In Frankreich genügt ein Nein nicht. In Österreich, in den Niederlanden, in Italien oder Polen reicht es ebenfalls nicht aus, wenn eine Frau weinend sexuelle Handlungen über sich ergehen lässt, damit der Täter zur Verantwortung gezogen werden kann – anders als in Deutschland, wo der Grundsatz „Nein heißt Nein“ in ein Gesetz gegossen ist. Nicht-einvernehmlicher Sex wird innerhalb der Staatengemeinschaft in jedem Land unterschiedlich definiert und bestraft.
In 14 Staaten erfüllt der Geschlechtsverkehr trotz eines Neins der oder des Betroffenen nicht den Tatbestand der Vergewaltigung, die Opfer müssen die Anwendung von oder die Drohung mit Gewalt nachweisen. Ein juristischer Flickenteppich, obwohl es sich um „eine grenzüberschreitende Menschenrechtsverletzung“ handele, vor der Frauen Schutz benötigten, wie die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl sagte. 2022 schlug die EU-Kommission einheitliche Vorschriften zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vor.
Beschlossen ist die neue Richtlinie jedoch bis heute nicht, was vor allem an einem darin enthaltenen Passus zur Vergewaltigung auf der Grundlage fehlender Einwilligung liegt. Der läuft in Brüssel unter „Nur Ja heißt Ja“ und soll damit noch weiter als in Deutschland gehen. Zahlreiche Mitgliedstaaten wehren sich in den aktuell laufenden Verhandlungen zwischen dem Rat, also dem Gremium der 27 Länder, und dem EU-Parlament gegen die Verschärfung – und ausgerechnet Deutschland zählt zum Kreis der Widerständler, die den Absatz aus der Verordnung streichen wollen. Ohne Berlins Zustimmung aber hat die Klausel, die das Hohe Haus Europas als Kern der Richtlinie bezeichnet, erst recht keine Chance auf die erforderliche Mehrheit.
Eigentlich sollte am Dienstag die letzte Runde der Gespräche stattfinden, doch abermals zeichnete sich keine Einigung ab. Die schwedische Sozialdemokratin Evin Incir, eine der beiden Verhandlungsführerinnen für das EU-Parlament, erwartet deshalb einen „harten Kampf“ bis zum nächsten Termin im Dezember. Ob Deutschland bis einlenken wird, ist offen. Justizminister Marco Buschmann (FDP) betrachtet den Vorstoß wie einige seiner Kollegen aus anderen Hauptstädten als Kompetenzüberschreitung der EU. Demnach sei hier die nationale Gesetzgebung am Zug. In der Bundesrepublik wurde das Sexualstrafrecht bereits 2016 verschärft. Das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung stellt seitdem jede sexuelle Handlung gegen den „erkennbaren Willen“ eines Dritten unter Strafe. Das Opfer kann diesen verbal oder durch Gesten wie ersichtliche Abwehrhandlungen ausdrücken.