Plötzlich ist Samy Kantor Tierschützer – und das auch noch im Haifischbecken EU-Parlament. Buchstäblich. Denn der Arbeitsneuling stolpert nicht nur durch die europäische Bürokratie, er muss sich für seinen Chef, den EU-Abgeordneten Michel Specklin, auch um einen Antrag für eine Verordnung gegen das sogenannte „Finning“ kümmern. Deren Engagement gegen das Haifischflossen-Abschneiden in der TV-Satire-Serie „Parlament“ war fiktiv, doch derzeit holt die Realität die Fernsehidee ein, zumindest ein bisschen. Denn in Brüssel steht die brutale Praxis wieder auf der Agenda, erzwungen durch mehr als 100 Nichtregierungsorganisationen und über 1,1 Millionen Menschen.
Mit ihrer Unterstützung der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) fordern sie ein Ende des Handels mit losen Haifisch- und Rochenflossen aus Europa. „Finning“ steht für das Abtrennen der Flossen von noch lebenden Haien, bevor der restliche Körper wieder ins Meer geworfen wird. Verstümmelt sinken die Tiere auf den Meeresgrund, „wo sie verbluten oder ersticken“, wie die Initiative kritisiert. Auch wenn die Praxis in der Union seit 2013 verboten ist und Haifische inklusive der Flossen gefangen, auf weniger qualvolle Weise getötet und an Land gebracht werden müssen, gilt die EU als wichtige Akteurin in dem lukrativen Geschäft. So ermittelte die Tierschutzorganisation International Fund for Animal Welfare (IFAW), dass im Jahr 2020 mehr als 45 Prozent aller Haifischflossenprodukte, die in die drei großen Handelszentren Hongkong, Singapur und Taiwan importiert wurden, aus EU-Mitgliedstaaten stammten.
Handelsverbot alternativlos
Man werde die Möglichkeit prüfen, eine Gesetzesinitiative zur Beendigung des Handels mit losen Haifischflossen zu ergreifen, hieß es am Mittwoch vonseiten der Brüsseler Behörde. Zudem will sie bis Ende 2024 detailliertere EU-Import- und Exportinformationen bereitstellen, um die Statistiken über den Handel mit Haiprodukten zu verbessern. Darüber hinaus sicherte die Kommission zu, noch in diesem Jahr eine Folgenabschätzung „über die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen“ der aktuellen Verordnung „auf das Inverkehrbringen von Haifischflossen innerhalb der EU oder im internationalen Handel einzuleiten“. Die EBI zeigte sich zuversichtlich, dass die Behörde zum Ergebnis kommen werde, dass es „keine Alternative zu einem rechtsverbindlichen Handelsverbot gibt“, wie es hieß.
Laut Wissenschaftler sind mehr als drei Viertel aller im Meer lebenden Arten von Haien und Rochen gefährdet, drei Hai-Arten sogar akut vom Aussterben bedroht.