- USA: Schock an der Zapfsäule
- Spanien: Energiepreise explodieren
- Großbritannien: Hilfszahlungen fürs Heizen
- Frankreich: Energiescheck für die Ärmsten
USA: Schock an der Zapfsäule
Eigentlich wollte Joe Biden über den Jahreswechsel in seinem Wochenendhaus an der Atlantikküste etwas abspannen. Doch der Kurzurlaub brachte auch eine Begegnung mit der ökonomischen Realität. In der Küche verfolgte der Präsident nach eigener Schilderung ein Gespräch seiner Schwester mit deren Freundin Mary Ann. "Hast du gemerkt, dass ein Pfund (454 Gramm, d. Red.) Hackfleisch inzwischen mehr als fünf Dollar kostet?", fragte die Besucherin.
Auf einer abstrakteren Ebene ist Biden das Problem sehr wohl bewusst. Es betrifft nicht nur das in den USA traditionell sehr günstige Hamburger-Fleisch, das binnen eines Jahres um ein Viertel teurer wurde. Die Rekord-Inflation ist längst auch zum politischen Problem für den Präsidenten geworden. Um 6,8 Prozent waren die Preise im November (die Dezember-Zahlen werden in der kommenden Woche erwartet) im Jahresvergleich nach oben geschossen. Benzin, Autos, Leihwagen, Hotelübernachtungen, Fleisch und Möbel legten bei den Preisen gar zweistellig zu.
Wer derzeit in den USA tanken will, der zahlt im Schnitt 3,30 Dollar für die Gallone (3,78 Liter). Das klingt für deutsche Ohren paradiesisch, liegt jedoch satte 44 Prozent über dem Vorjahreswert. Zudem ist das Benzin in vielen Bundesstaaten deutlich teurer: In Kalifornien etwa ist der Preis von 3,26 Dollar auf 4,65 Dollar gesprungen. Im Supermarkt muss man für ein Päckchen Frühstücksspeck inzwischen 5,99 Dollar zahlen. Der Becher Sahne schlägt mit fünf Dollar zu Buche. Zudem sind vielerorts die Mieten explodiert: Eine Dreizimmer-Wohnung im vergleichsweise günstigen Austin im Bundesstaat Texas kostet laut dem Immobilienportal Zumper inzwischen 1900 Dollar im Monat (plus 27 Prozent). Im teuren San Francisco kletterten die Mieten zwar "nur" um elf Prozent – dafür aber auf 3880 Dollar.

Knapp mehr als die Hälfte ist unzufrieden mit der Art, wie der Präsident das Problem der Inflation angeht.
Kein Wunder, dass sich 80 Prozent der Amerikaner bei Umfragen über die Inflation "besorgt" zeigen. Knapp mehr als die Hälfte ist unzufrieden mit der Art, wie der Präsident das Problem angeht. Tatsächlich hat sich Biden monatelang auf seine Infrastruktur- und Sozialpakete konzentriert und dem Preisauftrieb wenig Beachtung geschenkt. Öffentlich verbreitet er weiter Optimismus: "Das wird sich schneller ändern, als die Leute glauben", verkündete er Mitte Dezember. Die Republikaner haben das Thema jedoch längst für sich entdeckt und machen die Ausgabenprogramme des Präsidenten für die Misere verantwortlich.
Tatsächlich dürften eher der Personalmangel und die Lieferengpässe durch die Corona-Pandemie als Preistreiber wirken. Biden vermutet zudem Preisabsprachen der Anbieter und hat seine Behörden aufgefordert, mögliche Kartelle in der Ölindustrie und im Oligopol der amerikanischen Fleischverarbeiter zu untersuchen. Die größten Hoffnungen des Präsidenten dürften aber auf der einflussreichen Notenbank Fed ruhen, die eine baldige Abkehr von ihrer ultralockeren Geldpolitik angedeutet hat. Die erwartete Anhebung der Zinsen, die die Nachfrage und damit den Preisauftrieb bremsen dürfte, ist dem Weißen Haus willkommen – freilich nur, solange dadurch nicht die Konjunktur abgewürgt wird.
Spanien: Energiepreise explodieren
Immer mehr spanischen Familien steht das Wasser bis zum Hals. Nicht nur, weil durch die Pandemie und den dadurch verursachten Wirtschaftsabschwung viele Einkommen wegbrachen – etwa in Spaniens wichtigstem Sektor, dem Tourismus. Sondern auch, weil die Inflation auf dem höchsten Stand seit 30 Jahren ist. Im November waren es noch 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat – die Dezemberzahlen legten sogar auf 6,7 Prozent zu.
Bis zu einem Viertel der Bevölkerung ist inzwischen von Armut bedroht. Bei den jungen Menschen, von denen ein Drittel ohne Job auf der Straße steht, sieht es noch schlimmer aus. Dieses Drama dürfte sich angesichts der großen Preissprünge, die vor allem die Strom-, Heizungs-, Miet- und Essenskosten antreiben, zuspitzen.
In keinem anderen Land der alten westeuropäischen EU galoppieren die Preise schneller. Bei den Nachbarn Portugal und Frankreich ist die Teuerungsrate nur etwa halb so hoch. Keine guten Vorzeichen für die von Spanien dringend benötigte Konjunkturerholung in 2022.
Wie überall in Europa ist auch im spanischen Königreich die Energie größter Inflationstreiber. Aber während in der Eurozone die Energiepreise „nur“ um 26 Prozent stiegen, kletterten sie in Spanien um gut 50 Prozent. Die Regierung fand bisher noch kein Mittel, um die Preisexplosion vor allem beim Strom zu stoppen, der heute mehr als 60 Prozent teurer ist als 2020. Anders sieht es beim Nachbarn Portugal aus, wo die Elektrizität heute dank Regulierung nur geringfügig mehr kostet als vor einem Jahr.
Großbritannien: Hilfszahlungen fürs Heizen
Damit hatten selbst Experten nicht gerechnet: Im November des vergangenen Jahres kletterte die Teuerungsrate im Vereinigten Königreich auf den höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren. Die Verbraucherpreise lagen 5,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahres. Zu den Ursachen gehören hohe Energiekosten und gestiegene Rohstoffpreise sowie die Folgen des Brexit.
Die Auswirkungen der Inflation treffen vor allem diejenigen Britinnen und Briten hart, die ohnehin nicht viel verdienen. Denn die Preissteigerungen wirken sich auf Waren und Güter aus, auf die jeder angewiesen ist – Benzin, Lebensmittel und Kleidung. Experten erwarten außerdem, dass der Verbraucherpreis-Index noch weiter steigen könnte – auf bis zu sechs Prozent. Kein Wunder also, dass die Rufe seitens der Opposition nach finanzieller Entlastung für die Verbraucher lauter werden. So fordert die Labour-Partei beispielsweise eine vorübergehende Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Gas und Strom.
Eine Maßnahme, die Finanzminister Rishi Sunak bislang ablehnt, da man damit auch diejenigen entlaste, die sich die Kosten leisten können. Ein Regierungssprecher sagte: „Wir wissen, dass die Menschen unter Druck stehen.“ Deshalb investiere man rund 4,2 Milliarden Pfund (rund fünf Milliarden Euro), um zu helfen. Die Unterstützung umfasse unter anderem eine Energiepreisobergrenze sowie Hilfszahlungen für ein warmes Zuhause in den Wintermonaten.
Aktuell wird außerdem darüber diskutiert, diese Hilfeleistungen weiter auszuweiten. Die Wohltätigkeitsorganisation National Energy Action warnte davor, dass angesichts steigender Preise demnächst womöglich bis zu sechs Millionen Haushalte auf der Insel nicht mehr in der Lage sein könnten, ihre Strom- und Gasrechnungen zu bezahlen.
Frankreich: Energiescheck für die Ärmsten
Eigentlich sind die Französinnen und Franzosen an vergleichsweise hohe Lebenshaltungskosten gewöhnt, dafür aber auch an Energiepreise, die etwas unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Doch im vergangenen Jahr stiegen letztere laut dem nationalen französischen Statistikamt Insee um 18,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr an und sind hauptverantwortlich für die Inflation – ein Problem auch in Frankreich.
Weniger stark und doch erkennbar nahmen die Preise für Dienstleistungen, frische Produkte und Lebensmittel zu. Insgesamt lag die Inflationsrate im Dezember bei 2,8 Prozent im Vergleich zum Jahresende 2020.
Die Inflation dürfte im derzeitigen Wahlkampf noch eine wichtige Rolle spielen, denn neben der Pandemie bezeichnen die Menschen in Frankreich die Kaufkraft als das für sie wichtigste Thema. Bereits Anfang Oktober hat die Regierung die Gaspreise gedeckelt, damit den Verbraucherinnen und Verbraucher bis April keine starken Mehrkosten entstehen – das hat zumindest offiziell mehr mit dem Ende der Heizperiode zu tun als mit der Präsidentschaftswahl im April.
Die Entscheidung fiel per Verordnung, der französische Staat ist größter Anteilseigner am zentralen Energieversorger Engie. Die Tarifbremse soll auch den Unternehmen zugutekommen. Dasselbe gilt für den Strompreis, der zumindest drei Monate lang nicht steigen sollte und ab Anfang dieses Jahres höchstens um vier Prozent. Rund sechs Millionen Haushalte mit geringem Einkommen erhielten im Dezember einen „Energiescheck“ über 100 Euro ausgezahlt.