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Blühstreifen zur Rettung Wo sind die Bienen geblieben?

Das Land Niedersachsen fördert Blühstreifen zur Rettung der Bienen - und das nicht ohne Grund. Drei Viertel aller Insekten sind in den vergangen fast 30 Jahren in Nordwestdeutschland verschwunden.
06.11.2017, 22:28 Uhr
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Wo sind die Bienen geblieben?
Von Silke Looden

Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer ist ein großer Bienenfreund. Drei Völker mit 150.000 Bienen leben im Ministeriumsgarten in Hannover. Umso mehr schmerzt den Grünenpolitiker das Insektensterben. Drei Viertel aller Insekten sind laut einer aktuellen Studie in den vergangen fast 30 Jahren in Nordwestdeutschland verschwunden. Jede zweite Wildbienenart ist inzwischen in ihrem Bestand gefährdet. Meyer weiß, dass er die Bienen nicht ohne die Bauern retten kann. Deshalb fördert das Land zum Beispiel Blühstreifen entlang der Ackerflächen – aber das allein wird wohl nicht reichen.

Bienenfreundliche Agrarlandschaft

Inzwischen sähen die Landwirte in Niedersachsen auf 16.000 Hektar Wildblumen und Kräuter aus. Damit hat sich die Zahl der Betriebe mit Blühstreifen in Meyers Ministerzeit verdoppelt. Das sei ein „Riesenerfolg“, meint er und verschweigt nicht, dass die Bauern mit Prämien gelockt wurden. Fast 1000 Euro pro Hektar gibt es für die bunte Vielfalt am Feldrand, davon 100 Euro für die Kooperation mit Imkern. Der Imkerbonus wird allerdings nur in Niedersachsen gezahlt.

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„Wir müssen alles dafür tun, die Blütenvielfalt zu erhalten“, betont Meyer. Er will eine bienenfreundliche Agrarlandschaft schaffen, die nicht länger von Monokulturen geprägt ist. Das alles, so Meyer, sei kein Selbstzweck. Ohne Bienen keine Bestäubung, ohne Bestäubung kaum Pflanzen. Vier von fünf Kulturpflanzen seien auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Ihr Verschwinden aus der Agrarlandschaft werde am Ende große Einbußen bei der Ernte bedeuten. Pestizide wie die als bienengefährlich eingestuften Neonikotinoide gehörten deshalb verboten.

Negativer Einfluss der Landwirtschaft

Der niedersächsische Bauernverband Landvolk indes sieht die Landwirte zu Unrecht an den Pranger gestellt und verweist auf den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Ruckwied. Dieser warnte angesichts der neuen Studie davor, den Falschen die Schuld zu geben. Ruckwied betont: „Wir Landwirte brauchen die Vielfalt der Arten.“ Nicht von ungefähr legten Landwirte Blühstreifen an und beteiligten sich an Naturschutzprojekten. Ruckwied: „Auf jedem dritten Hektar werden freiwillig Agrarumweltprogramme umgesetzt.“ Dass die Insekten sterben, bestreitet das Landvolk nicht, die Ursache dafür aber sei noch nicht erforscht.

Tatsächlich hatte das internationale Forscherteam aus den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland den Grund für seine dramatischen Befunde, die es vor Kurzem in der Internet-Fachzeitschrift Plos One veröffentlichte, nicht genau ausmachen können. Daten aus 27 Jahren von 63 Standorten aus Schutzgebieten in Nordwestdeutschland wurden dafür ausgewertet. Festgestellt wurde ein Biomasseverlust von Fluginsekten von 76 bis 81 Prozent. Um einen Zusammenhang mit dem Einsatz von Pestiziden herzustellen, fehlt der Studie jedoch schlicht die Datengrundlage.

Allein die Tatsache, dass es sich bei allen Untersuchungsflächen um Standorte innerhalb von Schutzgebieten handelt, die zu 90 Prozent von konventioneller Landwirtschaft umgeben sind, legt für den Naturschutzbund (Nabu) jedoch einen negativen Einfluss der Landwirtschaft nahe. Der niedersächsische Landesvorsitzende Holger Buschmann meint denn auch, dass Pestizide in Naturschutzgebieten verboten und außerhalb von Naturschutzgebieten reduziert werden müssen. Vor allem aber müsse der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln endlich von den Naturschutzbehörden kontrolliert werden, fordert der Nabu-Chef.

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Ruhe im Ministergarten

„Was uns droht, ist nichts weniger, als dass ein ganzes Ökosystem kippt“, warnt Minister Meyer. Ohne Insekten keine Vögel, verweist er auf den ebenfalls dramatischen Rückgang der Singvögel. Selbst ein Allerweltsvogel wie der Star macht sich inzwischen rar. Meyer fordert deshalb eine „fundamentale Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik“. Die Europäische Union dürfe die Landwirte nicht länger pauschal nach Fläche fördern, sondern müsse Naturschutzleistungen stärker honorieren.

Landwirte wie der Osterholzer Kreislandwirt Stephan Warnken wehren sich gegen die pauschale Kritik an der konventionellen Landwirtschaft – und nun würden die Landwirte auch noch für das Insektensterben verantwortlich gemacht, weil sie mit Pflanzenschutzmitteln arbeiten. „Diese chemischen Mittel werden intensiv erforscht, bevor sie zugelassen werden“, betont er. Von der Studie zum Insektensterben hält er nichts. Da sei mit Daten von Hobbyforschern gearbeitet worden. Tatsächlich hatten renommierte Wissenschaftler die Daten eines kleinen Vereins für Insektenkunde aus Krefeld ausgewertet.

Im Ministergarten kehrt indessen Ruhe ein. Die Bienen haben ihre Arbeit für dieses Jahr getan und mehr als 60 Kilogramm Honig geliefert. Wenn alles gut geht, werden sie auch im nächsten Jahr wieder ausschwärmen. In der Stadt, so Meyer, hätten die Bienen inzwischen ein größeres Futterangebot als auf dem Lande.

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