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Feindesliste mit 600 Namen Wer Trumps Rache fürchten muss

Donald Trump hat angekündigt, sich an seinen Gegnern rächen zu wollen. Unter möglichen Betroffenen wächst die Besorgnis vor der „Feindesliste“.
10.12.2024, 05:00 Uhr
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Von Thilo Kößler

Alexander Vindman hat allen Grund zur Sorge. Er steht ganz oben auf der sogenannten „Feindesliste“, die Donald Trump zusammenstellen ließ, um an seinen politischen Gegnern Rache zu nehmen. Vindman war jener Offizier, der 2019 beim Telefonat von Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Oval Office dabei war und zuhörte, als der Präsident seinen Amtskollegen bedrängte, Ermittlungen gegen Hunter Biden aufzunehmen. Andernfalls, so ließ der Präsident durchblicken, werde er bereits genehmigte Militärhilfen für die Ukraine nicht freigeben. Vindman ging damals mit seinem Wissen an die Öffentlichkeit. Und löste so das erste Amtsenthebungsverfahren gegen Trump aus.

So gesehen ist es nicht verwunderlich, dass sein Name ganz oben auf der ominösen Feindesliste steht. Seine Familie ist schon in größter Sorge. Zwar weiß niemand, was Trump wirklich vorhat und was er konkret unter Rache versteht. Doch die Drohungen wurden in der Schlussphase des Wahlkampfes immer lauter und wüster. Vindman erklärte, er habe nicht eine mustergültige Militärkarriere hinter sich gebracht, um dann sein Land zu verlassen. Er werde bleiben.

Namentlich wollte niemand zitiert werden

Nicht alle sind so mutig wie Vindman. Seit die Existenz von Trumps „Feindesliste“ bekannt wurde, machen sich ehemalige Weggefährten und Mitarbeiter, die in Ungnade fielen, auf das Schlimmste gefasst. Folgerichtig stießen die Washington Post und der britische Guardian bei ihren Recherchen auf größte Vorsicht. Niemand wollte sich namentlich zitieren lassen.

Etwa ein pensionierter Offizier der US-Armee, der anonym bekannte, er habe noch am Wahlabend den Koffer gepackt und sich Bargeld besorgt. Weil seine Vorfahren aus Italien eingewandert waren, bemüht er sich jetzt um die italienische Staatsbürgerschaft.

Oder ein ehemaliges Mitglied der Trump-Regierung, der sich ebenfalls mit dem Gedanken trägt, die USA zu verlassen. Auch er würde am liebsten in ein Land der EU gehen. Schließlich vertraute ein hoher US-Beamter der Washington Post an, dass er die Zeit bis zur Amtseinführung Trumps dazu nutzen wolle, die Ausreise nach Kanada vorzubereiten und seine Ersparnisse in Sicherheit zu bringen.

Bemühungen um ausländische Staatsbürgerschaft

Tatsächlich ist die Zahl der US-Bürger unbekannt, die sich jetzt um eine ausländische Staatsbürgerschaft bemühen, die sich nach Immobilien im Ausland umsehen oder bereits prüfen, wie sie ihr Geld transferieren können. Aber Trumps „Feindesliste“ wird immer mehr zu einer Liste der Angst. 600 Namen soll sie umfassen. Eine Art „Who’s who“ der Trump-Gegner – mit Namen aus der bisherigen Machtelite des Landes.

Biden steht weit oben auf der Liste. Trump kündigte an, einen Sonderermittler gegen seinen Nachfolger in Stellung zu bringen. Er solle „den korruptesten Präsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika und die gesamte Biden-Verbrecherfamilie verfolgen“. Ebenfalls in Bedrängnis: Sonderermittler Jack Smith, der mit dem Verfahren zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 und der Aneignung von Geheimdokumenten zwei Strafverfahren gegen Trump angestrengt hatte. Trump würde den verhassten Star-Juristen am liebsten „aus dem Land schmeißen“, wie er wissen ließ.

Auch der ehemalige Generalstabschef Mark Milley soll nicht ungeschoren davonkommen. Er fiel bei Donald Trump in Ungnade, weil er am 6. Januar 2021 seinen chinesischen Amtskollegen anrief, um ihn zu beruhigen, dass der Putschversuch im Kapitol in Washington scheitern werde. Doch es geht auch um Abtrünnige aus der dritten, vierten, fünften Reihe. Dan Goldman, Kongressabgeordneter aus New York, macht sich deshalb „hauptsächlich Sorgen um die Mitglieder der Bundesbürokratie, einschließlich der Geheimdienst- und nationalen Sicherheitsbeamten“, die ins Visier Trumps gerieten.

Besser vorbereitet auf Amtszeit

Die Sorge ist auch deshalb so groß, weil Trump viel besser auf seine Präsidentschaft vorbereitet ist als beim letzten Mal. Das lässt sich besonders an der Liste seiner Nominierungen für hohe und höchste Posten ablesen. Zuletzt sorgte Trumps Kandidat für das Amt des neuen FBI-Direktors für Aufsehen. Der designierte Präsident suchte sich hierfür ausgerechnet Kash Patel heraus, einen 44-jährigen Trump-loyalen Scharfmacher, der in einem Buch mit dem Titel “Regierungsbanditen“ („Government Gangsters“) dem FBI als Vertreter des angeblichen „tiefen Staates“ (Deep State) den Kampf angesagt hatte und nun auch „das gesamte Pressekorps der Fake-News-Mafia“ ins Visier nehmen will.

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Der Bürgerrechtsanwalt Mark Zaid sagte der Washington Post, er sei überzeugt, dass es „nicht lange dauern wird, bis wir eine Vorstellung davon haben, was geplant ist.“ Dafür spricht auch das Tempo der Kandidatenkür für die Kabinettsposten – allesamt Trump loyal ergeben.

Kündigungen oder Versetzungen

Was aber steht zu befürchten? Für all jene, die noch aktiv in staatlichen Diensten stehen, könnte die absehbare Kampagne nach Einschätzung von Experten die Kündigung oder die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand bedeuten. Dan Goldman befürchtet gegenüber dem „Guardian“, dass die Bandbreite an Möglichkeiten, wie Trump Vergeltung üben könnte, fast endlos sei. „Trump hat überall an der Spitze der Behörden Loyalisten sitzen“. Er sieht kaum Chancen, den Präsidenten in seinem Zorn stoppen zu können – zumal „in einem Washington, in dem Republikaner das Weiße Haus und beide Kammern des Kongresses kontrollieren“.

Maggie Haberman, politische Reporterin der New York Times und Autorin einer Trump-Biografie, sieht in den Rachegefühlen ein Charakter prägendes Verhaltensmuster. Trump inszeniere sich immer wieder als Opfer politischer „Hetzjagden“ und wechsele nahtlos vom Opfer- in den Rache-Modus. Das Bibelwort „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ sei zu seinem persönlichen Leitmotiv geworden.

Rachel Vindman befürchtet das Schlimmste. Die Frau des Offiziers, der Trumps Erpressungsversuche gegenüber dem ukrainischen Präsidenten publik machte, möchte nicht ausschließen, dass sie die USA verlässt – obwohl sie weiß, dass sich ihr Ehemann schon dagegen entschieden hat. Dem Radiosender NPR gestand sie, beim Gedanken an eine Rückkehr Trumps fast durchzudrehen. Sie wolle nicht im eigenen Land in Angst leben müssen. „Ich möchte gehen können, wenn ich das Gefühl habe, meine Tochter und mich schützen zu müssen.“

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