Traurig hängen die leeren Krabbennetze von schwarzen Holzkreuzen herab. Eilig hatten Krabbenfischer die Pflöcke in den Deich am Greetsieler Hafen gerammt. Ein Symbol für den möglichen Todesstoß, den die Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Union der Krabbenfischerei an der Küste versetzen könnte. Die knapp 30 Kutterkapitäne in dem kleinen Feriendorf fürchten einmal mehr um ihre Zukunft – und mit ihnen die knapp 250 verbliebenen Berufskollegen an der deutschen Nordseeküste. Dieses Mal ist es das geplante Grundschleppnetz-Verbot, das das Aus für den Fang von Garnelen, Schollen und Seezungen im Wattenmeer bedeuten könnte. Der Vorsitzende des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, Dirk Sander, sagt es so: "Das darf nicht kommen. Wir können die Krabben ja nicht angeln."
Große Solidarität mit den Krabbenfischern
Die Solidarität mit den Krabbenfischern ist groß in Ostfriesland. Niemand mag sich hier leere Sielhäfen vorstellen. Denn das hätte auch Auswirkungen auf den Tourismus, von dem die Region überwiegend lebt. Der Landrat des Kreises Friesland und Vorsitzende des Tourismusverbandes Niedersachsen fragt: "Wie sollen wir dem Gast leere Sielhäfen vermitteln? (...) Das kann ernsthaft niemand wollen." Ein Miteinander von Berufsfischerei und Naturschutz im Wattenmeer müsse doch möglich sein, meint der Landrat. Die Krabbenfischerei brauche eine Perspektive.
Auch an den Landstraßen haben die Fischer Kreuze aufgestellt. Der Weg führt Dirk Sander am Donnerstag nach Neuharlingersiel. Hier trifft er sich mit der niedersächsischen Fischereiministerin Miriam Staudte von den Grünen. Diese hatte noch zu Beginn der Woche darauf hingewiesen, dass es um den Schutz des Meeres gehe. Das Verbot der Grundschleppnetzfischerei solle schrittweise ab 2024 greifen und bis 2030 umgesetzt werden. Der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer sei vollständig davon betroffen.
Bei der Fischereigenossenschaft in Neuharlingersiel ist das Thema im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. 7,90 Euro kostet das Krabbenbrötchen aktuell. Es war auch schon mal teurer, als die Krabben während der Pandemie wegen des Gesundheitsschutzes nicht mehr in Marokko gepult werden durften. Der Geschäftsführer der Genossenschaft, Michael Früntel, sorgt sich nicht nur um das bei Urlaubern so beliebte Krabbenbrötchen. Auch Seezungen und Schollen würde es ohne die Fischer nicht mehr fangfrisch auf den Teller geben. "Ein Verbot wäre schlimm, nicht nur für das Krabbenbrötchen", sagt der Chef von knapp 30 Mitarbeitern.

Der Vorsitzende des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, Dirk Sander (links), sein Sohn, Fischer Nils Sander, und Ministerin Miriam Staudte bei ihrem Treffen am Donnerstag.
Während die Gäste im Fischrestaurant das Mittagessen noch genießen, geht das Treffen mit den Fischern ganz in der Nähe – stilecht mit Krabbenbrötchen – zu Ende. Nicht nur die Ministerin war gekommen, auch Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Landräte und Vertreter der Tourismusbranche. Dirk Sander glaubt, dass er überzeugen konnte: "Wir fischen schon lange nicht mehr mit schweren Ketten, sondern mit leichten Gummi- und Kunststoffrollen." Und der Beifang komme heutzutage gar nicht mehr an Bord, sondern werde im Siebnetz gesammelt und noch unter Wasser wieder freigelassen. Die Krabbenfischer, so Sander, seien viel nachhaltiger unterwegs, als es die EU glaube.
Ministerin kritisiert Aktionsplan
Nach dem Treffen erklärte Ministerin Staudte denn auch: „Der Aktionsplan scheint mir ein Schnellschuss zu sein. Er hätte existenzgefährdende Auswirkungen auf die Krabben- und Muschelfischerei in Niedersachsen. Diese für die Küstenregion so wichtige Branche stünde vor dem Aus." Aus ihrer Sicht könne ein pauschales Verbot von Grundschleppnetzen in Schutzgebieten nicht die Lösung sein, gleichwohl müssten nachhaltige Fangmethoden weiter gefördert werden, betont die Grünen-Politikerin.

Niedersachsens Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) erklärt ihre Solidarität mit den Fischern in Neuharlingersiel.
In der kommenden Woche treffen sich die EU-Agrarminister zu ihrer Frühjahrskonferenz in Büsum in Schleswig-Holstein. Der Landesfischereiverband Weser-Ems hat eine große Kutterdemonstration angekündigt. An Land werden zudem mehrere Hundert Trecker erwartet. "Die Landwirte wollen sich mit uns solidarisieren", erklärt Sander. Gemeinsam geht es dann gegen die EU.
In Büsum werden auch die Niederlande vertreten sein. Die Nachbarn sind allerdings nicht so stark von dem geplanten Grundschleppnetzverbot betroffen, weil sie weniger Meeresflächen unter Schutz gestellt haben. Außerdem sind die Niederländer mit ihren großen Trawlern selten im flachen Wattenmeer unterwegs. Zu groß ist die Gefahr, dass sie auf Grund laufen. Die deutschen Krabbenfischer indes haben ihre Fanggründe auch zwischen Inseln und Festland. Mit ihren vergleichsweise kleinen Schiffen fischen sie also mitten im Nationalpark Wattenmeer.

Mit Aktionen wie diesen zeigen die Fischer, wie groß ihre Sorgen angesichts des geplanten Grundschleppnetzverbotes sind.
Michael Früntel hofft, dass er die Krabben auch künftig von den Fischern vor Ort bekommt und nicht in den Niederlanden oder anderswo kaufen muss. Die Fischer jedenfalls wollen nicht aufgeben. Es ist ja nichts das erste Mal, dass sie um ihre Existenz bangen. "Zuletzt mussten einige wegen der hohen Treibstoffpreise aufgeben", erklärt Sander die Folgen der Energiekrise, die bis in die kleinen Häfen zu spüren sind. Er macht sich wieder auf den Weg, vorbei an den Holzkreuzen.