Es beginnt mit einem festen Händedruck vor dem Élysée-Palast, einem freundlichen Lächeln, mehrfach klopfen die beiden Männer einander auf die Schulter. Am Vortag, als Friedrich Merz beim ersten Wahlgang durchfiel, hatte sich noch die Frage gestellt, ob er diesen Besuch in Paris überhaupt wie geplant würde antreten können. Nun steht er aber doch an diesem Mittwochmittag neben Präsident Emmanuel Macron, ohne auf den für ihn unangenehmen Eklat einzugehen, und nennt es „eine schöne Tradition", dass der erste Auslandsbesuch eines neu gewählten Bundeskanzlers diesen in die französische Hauptstadt führe.
Es sei auch der „Ausdruck der tiefen Verbundenheit" zwischen beiden Ländern und beiden Männern, welche sie „mit vielfältigen Begegnungen" bereits entwickelt haben. Tatsächlich hatte der französische Präsident den damaligen Oppositionsführer von der CDU bereits im Dezember 2023 zu einem Gespräch eingeladen. Wenige Wochen später trafen sie sich bei einer Trauerfeier für Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble, Merz' Mentor, bei der Macron eine Rede auf Deutsch hielt. Seit der Wahl gab es zwei weitere lange Begegnungen. Auf dieser Basis wollten sie nun aufbauen.
Eine gute deutsch-französische Beziehung erscheine heute selbstverständlich, doch das sei sie nicht, so Merz, sondern angesichts des Kriegsendes vor genau 80 Jahren „ein Geschenk der Vergebung und Versöhnung gerade für uns Deutsche". Der 8. Mai sei „eine gute Gelegenheit, nochmals den Blick zurück zu nehmen und vor allem den Blick nach vorne". Europa müsse sicherer und wettbewerbsfähiger werden, seine Verteidigungsfähigkeit ausbauen.
Gemeinsamer Sicherheitsrat soll entstehen
Macron, der Merz bei der Pressekonferenz mit festem Blick fixierte, als dieser sprach, kündigte die Schaffung eines „deutsch-französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrates" an. Dieser solle sich regelmäßig treffen, um „operationelle Antworten auf unsere gemeinsamen strategischen Herausforderungen zu finden". Es solle auch ein deutsch-französisches Innovations- und Verteidigungsprogramm aufgelegt werden, bilaterale Rüstungskooperationen will man vertiefen. Bereits vor mehreren Jahren sind die Projekte eines gemeinsam entwickelten Zukünftigen Luftkampfsystems und eines deutsch-französischen Kampfpanzers angelaufen. Die Unterstützung für die Ukraine gelte es noch besser zu koordinieren, sagte Merz.

Unter anderem bei einem Spaziergang am Élysée-Palast trafen Merz und Macron erste Absprachen in der Zeit neuen schwarz-roten Bundesregierung.
Auch Macron sprach „mehr von einer Freundschaft als einer Kooperation". Auf allen Ebenen wolle man „das einrichten, was wir einen deutsch-französischen Reflex nennen", also die permanente Abstimmung bei allen wichtigen Fragen, von einer Stärkung der Wirtschaftm der Entbürokratisierung auf europäischer Ebene bis hin zu Investitionen in Künstliche Intelligenz. Er hoffe aber auch auf ein „Ende der Diskiminierung von CO2-armen Energien auf EU-Ebene", sagte Macron in Anspielung auf die Blockadehaltung der vorherigen deutschen Regierung, Atomenergie als grüne Energie anzuerkennen und zu fördern.
Auch andere Streitpunkte wurden zumindest angeschnitten, etwa das EU-Mercosur-Abkommen, das von den Mitgliedstaaten noch ratifiziert werden muss. Merz betonte, dass es zügig abgeschlossen werden sollte und es auch der richtige Moment sei, weitere Handelspartner für die EU zu suchen. Er wisse, dass manche Themen für Frankreich noch nicht geklärt seien, aber das stelle „das große Ganze" nicht in Frage. Macron wiederum sprach sich grundsätzlich für eine „wirtschaftspolitische Diversifizierung" aus, aber Abkommen müssten „die europäischen Hersteller beschützen und eine Gleichbehandlung garantieren". Ein Teil der französischen Landwirte begehrt gegen die Vereinbarung mit den südamerikanischen Staaten auf und setzt Macron unter Druck.
Bei der Frage zu einer Ausweitung der französischen nuklearen Abschreckung auch auf Deutschland blieben beide vage. Diese könne nicht losgelöst von der Nato betrachtet werden, sagte Merz. Es sei grundsätzlich notwendig, mit Frankreich und auch Großbritannien über diese Perspektive zu sprechen, aber nur als Ergänzung zur aktuellen nuklearen Abschreckung, die die USA weiterhin garantiere. Auch im Ringen um Frieden für die Ukraine betonte er, es sei wichtig, dass die USA an diesem Prozess und auch an einer späteren Sicherheitsgarantie für die Ukraine weiter beteiligt seien und „dass die Amerikaner an Bord bleiben".
Merz und Macron sichern Ukraine Unterstützung zu
Die Ukraine, das betonten beide Politiker, könne sich im Kampf gegen den russischen Angriff auf Frankreich und Deutschland verlassen. Sie seien auch bereit, sich nach einem Waffenstillstand an dessen Überwachung zu beteiligen. Seinen Vorschlag europäischer Friedenstruppen wiederholte Macron bei dieser Gelegenheit nicht.
Vor dem gemeinsamen Mittagessen dankte er dem deutschen Kanzler „für das, was wir schon entschieden haben" und mit einem Augenzwinkern für „das, was uns an Arbeit bleibt". Es dürfte einiges sein. Noch am Nachmittag flog Merz weiter nach Warschau zu seinem zweiten Antrittsbesuch.
Dort betonten Polens Regierungschef Donald Tusk und Merz, ihre Bahnstrecken ausbauen zu wollen – auch zur Verbesserung der Nato-Infrastruktur für Konfliktfälle.
Tusk kritisierte die geplante Migrationspolitik der neuen Bundesregierung scharf. Es solle weder der Eindruck entstehen noch die Fakten geschaffen werden, dass irgendwer einschließlich Deutschlands bestimmte Gruppen von Migranten nach Polen schicke. Tusk spielt damit auf das in Eisenhüttenstadt nahe der Grenze zu Polen errichtete Dublin-Zentrum an, das für eine schnellere Rückführung von Asylsuchenden in andere EU-Staaten sorgen soll. Dort sollen Überstellungen von Migranten vor allem nach Polen organisiert werden.