Die Deutsche Bahn hat Strategien vorgestellt, um an großen Umsteigebahnhöfen Ärgernisse zu beheben. In Niedersachsen und Bremen soll eine neue App die Reisenden auf dem Laufenden halten.
„Achtung, die Türen schließen.“ Bei der Bahn soll das auf allen Fernbahnhöfen in Niedersachsen und Bremen jetzt 20 Sekunden früher, also bereits in der Minute vor der planmäßigen Abfahrtzeit, passieren. Beträgt diese beispielsweise 12:07 Uhr, fährt der Zug dann los, wenn der Zeiger auf 12:07 springt. „Wenn ein Zug pünktlich losfährt, ist die Chance viel größer, dass er auch pünktlich ankommt“, erklärte der Norddeutschlandchef der Deutschen Bahn AG, Ulrich Bischoping, am Freitag in Hannover.
Dort und in Köln war die Sekundenspar-Strategie getestet worden – erfolgreich, wie Bischoping berichtete. Die Bahn konnte danach in Hannover ihre Abfahrpünktlichkeit von 61 Prozent 2015 auf 74 Prozent im laufenden Jahr steigern. Ziel sei eine Marke von 90 Prozent. Und die wirke sich dann positiv auf den gesamten Zugverkehr aus. Denn unter einem verspäteten Zug litten meist mehrere Verbindungen. „Das schaukelt sich hoch.“
Bei den Reisenden warb der Bahnmanager um Verständnis für die Umstellung, die ein früheres Erscheinen auf dem Bahnsteig erforderlich mache. In Frankreich müsse man sogar zwei Minuten vor Abfahrt in den Zug steigen, auf den Flughäfen noch früher. „Da beschwert sich doch auch keiner.“ Natürlich werde man auch künftig auf Anschlussreisende warten, insbesondere in „Tagesrandlagen“, versicherte Bischoping. Wer abends mit einem verspäteten ICE aus Berlin in Hannover ankomme, könne sicher sein, noch den letzten Zug nach Bremen zu erwischen. „Wir lassen die Reisenden nicht im Stich.“
Koordinatoren sorgen für reibungslose Umstiege
In den 20 großen Umsteigebahnhöfen wie Bremen, Hannover und Hamburg kümmern sich zusätzlich insgesamt 72 „Knotenkoordinatoren“ um einen reibungslosen Ein-, Aus- und Umstieg. „Schulklassen haben das Bedürfnis, dass alle durch eine Tür einsteigen. Fällt dann noch ein Koffer um, geht gar nichts mehr“, meinte Bischoping. Die Koordinatoren sollen das Ganze entzerren – auch mal mit simplen Mitteln: In Hannover stehen die Helfer an der Treppe und zeigen mit Schildern, von welchem Bahnsteigabschnitt die ICE-Teile nach Hamburg und nach Bremen fahren. „Die Reisenden rennen dann nicht mehr kreuz und quer durcheinander.“ Und schon gar nicht stiegen sie in den falschen Zugteil ein.
Die neuen Knotenmanager können auch Einfluss auf den rollenden Verkehr nehmen, etwa einem verspäteten ICE aus Göttingen mehr Tempo verordnen, um wieder Zeit aufzuholen. Außerdem sollen sie wiederkehrende Verzögerungen analysieren und beheben. Daneben will die Bahn mit einer besseren Wartung ihrer Technik für eine höhere Pünktlichkeit sorgen.
In Niedersachsen und Bremen werden 3500 wichtige Weichen mit einem Ferndiagnosesystem ausgestattet, das Verschleiß und Schäden so früh meldet, dass ein Totalausfall vermieden werden kann. Um 35 Prozent könne man damit die Verlässlichkeit steigern, betonte Bischoping. Das Pünktlichkeitsprogramm für die Fernzüge und die Modernisierung der Weichen kämen auch dem Nah- und Güterverkehr zugute.
Neue App informiert über Störungen
Ebenfalls per Fernüberwachung kontrolliert die Bahn die 184 Bahnsteig-Aufzüge in Niedersachsen und 19 in Bremen. Reisende können sich mit der neuen App „Bahnhof live“ in Echtzeit über Störungen an Aufzügen, aber auch über die jeweils aktuellen Ankunfts- und Abfahrtszeiten sowie Gastronomie oder Schließfächer in allen 5400 deutschen Bahnhöfen erkundigen.
Im Rahmen seiner Qualitätsoffensive unterzieht das Unternehmen derzeit auch das komplette rollende Material einer Generalüberholung. Die 250 ICE-Züge und 1400 IC-Reisezugwagen bekommen neue Sitz- und Rückenpolster, die Toiletten werden aufgehübscht, sämtliche Teppiche gereinigt. 183 neue Multizuganzeiger auf den Bahnsteigen, darunter 18 am Bremer Hauptbahnhof und zwei in Vegesack, sollen die Reisenden genauer informieren: Die nächste Abfahrt und zwei Folgezüge sind dort zu sehen. Ein verspäteter Zug verschwindet dann nicht mehr einfach von der Tafel. Der Wartende weiß also, dass er doch noch kommt.
Mangelnde Pünktlichkeit, lückenhafte Informationen und Defizite bei der Sauberkeit hat das Verkehrsunternehmen als Hauptärgernisse seiner Kunden ausgemacht. Mit der neuen Qualitätsoffensive, zu der auch eine gründliche Reinigung der Bahnhöfe gehört, stelle man deren Bedürfnisse wieder in den Vordergrund, bekundete Bischoping selbstkritisch. In der Vergangenheit habe sich die Bahn manchmal zu sehr „um viele andere Dinge in der Welt“ gekümmert. Jetzt gehe es darum, die Reisenden nicht nur zufriedenzustellen, sondern von dem Produkt Bahn als „Erste Wahl“ zu begeistern. Das sei die beste Werbung. „Mit mehr Kunden erzielen wir auch mehr wirtschaftlichen Erfolg.“