Fürs Schwänzen hinter Gitter: Weil sie unentschuldigt dem Unterricht ferngeblieben waren, bekamen 399 Niedersachsen in diesem Jahr einen Jugendarrest aufgebrummt.
Fürs Schwänzen hinter Gitter: Weil sie unentschuldigt dem Unterricht ferngeblieben waren, bekamen 399 junge Niedersachsen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres einen Jugendarrest aufgebrummt. 2015 mussten 552 Jugendliche wegen Verletzung ihrer Schulpflicht einen Arrest verbüßen. Das ergibt sich aus einer Antwort des Kultusministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-Landtagsfraktion. Laut Justizministerium in Hannover betrug im ersten Halbjahr 2016 die durchschnittliche Arrestdauer für diese Schulschwänzer 5,68 Tage. In Bremen dagegen musste laut Bildungsbehörde seit 2014 kein Schüler wegen schuldhaften Fehlens in eine Zelle.
Nach Paragraf 176 des niedersächsischen Schulgesetzes handelt ordnungswidrig, „wer vorsätzlich oder fahrlässig seiner Schulpflicht nicht nachkommt“. Dieser Verstoß kann dann mit einer Geldbuße zwischen fünf und 1000 Euro geahndet werden. „Wird das Bußgeld nicht bezahlt, was aufgrund der regelmäßig begrenzten finanziellen Möglichkeiten von Schülern sehr häufig der Fall ist, ordnet das Jugendgericht zunächst Arbeitsstunden an“, erläutert eine Sprecherin von Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) das im Ordnungswidrigkeitengesetz geregelte Verfahren. „Kommt die Schülerin oder der Schüler dieser Arbeitsweisung nicht nach, kann das Jugendgericht nach einer mündlichen Anhörung Jugendarrest verhängen.“
Ein Bußgeld riskieren auch Väter und Mütter, die ihre Kinder nicht in die Schule schicken, eigenmächtig die Schulferien verlängern oder einfach nur wegschauen, wenn der Nachwuchs blaumacht. Allein das Ordnungsamt Hannover verhängte im vergangenen Jahr insgesamt in 1887 Fällen Geldbußen gegen Schüler oder Eltern. 2014 waren es 995 Verfahren, im Jahr davor 1602. Die meisten Fälle beträfen allerdings ältere Schüler an berufsbildenden Schulen, stellt ein Sprecher der Landeshauptstadt klar. Im etwa gleich großen Bremen wurden nach Auskunft der Bildungsbehörde in 2014 lediglich insgesamt 166 und im vorigen Jahr 261 Bußgelder fällig, in den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es 109 Fälle.
Warum in Niedersachsen scheinbar öfter und schneller – zumindest im Vergleich mit Bremen – Bußgelder und Jugendarrest verhängt werden, sagt das Justizministerium in Hannover nicht. Auch das Ressort von Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) hat für die Anzahl der Fälle keine Erklärung parat. Stattdessen verweist die rot-grüne Landesregierung auf diverse Präventionsprojekte. Gemeinsam mit Schulen, Familien und Behörden ziele man darauf ab, mögliche Ursachen frühzeitig zu erkennen.
„Konsequentes Hinsehen bei allen Anzeichen für individuelle Störungen bildet die Grundlage zur Vermeidung von Schulverweigerung und damit Schulpflichtverletzungen“, heißt es in der Antwort der Kultusbehörde. Dabei müsse man psychische Ursachen wie Prüfungspanik oder Trennungsängste vom Schulschwänzen abgrenzen. „Bei letzterem ist von einer sozialen Fehlanpassung auszugehen.“ Seit Jahresbeginn werden alle Fälle, in denen wegen Schwänzens ein Jugendarrest verhängt wird, zentral erfasst. Insgesamt brummen in Niedersachsen rund 3500 Jugendliche pro Jahr diese Sanktion ab, neben der Schulverweigerung vor allem wegen krimineller Delikte.
Unentschuldigtes Fehlen wegen einer möglichen islamistischen Radikalisierung kam laut Kultusministerium dagegen nur selten vor. Sieben Schulverweigerungen, in denen auch entsprechende Terror-Ermittlungen geführt wurden, seien bekannt: 2014 zwei Fälle aus dem Bereich der Polizeidirektion (PD) Hannover, je einer aus der PD Braunschweig und der PD Göttingen; 2015 ein Fall der PD Lüneburg, sowie 2016 zwei Fälle wiederum aus Hannover, davon ein Mädchen. Dass es sich dabei um die Schülerin Safia S, die im Februar mit einem Messer einen Polizisten am Bahnhof Hannover attackierte und die wegen Unterstützung einer ausländischen Terrorgruppe angeklagt ist, handelte, wollte das Kultusministerium auf Nachfrage nicht bestätigen: „Aus Gründen des Persönlichkeitsrechts der Schülerinnen und Schüler erfolgt keine namentliche Zuordnung der genannten Fälle.“
Schwänzen wegen einer möglichen Ausreise nach Syrien sind der Bremer Schulbehörde dagegen nicht bekannt: „Inwieweit Schulpflichtverletzungen mit einer etwaigen islamistischen Radikalisierung in Zusammenhang stehen, kann von hier nicht beurteilt werden“, sagt eine Sprecherin von Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD).