Um der Klimakrise und dem russischen Angriff auf die Ukraine zu begegnen, hat der Bundestag am Donnerstag den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien beschlossen. Es sei das „größte Gesetzespaket im Energiebereich der letzten Jahre, wahrscheinlich Jahrzehnte“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Die Stromproduktion vor allem mit Windrädern und Solaranlagen soll sich während der kommenden acht Jahre auf 80 Prozent ungefähr verdoppeln.
Das Parlament nahm mehrere Gesetze mit den Stimmen der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP an. Die Opposition aus Union, AfD und Linken stimmte mal komplett, mal teilweise dagegen. CDU-Energieexperte Andreas Jung (CDU) kritisierte das „Paket der verpassten Chancen“, das zu einseitig auf Solar- und Windenergie setze. Geothermie, Biomasse und Wasserkraft würden vernachlässigt, so Jung. Organisationen wie der Verband der Stadtwerke (VKU) und der Umweltverband BUND unterstützten die Vorhaben grundsätzlich, übten jedoch Kritik an Details.
Ein bisschen hakte es auch in der Koalition. Auf Wunsch der FDP wurde das Zwischenziel der zu 100 Prozent erneuerbaren Stromproduktion bis 2035 gestrichen. „Zentral ist und bleibt das Ziel der Klimaneutralität im Energiesektor bis 2045“, erklärte Olaf in der Beek, der klimapolitische Sprecher der FDP. Ein Zwischenziel sei ineffektiv und symbolisch. Die Grünen bestätigten den Vorgang, wollten sich aber nicht näher dazu äußern.
Die Novelle des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) legt nun deutlich höhere Strommengen für Solaranlagen auf Gebäudedächern und Freiflächen sowie Windräder an Land und auf See fest, die bis 2030 zu erreichen sind. Die Kraftwerke werden im Planungsrecht bevorzugt. Die Koalition hat festgelegt, dass der Ausbau im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegt und der „öffentlichen Sicherheit“ dient.
Im Durchschnitt zwei Prozent der Landesfläche sollen für die Stromproduktion zur Verfügung stehen. Heute sind es zwischen 0,5 und 0,8 Prozent. Für die einzelnen Bundesländer werden konkrete Flächenvorgaben definiert. Diese gelten auch für Länder wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen, wo bisher wenige Windräder stehen, weil die Landesregierungen sie mit vorgeschriebenen Abständen zu Wohnsiedlungen verhinderten. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte, es werde künftig nicht mehr möglich sein, dass sich einzelne Länder wegducken.
Mindestabstände festgelegt
Mit dem renovierten Bundesnaturschutzgesetz wollte die Koalition unter anderem den Bau von Windrädern in Landschaftsschutzgebieten ermöglichen. Für bedrohte Vogelarten werden Mindestabstände zwischen Rotoren und Brutplätzen definiert. Ausnahmen sind möglich, wenn der Tierbestand insgesamt nicht gefährdet ist. „Das Gesetz produziert Rechtsunsicherheiten und ist mit europäischem Recht wohl kaum vereinbar“, erklärte Anja Weisgerber, die umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion. Die Abstimmung im Bundestag sollte nach Redaktionsschluss stattfinden.
Auch das neue Energiesicherungsgesetz stand für den späten Donnerstagabend auf der Tagesordnung. Damit wollen SPD, Grüne und FDP unter anderem die Möglichkeit einer Umlage schaffen, um die eventuell steigenden Kosten für Erdgas gleichmäßig auf die Privathaushalte und Firmenkunden umzulegen. Außerdem sollte das Parlament über ein weiteres Gesetz abstimmen, durch das bereits abgeschaltete Kohlekraftwerke wieder in die Stromproduktion einsteigen sollen, um Gaskraftwerke zu ersetzen.