Monatelang wurde beraten und spekuliert, doch nun steht Frankreichs neue Regierung – und sie fällt deutlich rechtskonservativer aus, als es das Ergebnis der Parlamentswahlen im Juli vermuten ließ. Denn während damals das links-grüne Bündnis Neue Volksfront die meisten Stimmen erzielt und auch der rechtsextreme Rassemblement National (RN) zugelegt hatte, straften die Wählerinnen und Wähler in Frankreich die bisherigen Regierungsparteien und die konservativen Republikaner ab. Dennoch sind es nun die beiden letztgenannten Lager, die die neue Mitte-Rechts-Regierung des konservativen Premierministers Michel Barnier dominieren.
Sieben bisherige Minister sind dort erneut vertreten, darunter zwei auf ihren bisherigen Posten: Der Macron-Vertraute Sébastien Lecornu bleibt für die Verteidigung zuständig, die ehemalige Justizministerin Rachida Dati für die Kultur. Macrons Partei Renaissance und deren beiden Bündnispartner erhalten hinsichtlich der Anzahl und der Bedeutung der Ressorts am meisten Gewicht: Sie stellen unter anderem die Minister für Wirtschaft, Energie und Bildung, wobei das Budget-Ministerium erstmals direkt dem Premier- und nicht dem Finanzminister untersteht. Die Republikaner übernehmen Schlüsselressorts wie Inneres, Hochschule und Forschung sowie Landwirtschaft.
Situation im Parlament ist kompliziert
Bekannte Spitzenpolitiker mit Ambitionen auf das Präsidentenamt finden sich nicht in der Liste der 39 Minister und Staatssekretäre, die am Sonnabendabend veröffentlicht wurde. Dies deutet auf den Wunsch Barniers hin, eine möglichst umfassende Autorität über seine Regierungsmannschaft zu bewahren. Die Situation im Parlament ist schon kompliziert genug. Denn die beiden Regierungsparteien verfügen über keine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung.
Als bezeichnend für den Rechtsruck gilt die Ernennung von Bruno Retailleau, bislang Fraktionschef der Republikaner im Senat, zum Innenminister. Er gilt als wertkonservativ und Hardliner in Sachen Einwanderung und hatte eine entscheidende Rolle beim Beschluss eines scharfen Migrations- und Asylgesetzes Ende letzten Jahres. Als einziger Vertreter der Linken wird Didier Migaud Justizminister. Der Sozialist war Präsident des Rechnungshofs und zuletzt der Transparenzbehörde.
Abgeordnete verlässt Fraktion
Der sozialistische Abgeordnete Aurélien Rousseau, der kurzzeitig Gesundheitsminister unter Macron war, bis er aus Protest gegen das Einwanderungsgesetz zurücktrat, kritisierte Migauds ersten Rang im Protokoll direkt hinter dem Premier als reines „Manöver“: „Das soll den Eindruck einer Beteiligung der Linken vermitteln, aber wird nichts an der rechten Politik ändern.“ Eine Abgeordnete der Macron-Partei Renaissance in der Nationalversammlung, Sophie Errante, verließ aus Protest die Fraktion.
Besonders laut ist die Kritik aus den Reihen der Linken, die sich angesichts ihres Wahlerfolgs übergangen fühlen. Der Sozialisten-Chef Olivier Faure sprach von einer „reaktionären Regierung in Form eines Stinkefingers für die Demokratie“. Noch am Sonnabend hatten landesweit tausende Menschen auf einen Aufruf der Linkspartei Lfi hin demonstriert. Ex-Präsident François Hollande, der seit Juli im Parlament sitzt, warnte, das Überleben dieser „zerbrechlichen Regierung“ hänge am RN.
Tatsächlich kommt den Rechtsextremen eine Schlüsselrolle zu, denn gemeinsam mit den Linken können sie die Regierung stürzen, deren Parteien über keine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung verfügen. Während RN-Fraktionschefin Marine Le Pen zugesagt hat, Barnier eine Chance zu geben, erklärte Parteichef Jordan Bardella, diese Regierung habe „keine Zukunft“.
Erste große Herausforderung für diese werden die Verhandlungen über den Haushalt. Angesichts der hohen Staatsverschuldung von 110 Prozent der Wirtschaftsleistung stehen massive Einsparungen an – keine leichte Aufgabe für eine ohnehin fragile Regierung.