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34 Doppelstockzüge fehlen Massive Störung auf dem Expresskreuz Bremen/Niedersachsen

Die verzögerte Lieferung neuer Züge für das Expresskreuz Bremen/Niedersachsen hat bereits Auswirkungen. Richtig schlimm könnte es in einem Jahr werden: "Dann stehen wir ohne Züge da", warnt die Betreiberin.
17.12.2024, 05:53 Uhr
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Von Joerg Helge Wagner Manuela Kanies

Nur noch einstöckig und kürzer: Auf der Bahnstrecke von Bremerhaven nach Osnabrück werden seit Sonntag die roten Doppelstockzüge nach und nach durch die einstöckigen Triebwagen der Baureihe ET 442 ersetzt. Damit wird es künftig eng in den Zügen, denn laut Fahrgastverband Pro Bahn fällt rund ein Viertel der Sitzplätze weg. Das bestätigt Dirk Altwig, Sprecher der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG): "Auf der RE 9 gibt es ET 442 in Doppeltraktion mit 411 bis 470 Sitzplätzen. Das sind tatsächlich leider weniger Sitzplätze als bis zum Fahrplanwechsel." Denn die fünfteiligen Doppelstockzüge bieten rund 540 Plätze. "Da ist zu spüren, dass die neuen Züge mit rund 660 Sitzplätzen fehlen", bedauert Altwig.

Massive Verspätungen am Wochenende

Das Expresskreuz umfasst den Regionalzugverkehr zwischen Osnabrück, Hannover und der Küste (RE 1, RE 8 und RE 9). Es wird täglich von rund 40.000 Pendlern genutzt, die Regionalzug-Linien kreuzen sich in Bremen. Zum Fahrplanwechsel wurde nun für die Linien RE 8 und RE 9 ein Ersatzkonzept vorgestellt, das die LNVG zusammen mit der Deutschen Bahn erarbeitet hat. Neben den bisherigen doppelstöckigen Wagen setzt man eben jene einstöckigen ET 442 ein, die in Hessen nach zehn Jahren nicht mehr gebraucht werden. Sie haben kein WLAN und sind nicht barrierefrei. Fahrgäste, die mobilitätseingeschränkt sind, sollten sich laut Bahn vorab bei der Mobilitätszentrale anmelden.

Bereits am vergangenen Wochenende gab es auf der Linie RE 9 massive Verspätungen. Und für Pendler wird es auch diese Woche eng: Die Nordwestbahn kann erneut die Strecke aufgrund von Bauarbeiten nicht bedienen. Das heißt, es fallen zahlreiche Verbindungen aus und werden durch Busse ersetzt.

Wie eine Bahnsprecherin auf Anfrage des WESER-KURIER erklärt, sollen die einstöckigen Triebwagen mit doppelter Kapazität fahren. Allerdings konnte diese geplante Doppeltraktion am vergangenen Sonntag zwischen Osnabrück und Bremen nicht umgesetzt werden. Laut Bahnsprecherin waren Störungen an den Fahrzeugen der Grund dafür: "Wir bedauern die für die Nachfrage in der Adventszeit zu geringe Kapazität und bitten alle betroffenen Fahrgäste um Entschuldigung." Seit Montag fahren daher wieder einzelne Doppelstockzüge auf der Strecke. "In wenigen Tagen stehen uns ausreichend ET442 zur Verfügung, um die erforderlichen Kapazitäten auf allen Linien zur Verfügung zu stellen," so die Bahnsprecherin weiter.

Keine Züge ab Dezember 2025

Richtig schlimm wird es dann in einem Jahr, wenn Hersteller Alstom tatsächlich erst im März 2026 mit der Auslieferung beginnen sollte, die ursprünglich bereits jetzt komplett vollzogen sein sollte. Eigentlich müsste Alstom Ersatzfahrzeuge stellen, aber laut LNVG konnten nicht einmal diese zugesagt werden. "Das heißt Stand heute: Mit der erneuten Verzögerung bei Alstom stehen wir ab Dezember 2025 ohne Züge für das Expresskreuz da", warnt Altwig.

Einen heißen kommenden Herbst erwartet auch Malte Diehl, Vorsitzender des Pro-Bahn-Landesverbands Brermen/Niedersachsen. Nämlich dann, wenn auch auf der Linie RE 1 (Hannover-Bremen-Oldenburg-Norddeich Mole) die bisherigen roten Doppelstockwagen ausgemustert werden. "Die sind jetzt schon an Adventswochenenden völlig überfüllt."

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Das Horrorszenario ist keineswegs unwahrscheinlich, denn Deutschlands größter Hersteller von Schienenfahrzeugen – 9.600 Beschäftigte an 15 Standorten – hat die LNVG nun bereits zum vierten Mal in drei Jahren mit Lieferschwierigkeiten konfrontiert. Bei der Bestellung im Februar 2021 hatte Alstom geplant, die 34 Doppelstockzüge bis Ende dieses Jahres auf die Strecke zu bringen. Im Dezember 2022 hieß es dann, man schaffe den Termin nur für zehn der 34 Züge. Ein Jahr später wurde die LNVG selbst mit diesen zehn Zügen auf Sommer 2025 vertröstet. Ende August sollten ab Dezember 2025 lediglich 20 abgespeckte Versionen einsatzbereit sein, der Rest im Sommer 2026. Ende November schließlich räumte Alstom nach Darstellung der LNVG ein, dass man frühestens im März 2026 die ersten Züge liefern könne - und auch die nur in der "Einfachtraktion" mit je sechs Wagen.

Dabei geht es um einen 760 Millionen Euro schweren Auftrag. Mit 420 Millionen Euro ist das Land Niedersachsen dabei: Fördermittel des Wirtschaftsministeriums für den Schienenpersonennahverkehr. „So viele neue Züge hat Niedersachsen noch nie auf einen Schlag bestellt", betonte im Februar 2021 der damalige Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU).

Jetzt will erst einmal die LNVG ein Zeichen für Alstom setzen: "Wenn Alstom wirklich bis Dezember 2025 gar keine neuen Züge liefert, brauchen wir vom Konzern Zusagen für Ersatzzüge für das komplette Netz", betont Altwig. Bislang habe man eine branchenübliche Anzahlung geleistet. "Wir werden juristisch alle Schritte mit Blick auf Schadenersatz prüfen."

Genervten Bahnreisenden und Pendlern empfiehlt Pro-Bahn-Sprecher Diehl, nach Möglichkeit erst am späten Vormittag den RE 9 zu nutzen oder auf die Regio-S-Bahn auszuweichen. Und er hofft, dass die LNVG keine Neuentwicklung, sondern "etwas von der Stange" bestellt, wenn ab 2029 die letzten Diesel-Triebwagen durch batteriegetriebene Modelle ersetzt werden sollen.

Dabei hat die LNVG die jetzt fehlenden Doppelstockzüge nicht mutwillig neu entwickeln lassen. Es geht um eine neue Direktverbindung Hannover-Oldenburg-Wilhelmshaven. Dazu wird der RE 1 künftig aus zwei Zugteilen gebildet und in Oldenburg geteilt: Der lange Teil fährt weiter nach Norddeich, der Kürzere nach Wilhelmshaven. "Auf dem Markt gab es damals keine Züge, die die jeweils nötige Kapazität geboten hätten", beteuert Altwig. "Eine Neuentwicklung war also nötig."

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