Das Besprühen von Wäldern aus der Luft mit Insektenvernichtungsmitteln muss ein Ende haben, fordern der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND), der Naturschutzbund (Nabu) und der Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (LBU) in Niedersachsen. Gemeinsam appellieren sie an die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) das „Begiften von Waldflächen“ und damit das „Vergiften von Insekten“ endlich zu verbieten.
Diese Form des „Pflanzenschutzes“ töte Schädlinge wie Nützlinge gleichermaßen, betonen die drei Umweltverbände. Während die Schädlinge sich schnell erholten, blieben die Nützlinge jedoch schwach. Der Nahrungspyramide im Ökosystem Wald werde die Basis entzogen. Der nächste Schädlingsbefall trete dann umso schneller ein. Die Schädlingsbekämpfung aus der Luft, die vom Land aus Steuergeldern subventioniert wird, hätte sich als sinnlos erwiesen, betonen BUND, Nabu und LBU in einer gemeinsamen Presseerklärung.
Gesundheitsgefahr für den Menschen
Die Umweltschützer berufen sich auf europäisches Recht, wonach der regelmäßige Pestizid-Einsatz verboten sei. Nicht nur wegen des Artensterbens, sondern auch, weil die flächig ausgebrachten Gifte eine Gesundheitsgefahr für den Menschen darstellten. Schädlinge ließen sich am besten durch den Anbau heimischer Laubbäume zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt bekämpfen.
Die Ministerin sagte den Umweltschützern zu, das Gespräch in einer größeren Runde mit Waldbesitzern zu vertiefen. Konkrete Zusagen zu einem etwaigen Verbot von Pestiziden machte sie allerdings nicht. Die niedersächsischen Landesforsten bewirtschaften etwa ein Drittel des Waldes in Niedersachsen. Die anderen zwei Drittel sind Privatwälder, auf die die Ministerin keinen direkten Einfluss hat.
„Pestizide sind das letzte Mittel der Wahl“, erklärt der Betriebsleiter der niedersächsischen Landesforsten, Mathias Aßmann, auf Nachfrage. In den vergangenen Jahren hätten die Landesforsten durchschnittlich weniger als 100 Hektar Wald mit Pestiziden behandelt. „Wir versuchen, die Wälder so zu entwickeln, dass wir ohne Pestizide auskommen“, betont Aßmann. So würden vermehrt heimische Laubbäume statt Nadelbäume angepflanzt, um das Ökosystem zu stabilisieren. „Wir brauchen die Pestizide, wenn gar nichts mehr geht“, erklärt Aßmann.
Probleme gebe es vor allem mit dem Eichenprozessionsspinner. Die Raupe eines unscheinbaren Nachtfalters macht nicht nur Bäume, sondern auch Menschen krank. Ihre kleinen Brennhärchen verbreiten sich mit dem Wind und führen zu Rötungen bis hin zu großen Quaddeln auf der Haut. Wer die kleinen Flimmerhärchen einatmet, bekommt Atembeschwerden oder gar einen allergischen Schock. „Wir müssen die Erholungssuchenden im Wald schützen können“, betont Aßmann.
Raum Lüchow-Dannenberg besonders betroffen
Die Umweltschützer kritisieren vor allem den Einsatz von Pestiziden im Raum Lüchow-Dannenberg. Dort war es wiederholt zu Massenvermehrungen von Schadinsekten in privaten Kiefernwäldern gekommen. Der Eichenprozessionsspinner ist hingegen vor allem im Raum Wolfenbüttel verbreitet. „Dort werden wir wieder Einsätze fliegen müssen“, kündigt Aßmann an.
Nach Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums werden jährlich im Schnitt 837 Hektar Wald in Niedersachsen mit Insektiziden behandelt. Dies entspricht einem Anteil von weniger als einem Prozent der Waldfläche. Besonders vom Schädlingsbefall betroffen ist der Nordosten Niedersachsens. „Die Bekämpfungen erfolgen ausschließlich als ultima ratio, wenn der Totalverlust des Waldes droht“, heißt es in einer Stellungnahme des Ministeriums.
Dennoch komme es vor, dass Insektizide auch in europäischen Schutzgebieten zum Einsatz kommen, räumt das Ministerium ein. Dies geschehe vor allem, um wertvolle Eichenbestände zu erhalten. „Da Eichen nach mehrfachem Kahlfraß schleichend absterben können, kann die Bekämpfung von Schmetterlingsarten der Eichenfraßgesellschaft auch in Schutzgebieten notwendig und geboten sein“, so das Ministerium auf Nachfrage.
Um andere Organismen nicht zu gefährden, setzt das Land auf eine möglichst präzise Ausbringung der Insektizide, das mildeste geeignete Mittel und eine möglichst artenselektive Behandlung. Grundsätzlich aber habe der biologische Waldschutz Vorrang, betont die Forstministerin.