Vom Messebahnhof Hannover-Laatzen in andere Bundesländer: Niedersachsen wird zum zentralen Drehkreuz für Flüchtlinge aus der Ukraine. Dies kündigte Innenminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch an. Die Menschen würden dann in Absprache mit dem Bund weiterverteilt. „Wir entlasten damit besonders betroffene Regionen im Osten Deutschland“, erklärte der Ressortchef. Außerdem richte das Land auf dem Messegelände eine Außenstelle der Landesaufnahmebehörde ein.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine dominierte auch die Versammlung des Niedersächsischen Städtetages. „Unsere Mitgliedskommunen sind bereit, Flüchtlinge aufzunehmen. Wir können das“, erklärte der turnusgemäß nach zweieinhalb Jahren wiedergewählte Präsident des Verbandes, Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU). Dabei forderte das Stadtoberhaupt aber in Anwesenheit von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) eine größere finanzielle Unterstützung des Landes und eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge.
Klingebiel weiß, wovon er spricht. Seine Stadt überschritt 2017 durch den großen Zuzug von Geflüchteten so stark ihre Kapazitäten, dass sie beim Land einen Zuzugsstopp durchsetzte. Einer solchen Situation müsse man jetzt vorbeugen. „Wir wollen den Menschen aus der Ukraine Teilhabe und Integration ermöglichen. Dabei muss aber die Leistungsfähigkeit der Kommunen gesichert sein.“ Der neu gewählte Vizepräsident, der Oldenburger Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD), nannte eine Registrierung aller Flüchtlinge über die Ausländerbehörden unabdingbar. Das sei wichtig für Geldleistungen, Krankenversicherung sowie Kita-und Schulplätze für die vielen Kinder. „Wir wollen helfen, aber wir müssen da zügig Strukturen reinbringen.“
Anders als bei der Migrationsbewegung 2015, als die Verteilung zentral erfolgte, können die Kommunen die Flüchtlinge jetzt direkt aufnehmen. Dadurch können die Menschen, die gezielt zu Freunden und Verwandten flüchten, dort auch bleiben. Derzeit erhalten die Kommunen vom Land eine jährliche Aufnahmepauschale von 12.000 Euro pro Flüchtling. Man müsse sich angesichts stark gestiegener Mieten fragen, ob diese Summe noch zeitgemäß ist, betonte Klingebiel. „Wir benötigen Geld, viel Geld.“ Bei der Bundeswehr ginge es doch mit dem 100-Milliarden-Sondervermögen plötzlich auch ganz schnell.
Da Schulen und Kindergärten schon jetzt aus allen Nähten platzten und neue nicht aus dem Boden zu stampfen seien, müsse man sich auch von den geltenden Klassen- und Gruppengrößen verabschieden. „Wir erleben gerade, wie sich Prioritäten schlagartig ändern und wie Themen von der Prioritätenliste verschwinden“, meinte der Oberbürgermeister. „Um es mal ganz platt zu sagen: Wenn der Feind vor der Tür steht und die Panzer rollen, gibt es eigentlich nur noch eine Priorität.“