Einmal im Leben mit den Kindern "Disney World" besuchen: Das steht bei amerikanische Eltern bis heute ganz oben auf der To-do-Liste. Doch zuletzt war das "Magic Kingdom", das sich auf einhundert Quadratkilometer südwestlich von Orlando im Herzen Floridas ausbreitet, nicht mehr der "glücklichste Platz der Welt". Bevor sie Mickey, Donald und Goofy begrüßten, mussten Familien an zornigen Demonstranten mit Trump-Flaggen und DeSantis-22-Hüten vorbei. Angestachelt von Fox-News, OneAmerica und rechten Netzwerken im Internet protestierten sie mit Bannern, auf denen in Variationen zweiter Wörter herausragten: "Groomer" und "Pädophil". Disney manipuliere Kinder, sexuell verdorben oder missbraucht zu werden, lautet der Vorwurf.
Die Anklänge an die Verschwörungstheorie QAnon sind nach Ansicht von Analysten nicht zufällig, sondern eine politische Waffe, die im amerikanischen Kulturkampf jetzt gezielt eingesetzt wird. Im Frontstaat des Trumpismus gegen den mit 80.000 Beschäftigten größten Arbeitgeber Floridas, der es gewagt hatte, sich gegen das sogenannte "Sag-nicht-Schwul"-Gesetz von Gouverneur Ron de Santis auszusprechen.
Dieses verbietet Lehrern an den Schulen des Bundesstaates, bis zur dritten Klasse "sexuelle Orientierung und Geschlechter-Identitäten" im Unterricht zu thematisieren. Auch für den Umgang mit älteren Schülern gibt es Beschränkungen. Alles, was nicht "altersgerecht" sei, ist in Floridas High Schools verboten. US-Präsident Joe Biden hatte das Gesetz ebenso wie viele Bürgerrechts- und LGBTQI-Gruppen als "hasserfüllt" verurteilt.
Disney-Chef provoziert Gouverneur
Nach einigem Zögern und lautstarken Protesten von Mitarbeitern im Konzern meldete sich schließlich auch der neue Disney-Chef Bob Chapek zu Wort. Er entschuldigte sich bei den LGBTQI-Mitarbeitern und forderte, das Gesetz müsse "vom Parlament zurückgenommen oder von den Gerichten gekippt" werden. Zusätzlich kappte er alle Spenden für Politiker des Bundesstaates. 80 Prozent davon gingen an Republikaner.
Damit provozierte der Herrscher des "Magic Kingdoms" den Gouverneur des Bundesstaates, der nach Donald Trump der beliebteste Politiker an der republikanischen Basis ist. Eine mit 43 Jahren jüngere und, wie viele Analysten sagen, clevere Version des Ex-Präsidenten. "Wenn Disney den Kampf sucht, hat es sich den falschen Kerl ausgesucht", drohte De Santis und kündigte das Ende des seit 1967 bestehenden Status für den "Reedy Creek Improvement District" an. Dieser erlaubt es Disney, sich selbst zu verwalten. Der Konzern baut dort seine eigenen Straßen, bezahlt für öffentliche Dienstleistungen wie Polizei und Feuerwehr und entsorgt seinen eigenen Müll. Im Gegenzug erhält Disney Steuervergünstigungen. Damit soll im Juni 2023 nun Schluss sein.
Am Donnerstag kassierte das Parlament des Bundesstaates in einer vom Gouverneur einberufenen Sondersitzung das 55 Jahre alte Privileg. Der Konzern äußerte sich zunächst nicht zu der Entscheidung der republikanischen Mehrheit im Parlament. Ob es weiter in "Disney World" investiert, das jährlich 50 Millionen Besucher anlockt, blieb genauso offen wie die mögliche Rücknahme der Entscheidung, 2000 seiner für das Parkdesign zuständigen Spezialisten von Kalifornien nach Florida zu verlagern.
Demonstranten rufen zu Boykott auf
Gouverneur De Santis ist das egal. Ihm geht es um seine Wiederwahl im November und die mögliche Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikaner. Mit sicheren Instinkten für die Basis der trumpfizierten Partei, stellt er sich mit dem "Don't Say Gay"-Gesetz nur zu gerne an die Spitze der rechten Kulturkrieger.
Die Sprecherin von Gouverneur De Santis, Christina Pushaw, bestätigte die Stoßrichtung des Gouverneurs mit ihrer Breitseite gegen Kritiker seiner Anti-LGBTQI-Politik. Diese seien "wahrscheinlich selber Groomer", die Kinder verderben wollten. Anders ließe sich kaum erklären, dass diese "nicht wenigstens das Verderben von vier- bis acht-jährigen Kindern verurteilen." So sehen es auch die Demonstranten vor "Disney World", die zum Boykott des Konzerns aufrufen.