Die Zahl der Straftaten sinkt, die Aufklärungsquote steigt. Dennoch wächst bei vielen Niedersachsen die Furcht, Opfer eines Verbrechens zu werden. Dabei liegt dieses Risiko mittlerweile auf dem niedrigsten Wert seit 36 Jahren: 1981 passierten 6794 Straftaten pro 100.000 Einwohner; danach lag diese Häufigkeitszahl immer höher, bis sie 2017 auf 6621 rutschte.
Groß ist vor allem die Angst der Bürger vor Wohnungseinbrüchen, obwohl diese im vergangenen Jahr extrem rückläufig waren. Das sind die Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik 2017 und einer neuen Dunkelfeldstudie des Landeskriminalamtes (LKA), die Innenminister Boris Pistorius am Montag in Hannover präsentierte. „Die Entwicklung der Sicherheitslage ist sehr positiv. Aber wir dürfen in unseren Anstrengungen nicht nachlassen“, meinte der Ressortchef.
Die Summe aller Straftaten fiel 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 6,4 Prozent auf 526.120. Denn Löwenanteil davon machen in diesem Bereich die Diebstähle mit 183.000 aus. Es folgen Vermögensdelikte einschließlich Schwarzfahren (106.400), Rohheitstaten wie Körperverletzung und Raub (77.000) sowie Sachbeschädigung (52.100). Hier überall sanken die Fallzahlen. Gleiches gilt auch für die vorsätzlichen Tötungen. Die Zahl von Mord und Totschlag ging um 11,5 Prozent von 390 auf 345 zurück. Darunter sind auch 80 neu entdeckte Fälle des Delmenhorster Krankenpflegers Niels Högel erfasst.
Anstiege gab es dagegen mit jeweils plus zehn Prozent auf 34.760 bei den Drogendelikten und 5749 bei den Sexualstraftaten. Hier allerdings wirkte sich laut Ministeriums-experte Axel Brockmann der Ende 2016 nach den Ereignissen der Kölner Silvesternacht eingeführte Tatbestand der sexuellen Belästigung aus. Allein 740 Fälle bearbeitete die Polizei 2017 nach diesem neuen Paragrafen 184 im Strafgesetzbuch.
Besondere Sorge bereitet den Sicherheitsbehörden, dass immer mehr Kinder und Jugendliche Straftaten begehen. Während die Zahl der Tatverdächtigen allgemein um 3,3 Prozent abnahm, stieg sie bei den unter 14-Jährigen, die nicht strafmündig sind, um 21 Prozent auf 7559. Bei den 14- bis 18-Jährigen ging es um 2,2 Prozent auf 20.418 rauf. Hauptdelikt ist dabei der Ladendiebstahl.
Eine Erklärung für die Anstiege haben die Polizeiexperten nicht parat; Flüchtlingskinder jedenfalls sind laut Brockmann nicht übermäßig betroffen. Parallel dazu zeigen die Kurven für beide Gruppen bei den „Straftaten im Schulkontext“ ebenfalls deutlich nach oben: Sachbeschädigungen verzeichneten ein Plus von 54 Prozent, Drogen-delikte von 43 Prozent, Körperverletzungen von 29 Prozent und Diebstähle von 19 Prozent. Mögliche Erklärung: Seit gut einem Jahr gilt ein Erlass, wonach Schulen Straftaten konsequent an Polizei und Staatsanwaltschaft melden müssen.
Polizeistatistik erfasst nicht jedes Delikt
Die Aufklärungsquote insgesamt stieg mit 62,3 Prozent auf den zweithöchsten Wert der vergangenen zehn Jahre. Bei Tötungsdelikten lag sie sogar bei 92,5 Prozent. Bei Wohnungseinbrüchen lag sie zwar nur bei 23,6 Prozent; das aber war immerhin eine Steigerung um 2,5 Punkte. Gleichzeitig sank 2017 die Zahl der Fälle um 17,1 Prozent auf 13.595. Davon wiederum blieben 5400 im Versuchsstadium stecken, die Gangster gaben vorzeitig auf.
„Effektiver Einbruchsschutz ist keine Zauberei“, sagte der Minister. Laut repräsentativer LKA-Befragung von 40.000 Niedersachsen nutzt jeder Vierte inzwischen Zusatzriegel oder Alarmanlagen. Mit speziellen Ermittlergruppen, neuer Technik und länderübergreifender Zusammenarbeit werde die Polizei diese Form der Kriminalität noch intensiver bekämpfen, kündigte Pistorius an.
Die Gründe für das Auseinanderdriften von echter und gefühlter Sicherheitslage will das Ministerium nun näher untersuchen lassen. Unbestritten ist, dass die Polizeistatistik nicht jedes Delikt erfasst. So zeigen die Bürger laut LKA-Präsident Uwe Kolmey noch nicht mal jede dritte Straftat an. Bei Sexualdelikten sind es danach sogar nur fünf Prozent. Wenn dagegen Versicherungen für eine Schadensregierung das Einschalten der Polizei verlangen, springt die Quote steil nach oben: 95 Prozent beim Autodiebstahl, 82 Prozent bei Einbrüchen.