorsprung vor der CDU seines Herausforderers Bernd Althusmann zeigt, tritt er im SPD-Fraktionssaal vor seine Genossen und lässt sich mit minutenlangem Applaus feiern. Was machen da schon die Verluste gegenüber der Landtagswahl 2017 aus. Weils dritte Amtszeit steht schließlich so gut wie fest. „Die Wählerinnen haben der SPD den Regierungsauftrag erteilt und niemanden anders“, ruft der 63-jährige Jurist von der Bühne.

Am anderen Ende des Flurs im  Leineschloss ziehen die großen Verlierer bereits ihre personellen Konsequenzen. CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann kündigt mit stockender Stimme seinen Rücktritt als Landesvorsitzender an, noch bevor ehrgeizige und enttäuschte  Parteifreunde seinen Kopf offiziell fordern können. Die Union sei bei den Bürgern nicht durchgedrungen. „Dafür übernehme ich die Verantwortung“. Jetzt sei es Zeit, die Weichen für die Zukunft zu stellen. „Nach der Wahl ist vor der Wahl.“ Und zwar ohne ihn.

Auch Fraktionschef Dirk Toepffer wirft hin. Auf der konstituierenden Sitzung der neuen Fraktion am Dienstag werde er nicht erneut für den Vorsitz antreten. Um seine Nachfolge rangeln sich nach Informationen des WESER-KURIER Finanzminister Reinhold Hilbers und Generalsekretär Sebastian Lechner. Letzterer genießt zwar den Rückhalt der jüngeren Abgeordneten, gleichzeitig lasten andere dem Wahlkampfmanager eine Mitschuld am Stimmdesaster an.

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Der große Gewinner Weil verbietet sich derweil überschäumende Euphorie und Häme. Dass so viele Menschen in dieser Zeit voller Sorgen der SPD ihre Stimmen gegeben hätten, sei „weiß Gott nicht selbstverständlich“. Er fühle sich diesem Votum verpflichtet. „Ich werde alles dafür tun, dieses Vertrauen zu rechtfertigen.“ Der SPD-Landeschef erlaubt sich nur einen kleinen Seitenhieb auf die Konkurrenz vom bisherigen Koalitionspartner CDU, der „manchmal doch eher einen verdeckten Bundestagswahlkampf“ geführt habe. Abgrenzung von seiner eigenen Kanzler-Partei kommt Weil aber in der Stunde des Triumphs nicht in den Sinn – im Gegenteil: „Die niedersächsische SPD betrachtet sich gerade heute Abend als Teil der Bundes-SPD.“

Rot-grüne Wunschpartner

Auf die Jubel-Bremse tritt Weil auch bei der Koalitionsfrage. Auf die Grünen als seinen immer wieder erklärten Wunschpartner möchte sich der Ministerpräsident so früh noch nicht festlegen. „In Niedersachsen haben Wahlabende durchaus schon länger gedauert“, warnt er seine Genossen. Dabei bilden sich im Leineschloss längst kleine rot-grüne Grüppchen als Vorboten einer Koalition. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kommt auf eine Stippvisite bei den Grünen vorbei und plauscht angeregt mit deren Spitzenkandidat Christian Meyer.

Ampel nicht ausgeschlossen

Der grüne Bundestagsabgeordnete Helge Limburg aus Hameln schaut bei der SPD-Fraktion vorbei – mehr als nur eine Höflichkeitsgeste. „Wir reden schon mal über Rot-Grün 2.0“, berichtet Noch-Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) halb im Scherz, halb ernst. „Wir machen es“, meint auch die scheidende Landtagspräsidentin Gabriele Andretta. Wenn es für Rot-Grün allein nicht reiche, sei eine Ampel mit der FDP für die SPD ebenfalls vorstellbar.

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Fast zeitgleich sendet Grünen-Spitzenkandidatin Julia Hamburg ganz offiziell ihre Partnerschaftsangebote von der Wahlparty im Alten Rathaus in den keinen 200 Meter entfernten Landtag. Zwar liegt ihre Partei weit unter den im Frühjahr noch prognostizierten 22 Prozent. Doch ihr Wahlziel, das beste aller grünen Ergebnisse in Niedersachsen zu erzielen, hat die Öko-Partei trotz der Purzelbäume bei Atom, Gas und Kohle knapp erreicht. „Wir freuen uns wirklich sehr“, spricht eine bestens gelaunte Fraktionschefin ins Mikrofon. „Wir sind bereit, wieder Regierungsverantwortung zu übernehmen“, meint Hamburg mit Blick auf die 2013 begonnene Partnerschaft mit der SPD, die durch den Übertritt der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten 2017 vorzeitig endete. Schon am Mittwoch könnten nach Informationen des WESER-KURIER die Koalitionsverhandlungen beginnen.

FDP verpasst Einzug in den Landtag

Wie knapp der Vorsprung von Rot-Grün im neuen Landtag ist, steht am späten Abend noch nicht fest. Für die FDP hingegen ist klar: Es reicht nicht. Spitzenkandidat Stefan Birkner hat eine nervenaufreibende Zitterpartie erlebt – die ersten Hochrechnungen haben die Liberalen noch knapp über der Fünf-Prozent-Hürde gesehen. Bei der AfD herrscht dagegen eitel Sonnenschein. Die Rechtsaußenpartei kann von der Angst vieler Bürger profitieren und deutliche Stimmengewinne einfahren.

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