Robert F. Kennedy Jr. hat sich den großen Aufschlag beim Superbowl-Finale in Las Vegas sieben Millionen Dollar kosten lassen. Genauer gesagt zahlte sein politisches Aktionskomitee „American Values 2024“ (Amerikanische Werte 2024) die Summe für eine 30-Sekunden-Werbung, die das größte Fernsehpublikum des Jahres erreichte. Darin führt sich der unabhängige Präsidentschaftskandidat als Erbe Camelots ein, obwohl sich der gesamte Kennedy-Clan von dem schwarzen Schaf der Familie distanziert hat. In den USA steht „Camelot“ als Synonym für die Kennedy-Regierung.
Der von einer Original-TV-Werbung John F. Kennedys adaptierte Clip sei ein dreistes Plagiat, beschwert sich der demokratische Stratege Robert Shrum, der mit der Familie eng verbunden ist. Es tue ihm wirklich leid, wenn der Superbowl-Clip der Familie Schmerzen zugefügt habe, erklärte RFK Junior anschließend und behauptete, dass er keinen Einfluss auf das Aktionskomitee gehabt habe. Eine Ausrede, die der Kandidat unterminierte, indem er die Werbung prominent auf seiner Webseite stehen ließ.
Schwache Werte für Trump und Biden
Der Sohn des ermordeten JFK-Bruders Bobby weiß nur zu gut, dass der Name „Kennedy“ bei den Amerikanern mit Glanz versehen bleibt. Und kontrastiert zu den Assoziationen, die seine Landsleute mit Joe Biden und Donald Trump haben.
In Umfragen erzielen der Präsident und der Ex-Präsident bereits vor ihrer Nominierung schwache Zustimmungswerte um die 40-Prozent-Marke. Der Wahlkampf gerät so zu einem Unbeliebtheitswettbewerb zwischen Biden und Trump. Wobei der 81-jährige Amtsinhaber darauf setzt, dass die Amerikaner dem Verteidiger von Demokratie und Rechtsstaat den Vorzug vor einem in 91 Punkten vor vier Strafgerichten angeklagten Kandidaten geben, der wie ein Autokrat regieren möchte.
Wenn die Meinungsforscher neben Biden und Trump auch nach den unabhängigen Bewerbern fragen, kommt Kennedy junior allein auf dreizehn Prozent. Die grüne Kandidatin Jill Stein und der progressive Princeton-Professor Cornel West erzielen bei dem von „Real Clear Politics“ ermittelten Durchschnitt aller Umfragen zusammen jeweils 2,2 Prozent der Stimmen. Das heißt knapp einer von fünf Wählern würde zum jetzigen Zeitpunkt einem Unabhängigen die Stimme geben.
Wenn die gut finanzierte Organisation „No Labels“ im Frühjahr nach dem Super-Dienstag (5. März) einen attraktiven Zentristen aufstellt, dürfte das weitere Stimmen binden. Im Gespräch sind der ehemalige Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, die Noch-Herausforderin Trumps bei den Republikanern, Nikki Haley, und der scheidende demokratische Senator Joe Manchin. Gelegentlich fällt auch der Name Arnold Schwarzeneggers.
Wenige Stimmen entscheiden
Selbst wenn nur ein Bruchteil der Amerikaner ihrer Unzufriedenheit mit der Wahlalternative Ausdruck verleiht, reichte das, den Ausgang des Rennens zu beeinflussen. Zumal die Präsidentschaftswahlen praktisch 50 einzelne Wahlen in den Gliedstaaten sind, die dem jeweiligen Gewinner alle Wahlleutestimmen geben.
Im Jahr 2000 entschieden 537 Stimmen in Florida über den Wahlsieg George W. Bushs gegen Al Gore. Hätte Verbraucheranwalt Ralph Nader seinerzeit den Demokraten Gore unterstützt, wären nicht nur die Wahlen anders ausgegangen. Die Geschichte hätte einen anderen Lauf genommen. 2016 profilierte sich die Grüne Jill Stein als Spielverderberin, die USA-weit auf ein Prozent der Stimmen kam. In Michigan, Pennsylvania und Wisconsin kostete das Hillary Clinton genügend Stimmen für einen Sieg über Donald Trump. Dem Land wäre viel erspart geblieben.
Tatsächlich ist der knappe Ausgang von Präsidentschaftswahlen in den USA über die vergangenen drei Jahrzehnte zur Norm geworden. Sie werden mit sehr knappen Margen entschieden. Joe Biden und Donald Trump trennten 2020 kombiniert ganze 44.000 Stimmen in den Staaten Georgia, Arizona und Wisconsin von einem anderen Wahlausgang.
Analysten halten es deshalb für gewagt, zum jetzigen Zeitpunkt Prognosen über den Ausgang der Wahlen im November treffen zu wollen. Mit unabhängigen Kandidaten im Rennen sei dies mehr als ungewiss.
Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass es im November keine Entweder-oder-Entscheidung geben wird, wie Team Biden bisher annahm. „Wir müssen an jedem Tag bis zu den Wahlen die Alarmglocken schrillen lassen“, sagt die Strategin Lis Smith zu der Gefahr, die von unabhängigen Kandidaten ausgeht. Die Demokratische Partei heuerte Smith an, Gegenkonzepte zu entwickeln. Daran arbeitet auch ihr Kollege Jim Kessler, der warnt, „diese Spielverderber-Kandidaten dritter Parteien sind die entscheidende Zutat für einen Trump-Sieg.“
Bisher hat es kein Unabhängiger geschafft
„No Labels“ weist diesen Vorwurf entschieden zurück. „Wir verderben gar nichts“, sagt der ehemalige Gouverneur von Missouri, Jay Nixon, die der Führung der Organisation angehört. Es liege an den beiden unbeliebten Kandidaten, die das Vakuum erzeugt hätten. „No Labels“ mache die Entscheidung über die Aufstellung eines Kandidaten allein davon ab, ob es für diesen einen realistischen Weg ins Weiße Haus gebe.
Historische Beispiele erfolgreicher Kandidaturen von Unabhängigen gibt es in den USA keine. Am weitesten kam der texanische Geschäftsmann Ross Perot, der 1992 fast 19 Prozent der Stimmen holte. Am Ende sicherte er damit Bill Clinton die Wahl ins Weiße Haus.
Viele Analysten glauben, dass „No Labels“ in diesem Jahr die kleinere Gefahr für Biden ist. Problematischer sei die Konkurrenz auf der Linken, die dem Präsidenten wegen seiner Haltung in Gaza bei jungen, schwarzen und muslimischen Wählern Stimmen abnehmen. Die Zeitung Politico fragt provokant, wie oft die Reden des Präsidenten noch unterbrochen werden müssten, bevor er realisiert, dass ihm dies die Wahl kosten könnte. „Und wie viele Umfragen müssen Kennedy zweistellig in den Swing States zeigen, bevor er diese ernst nimmt?“
Letzter Punkt ist angekommen. Was sich an der heftigen Reaktion auf das Kennedy-Video beim Superbowl in Las Vegas ablesen lässt. „Was für ein Betrug“, klagt Familienfreund Shrum über das Spiel mit der Kennedy-Nostalgie. „Bobby, Du bist kein John Kennedy. Du bist ein Trump-Verbündeter.“ Noch härter waren seine vier Geschwister mit RFK Junior zu Gericht gegangen, als er im Oktober offiziell seine Kandidatur als Unabhängiger erklärt hatte. Ihr Bruder trage zwar den Namen des Vaters, „aber er teilt nicht dessen Werte, Vision und Urteilsvermögen.“
Ob das reicht, Wähler davon abzubringen, Kennedy zu unterstützen, bleibt die offene Frage. „Das RFK-Problem besteht nicht darin, dass er 18 Prozent bekommt“, erklärt ein Analyst. „Es geht darum, ob er drei, zwei oder ein Prozent bekommt.“ Jede Stimme könnte am Ende bei einer Wahl fehlen.